Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sturm, Christoph Christian: Unterhaltung der Andacht über die Leidensgeschichte Jesu. 2. Aufl. Halle (Saale), 1775.

Bild:
<< vorherige Seite

Von dem Leiden Jesu selbst.
schüchternen Zurückhaltung verleiten lasse!

2. Es ist was sehr gewöhnliches, unschuldige Handlungen
mit argem Verdachte zu belegen.

3. Ein gutes Gewissen ist die einzige Quelle einer wahren
Freymüthigkeit.

4. Wer arges thut, scheuet das Licht; wer aber die Wahr-
heit redet und thut, darf sich nicht scheuen, seine Worte und
Werke offenbar werden zu lassen.

5. Die Geduld Jesu bey der erlittnen Schmach, ist die sicht-
barste Erfüllung der Vorschriften, welche Jesus seinen Jüngern
ertheilt hatte.

6. Aus dem Betragen Jesu erhellet, daß es keinesweges un-
tersagt sey, seine öffentlich verletzte Ehre auf eine vernünftige
Weise zu vertheidigen.

15. Abhörung falscher Zeugen gegen Jesum.

Da nun durch diese Vertheidigung Jesu alle Anschlä-
ge der Feinde auf einmal vernichtet waren: so war man auf
ein anderes Mittel bedacht, den Mordanschlag gegen das
Leben Jesu auszuführen. Die Hohenpriester, die Aelte-
sten und sämtliche Mitglieder des hohen Raths bewarben
sich nunmehr um falsche Zeugnisse wider Jesum. Es fan-
den sich auch wirklich verschiedene ein, die falsche Zeugen
abgeben wollten. Man verhörte sie, einen nach dem an-
dern; allein ihre Aussagen waren ihnen zu ihrer Absicht
nicht behülflich. Denn theils waren sie nicht von der Cr-
heblichkeit, daß sie auch nur mit einigem Schein ein To-
desurtheil darauf hätten gründen können; theils stimmten
sie nicht mit einander überein, welches doch das Gesetz er-
forderte, dem sie äusserlich gemäß zu handeln scheinen woll-
ten. Endlich traten zween Zeugen wider Jesum auf, de-
ren Aussage wichtiger zu seyn schien. Der eine bezeugte,
Jesus habe gesagt: ich kann den Tempel Gottes ab-
brechen, und in dreyen Tagen einen andern bauen.

Der

Von dem Leiden Jeſu ſelbſt.
ſchüchternen Zurückhaltung verleiten laſſe!

2. Es iſt was ſehr gewöhnliches, unſchuldige Handlungen
mit argem Verdachte zu belegen.

3. Ein gutes Gewiſſen iſt die einzige Quelle einer wahren
Freymüthigkeit.

4. Wer arges thut, ſcheuet das Licht; wer aber die Wahr-
heit redet und thut, darf ſich nicht ſcheuen, ſeine Worte und
Werke offenbar werden zu laſſen.

5. Die Geduld Jeſu bey der erlittnen Schmach, iſt die ſicht-
barſte Erfüllung der Vorſchriften, welche Jeſus ſeinen Jüngern
ertheilt hatte.

6. Aus dem Betragen Jeſu erhellet, daß es keinesweges un-
terſagt ſey, ſeine öffentlich verletzte Ehre auf eine vernünftige
Weiſe zu vertheidigen.

15. Abhörung falſcher Zeugen gegen Jeſum.

Da nun durch dieſe Vertheidigung Jeſu alle Anſchlä-
ge der Feinde auf einmal vernichtet waren: ſo war man auf
ein anderes Mittel bedacht, den Mordanſchlag gegen das
Leben Jeſu auszuführen. Die Hohenprieſter, die Aelte-
ſten und ſämtliche Mitglieder des hohen Raths bewarben
ſich nunmehr um falſche Zeugniſſe wider Jeſum. Es fan-
den ſich auch wirklich verſchiedene ein, die falſche Zeugen
abgeben wollten. Man verhörte ſie, einen nach dem an-
dern; allein ihre Auſſagen waren ihnen zu ihrer Abſicht
nicht behülflich. Denn theils waren ſie nicht von der Cr-
heblichkeit, daß ſie auch nur mit einigem Schein ein To-
desurtheil darauf hätten gründen können; theils ſtimmten
ſie nicht mit einander überein, welches doch das Geſetz er-
forderte, dem ſie äuſſerlich gemäß zu handeln ſcheinen woll-
ten. Endlich traten zween Zeugen wider Jeſum auf, de-
ren Auſſage wichtiger zu ſeyn ſchien. Der eine bezeugte,
Jeſus habe geſagt: ich kann den Tempel Gottes ab-
brechen, und in dreyen Tagen einen andern bauen.

