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Sturm, Christoph Christian: Unterhaltung der Andacht über die Leidensgeschichte Jesu. 2. Aufl. Halle (Saale), 1775.

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Von dem Leiden Jesu selbst.

4. Wie oft bin ich schon gegen Jesum wankelmüthig worden,
wenn vermeßnes Zutrauen auf meine Kräfte, oder fleischliche
Vorurtheile, oder Unglaube mein Herz einnahmen!

12. Hinführung Jesu vor das geistliche Gericht.

Diejenigen, welche sich der Person Jesu bemächtiget
hatten, führten ihn zuerst zu den Hannas. Dieser Mann
bekleidete zwar nicht mehr die hohepriesterliche Würde; al-
lein weil er der Schwiegervater des wirklichen Hohenprie-
sters war, und noch immer einen starken Einfluß in die öf-
fentlichen Angelegenheiten hatte, so war es so verabredet
worden, daß Jesus zuerst vor den Hannas gebracht wer-
den sollte. Während dieser Zeit hatten sich die Mitglieder des
hohen Raths in dem Pallaste des Hohenpriesters Kaiphas
versammlet. Dieser war es, welcher ohnlängst bey einer
öffentlichen Versammlung den Ausspruch gethan hatte: es
wäre vortheilhafter, daß ein Mensch für das Volk aufge-
opfert würde, als daß um eines Menschen willen eine gan-
ze Nation zu Grunde gienge. Er sagte zwar mit diesen
Worten nichts weiter, als was ihm seine verderbte Staats-
klugheit eingab; allein durch eine besondere Regierung Got-
tes geschahe es, daß sein Ausspruch, nach dem buchstäbli-
chen Verstande, eine Weissagung auf den Versöhnungs-
tod Jesu enthielt. So bald nun alle Glieder des grossen
Raths beysammen waren, wurde Jesus aus dem Hause
des Hannas in den Pallast des Kaiphas gebracht.

Praktische Anmerkungen.

1. Wenn auch nicht wichtigere Gründe vorhanden wären,
welche die Unschuld Jesu ausser allen Zweifel setzten, so würde
schon dieser Umstand, daß seine Richter partheyische und übelge-
sinnte Leute waren, für seine Sache vortheilhaft seyn.

2. So nöthig es ist, das Beste eines Volks zu befördern, so
strafbar ist es allezeit, wenn man unerlaubte Mittel dazu an-
wendet.

3. Selbst
Von dem Leiden Jeſu ſelbſt.

4. Wie oft bin ich ſchon gegen Jeſum wankelmüthig worden,
wenn vermeßnes Zutrauen auf meine Kräfte, oder fleiſchliche
Vorurtheile, oder Unglaube mein Herz einnahmen!

12. Hinführung Jeſu vor das geiſtliche Gericht.

Diejenigen, welche ſich der Perſon Jeſu bemächtiget
hatten, führten ihn zuerſt zu den Hannas. Dieſer Mann
bekleidete zwar nicht mehr die hoheprieſterliche Würde; al-
lein weil er der Schwiegervater des wirklichen Hohenprie-
ſters war, und noch immer einen ſtarken Einfluß in die öf-
fentlichen Angelegenheiten hatte, ſo war es ſo verabredet
worden, daß Jeſus zuerſt vor den Hannas gebracht wer-
den ſollte. Während dieſer Zeit hatten ſich die Mitglieder des
hohen Raths in dem Pallaſte des Hohenprieſters Kaiphas
verſammlet. Dieſer war es, welcher ohnlängſt bey einer
öffentlichen Verſammlung den Ausſpruch gethan hatte: es
wäre vortheilhafter, daß ein Menſch für das Volk aufge-
opfert würde, als daß um eines Menſchen willen eine gan-
ze Nation zu Grunde gienge. Er ſagte zwar mit dieſen
Worten nichts weiter, als was ihm ſeine verderbte Staats-
klugheit eingab; allein durch eine beſondere Regierung Got-
tes geſchahe es, daß ſein Ausſpruch, nach dem buchſtäbli-
chen Verſtande, eine Weiſſagung auf den Verſöhnungs-
tod Jeſu enthielt. So bald nun alle Glieder des groſſen
Raths beyſammen waren, wurde Jeſus aus dem Hauſe
des Hannas in den Pallaſt des Kaiphas gebracht.

Praktiſche Anmerkungen.

1. Wenn auch nicht wichtigere Gründe vorhanden wären,
welche die Unſchuld Jeſu auſſer allen Zweifel ſetzten, ſo würde
ſchon dieſer Umſtand, daß ſeine Richter partheyiſche und übelge-
ſinnte Leute waren, für ſeine Sache vortheilhaft ſeyn.

2. So nöthig es iſt, das Beſte eines Volks zu befördern, ſo
ſtrafbar iſt es allezeit, wenn man unerlaubte Mittel dazu an-
wendet.

3. Selbſt
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[235/0257] Von dem Leiden Jeſu ſelbſt. 4. Wie oft bin ich ſchon gegen Jeſum wankelmüthig worden, wenn vermeßnes Zutrauen auf meine Kräfte, oder fleiſchliche Vorurtheile, oder Unglaube mein Herz einnahmen! 12. Hinführung Jeſu vor das geiſtliche Gericht. Diejenigen, welche ſich der Perſon Jeſu bemächtiget hatten, führten ihn zuerſt zu den Hannas. Dieſer Mann bekleidete zwar nicht mehr die hoheprieſterliche Würde; al- lein weil er der Schwiegervater des wirklichen Hohenprie- ſters war, und noch immer einen ſtarken Einfluß in die öf- fentlichen Angelegenheiten hatte, ſo war es ſo verabredet worden, daß Jeſus zuerſt vor den Hannas gebracht wer- den ſollte. Während dieſer Zeit hatten ſich die Mitglieder des hohen Raths in dem Pallaſte des Hohenprieſters Kaiphas verſammlet. Dieſer war es, welcher ohnlängſt bey einer öffentlichen Verſammlung den Ausſpruch gethan hatte: es wäre vortheilhafter, daß ein Menſch für das Volk aufge- opfert würde, als daß um eines Menſchen willen eine gan- ze Nation zu Grunde gienge. Er ſagte zwar mit dieſen Worten nichts weiter, als was ihm ſeine verderbte Staats- klugheit eingab; allein durch eine beſondere Regierung Got- tes geſchahe es, daß ſein Ausſpruch, nach dem buchſtäbli- chen Verſtande, eine Weiſſagung auf den Verſöhnungs- tod Jeſu enthielt. So bald nun alle Glieder des groſſen Raths beyſammen waren, wurde Jeſus aus dem Hauſe des Hannas in den Pallaſt des Kaiphas gebracht. Praktiſche Anmerkungen. 1. Wenn auch nicht wichtigere Gründe vorhanden wären, welche die Unſchuld Jeſu auſſer allen Zweifel ſetzten, ſo würde ſchon dieſer Umſtand, daß ſeine Richter partheyiſche und übelge- ſinnte Leute waren, für ſeine Sache vortheilhaft ſeyn. 2. So nöthig es iſt, das Beſte eines Volks zu befördern, ſo ſtrafbar iſt es allezeit, wenn man unerlaubte Mittel dazu an- wendet. 3. Selbſt

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Zitationshilfe: Sturm, Christoph Christian: Unterhaltung der Andacht über die Leidensgeschichte Jesu. 2. Aufl. Halle (Saale), 1775, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sturm_unterhaltung_1781/257>, abgerufen am 24.11.2024.