Sturm, Christoph Christian: Unterhaltung der Andacht über die Leidensgeschichte Jesu. 2. Aufl. Halle (Saale), 1775.Erst. Abschn. Von einigen Begebenheiten de zu richten. Und nunmehr sage ichs euch voraus,ehe es geschieht, damit ihr alsdann, wenn es sich er- eignen wird, erkennen möget, daß ich der Sohn Gottes bin. Bey diesen Worten gerieth Jesus in die heftigste Bewegung seines Herzens. Er bezeugte dabey, und sprach: Wahrlich, wahrlich, ich versichere euch: einer unter euch wird mein Verräther seyn. Bey dieser Versicherung sahen sich die Jünger unter einander an, weil sie zweifelhaft waren, welchen er von ihnen meinen möchte. Es lag aber zunächst vor Jesu einer seiner Jün- ger, den Jesus vor andern liebte. Diesem gab Petrus einen Wink, daß er doch forschen möchte, wer derjenige wä- re, den Jesus meinte. Deswegen beugte sich derselbe an die Brust Jesu und fragte ihn ins geheim, wer wohl sein Verräther seyn möchte. Jesus antwortete: der ists, welchem ich diesen Bissen, den ich jetzt eintunke, dar- reichen werde. Hierauf tunkte er einen Bissen ein und reichte ihn dem Judas, mit dem Zunämen Ischarioth, dar. Nach dem genommenen Bissen wurden aufs neue die ver- rätherischen Gedanken in ihm rege, die ihm der Satan schon längst eingegeben hätte. Da sagte Jesus zu ihm: was du zu thun vorhast, das thue bald. Jedoch kei- ner verstand, was Jesus mit diesen Worten sagen wollte. Einige meinten, Jesus wolle hiedurch dem Judas, der das Geld in Verwahrung, und die gewöhnlichen Ausgaben zu besorgen hatte, zu verstehen geben, daß er die auf das Fest nothwendigen Bedürfnisse anschaffen sollte. Andre aber erklärten diese Worte so, als wenn Jesus dem Judas hie- mit den Befehl ertheilet hätte, den Armen die gewohnlichen Gaben mitzutheilen. So bald Judas nun den Bissen genommen hatte, gieng er sogleich vom Tische weg, ob es gleich schon Nacht war. Prak-
Erſt. Abſchn. Von einigen Begebenheiten de zu richten. Und nunmehr ſage ichs euch voraus,ehe es geſchieht, damit ihr alsdann, wenn es ſich er- eignen wird, erkennen möget, daß ich der Sohn Gottes bin. Bey dieſen Worten gerieth Jeſus in die heftigſte Bewegung ſeines Herzens. Er bezeugte dabey, und ſprach: Wahrlich, wahrlich, ich verſichere euch: einer unter euch wird mein Verräther ſeyn. Bey dieſer Verſicherung ſahen ſich die Jünger unter einander an, weil ſie zweifelhaft waren, welchen er von ihnen meinen möchte. Es lag aber zunächſt vor Jeſu einer ſeiner Jün- ger, den Jeſus vor andern liebte. Dieſem gab Petrus einen Wink, daß er doch forſchen möchte, wer derjenige wä- re, den Jeſus meinte. Deswegen beugte ſich derſelbe an die Bruſt Jeſu und fragte ihn ins geheim, wer wohl ſein Verräther ſeyn möchte. Jeſus antwortete: der iſts, welchem ich dieſen Biſſen, den ich jetzt eintunke, dar- reichen werde. Hierauf tunkte er einen Biſſen ein und reichte ihn dem Judas, mit dem Zunämen Iſcharioth, dar. Nach dem genommenen Biſſen wurden aufs neue die ver- rätheriſchen Gedanken in ihm rege, die ihm der Satan ſchon längſt eingegeben hätte. Da ſagte Jeſus zu ihm: was du zu thun vorhaſt, das thue bald. Jedoch kei- ner verſtand, was Jeſus mit dieſen Worten ſagen wollte. Einige meinten, Jeſus wolle hiedurch dem Judas, der das Geld in Verwahrung, und die gewöhnlichen Ausgaben zu beſorgen hatte, zu verſtehen geben, daß er die auf das Feſt nothwendigen Bedürfniſſe anſchaffen ſollte. Andre aber erklärten dieſe Worte ſo, als wenn Jeſus dem Judas hie- mit den Befehl ertheilet hätte, den Armen die gewohnlichen Gaben mitzutheilen. So bald Judas nun den Biſſen genommen hatte, gieng er ſogleich vom Tiſche weg, ob es gleich ſchon Nacht war. Prak-
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Erſt. Abſchn. Von einigen Begebenheiten
de zu richten. Und nunmehr ſage ichs euch voraus,
ehe es geſchieht, damit ihr alsdann, wenn es ſich er-
eignen wird, erkennen möget, daß ich der Sohn
Gottes bin. Bey dieſen Worten gerieth Jeſus in die
heftigſte Bewegung ſeines Herzens. Er bezeugte dabey,
und ſprach: Wahrlich, wahrlich, ich verſichere euch:
einer unter euch wird mein Verräther ſeyn. Bey
dieſer Verſicherung ſahen ſich die Jünger unter einander
an, weil ſie zweifelhaft waren, welchen er von ihnen meinen
möchte. Es lag aber zunächſt vor Jeſu einer ſeiner Jün-
ger, den Jeſus vor andern liebte. Dieſem gab Petrus
einen Wink, daß er doch forſchen möchte, wer derjenige wä-
re, den Jeſus meinte. Deswegen beugte ſich derſelbe an
die Bruſt Jeſu und fragte ihn ins geheim, wer wohl ſein
Verräther ſeyn möchte. Jeſus antwortete: der iſts,
welchem ich dieſen Biſſen, den ich jetzt eintunke, dar-
reichen werde. Hierauf tunkte er einen Biſſen ein und
reichte ihn dem Judas, mit dem Zunämen Iſcharioth, dar.
Nach dem genommenen Biſſen wurden aufs neue die ver-
rätheriſchen Gedanken in ihm rege, die ihm der Satan
ſchon längſt eingegeben hätte. Da ſagte Jeſus zu ihm:
was du zu thun vorhaſt, das thue bald. Jedoch kei-
ner verſtand, was Jeſus mit dieſen Worten ſagen wollte.
Einige meinten, Jeſus wolle hiedurch dem Judas, der das
Geld in Verwahrung, und die gewöhnlichen Ausgaben zu
beſorgen hatte, zu verſtehen geben, daß er die auf das Feſt
nothwendigen Bedürfniſſe anſchaffen ſollte. Andre aber
erklärten dieſe Worte ſo, als wenn Jeſus dem Judas hie-
mit den Befehl ertheilet hätte, den Armen die gewohnlichen
Gaben mitzutheilen. So bald Judas nun den Biſſen
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