Der
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0261" n="239"/><fw place="top" type="header">Von dem Leiden Je&#x017F;u &#x017F;elb&#x017F;t.</fw><lb/>
&#x017F;chüchternen Zurückhaltung verleiten la&#x017F;&#x017F;e!</p><lb/>
              <p>2. Es i&#x017F;t was &#x017F;ehr gewöhnliches, un&#x017F;chuldige Handlungen<lb/>
mit argem Verdachte zu belegen.</p><lb/>
              <p>3. Ein gutes Gewi&#x017F;&#x017F;en i&#x017F;t die einzige Quelle einer wahren<lb/>
Freymüthigkeit.</p><lb/>
              <p>4. Wer arges thut, &#x017F;cheuet das Licht; wer aber die Wahr-<lb/>
heit redet und thut, darf &#x017F;ich nicht &#x017F;cheuen, &#x017F;eine Worte und<lb/>
Werke offenbar werden zu la&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
              <p>5. Die Geduld Je&#x017F;u bey der erlittnen Schmach, i&#x017F;t die &#x017F;icht-<lb/>
bar&#x017F;te Erfüllung der Vor&#x017F;chriften, welche Je&#x017F;us &#x017F;einen Jüngern<lb/>
ertheilt hatte.</p><lb/>
              <p>6. Aus dem Betragen Je&#x017F;u erhellet, daß es keinesweges un-<lb/>
ter&#x017F;agt &#x017F;ey, &#x017F;eine öffentlich verletzte Ehre auf eine vernünftige<lb/>
Wei&#x017F;e zu vertheidigen.</p>
            </div>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>15. Abhörung fal&#x017F;cher Zeugen gegen Je&#x017F;um.</head><lb/>
            <p>Da nun durch die&#x017F;e Vertheidigung Je&#x017F;u alle An&#x017F;chlä-<lb/>
ge der Feinde auf einmal vernichtet waren: &#x017F;o war man auf<lb/>
ein anderes Mittel bedacht, den Mordan&#x017F;chlag gegen das<lb/>
Leben Je&#x017F;u auszuführen. Die Hohenprie&#x017F;ter, die Aelte-<lb/>
&#x017F;ten und &#x017F;ämtliche Mitglieder des hohen Raths bewarben<lb/>
&#x017F;ich nunmehr um fal&#x017F;che Zeugni&#x017F;&#x017F;e wider Je&#x017F;um. Es fan-<lb/>
den &#x017F;ich auch wirklich ver&#x017F;chiedene ein, die fal&#x017F;che Zeugen<lb/>
abgeben wollten. Man verhörte &#x017F;ie, einen nach dem an-<lb/>
dern; allein ihre Au&#x017F;&#x017F;agen waren ihnen zu ihrer Ab&#x017F;icht<lb/>
nicht behülflich. Denn theils waren &#x017F;ie nicht von der Cr-<lb/>
heblichkeit, daß &#x017F;ie auch nur mit einigem Schein ein To-<lb/>
desurtheil darauf hätten gründen können; theils &#x017F;timmten<lb/>
&#x017F;ie nicht mit einander überein, welches doch das Ge&#x017F;etz er-<lb/>
forderte, dem &#x017F;ie äu&#x017F;&#x017F;erlich gemäß zu handeln &#x017F;cheinen woll-<lb/>
ten. Endlich traten zween Zeugen wider Je&#x017F;um auf, de-<lb/>
ren Au&#x017F;&#x017F;age wichtiger zu &#x017F;eyn &#x017F;chien. Der eine bezeugte,<lb/>
Je&#x017F;us habe ge&#x017F;agt: <hi rendition="#fr">ich kann den Tempel Gottes ab-<lb/>
brechen, und in dreyen Tagen einen andern bauen.</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">Der</hi></fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[239/0261] Von dem Leiden Jeſu ſelbſt. ſchüchternen Zurückhaltung verleiten laſſe! 2. Es iſt was ſehr gewöhnliches, unſchuldige Handlungen mit argem Verdachte zu belegen. 3. Ein gutes Gewiſſen iſt die einzige Quelle einer wahren Freymüthigkeit. 4. Wer arges thut, ſcheuet das Licht; wer aber die Wahr- heit redet und thut, darf ſich nicht ſcheuen, ſeine Worte und Werke offenbar werden zu laſſen. 5. Die Geduld Jeſu bey der erlittnen Schmach, iſt die ſicht- barſte Erfüllung der Vorſchriften, welche Jeſus ſeinen Jüngern ertheilt hatte. 6. Aus dem Betragen Jeſu erhellet, daß es keinesweges un- terſagt ſey, ſeine öffentlich verletzte Ehre auf eine vernünftige Weiſe zu vertheidigen. 15. Abhörung falſcher Zeugen gegen Jeſum. Da nun durch dieſe Vertheidigung Jeſu alle Anſchlä- ge der Feinde auf einmal vernichtet waren: ſo war man auf ein anderes Mittel bedacht, den Mordanſchlag gegen das Leben Jeſu auszuführen. Die Hohenprieſter, die Aelte- ſten und ſämtliche Mitglieder des hohen Raths bewarben ſich nunmehr um falſche Zeugniſſe wider Jeſum. Es fan- den ſich auch wirklich verſchiedene ein, die falſche Zeugen abgeben wollten. Man verhörte ſie, einen nach dem an- dern; allein ihre Auſſagen waren ihnen zu ihrer Abſicht nicht behülflich. Denn theils waren ſie nicht von der Cr- heblichkeit, daß ſie auch nur mit einigem Schein ein To- desurtheil darauf hätten gründen können; theils ſtimmten ſie nicht mit einander überein, welches doch das Geſetz er- forderte, dem ſie äuſſerlich gemäß zu handeln ſcheinen woll- ten. Endlich traten zween Zeugen wider Jeſum auf, de- ren Auſſage wichtiger zu ſeyn ſchien. Der eine bezeugte, Jeſus habe geſagt: ich kann den Tempel Gottes ab- brechen, und in dreyen Tagen einen andern bauen. Der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang: Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW): Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sturm_unterhaltung_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sturm_unterhaltung_1781/261
Zitationshilfe: Sturm, Christoph Christian: Unterhaltung der Andacht über die Leidensgeschichte Jesu. 2. Aufl. Halle (Saale), 1775, S. 239. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sturm_unterhaltung_1781/261>, abgerufen am 26.06.2024.