Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sturm, Christoph Christian: Unterhaltung der Andacht über die Leidensgeschichte Jesu. 2. Aufl. Halle (Saale), 1775.

Bild:
<< vorherige Seite

Zweyter Abschnitt.
äusserste zu treiben, fielen die Soldaten vor ihm auf die
Knie, und wünschten ihm, als einen Fürsten, der jetzt
den Thron bestiegen hätte, Glück. Sey gegrüsset,
sprachen sie, du König der Juden!
Und so oft sie sich ihm
in dieser angenommenen ehrerbietigen Stellung näherten,
so versetzten sie ihm Backenstreiche, und spien ihm ins An-
gesicht, und nahmen das Rohr und versetzten ihm damit
Streiche auf das Haupt.

Praktische Anmerkungen.

1. Es ist die äuserste Ungerechtigkeit, wenn ein Mensch den
andern einem spöttischen Hohngelächter aussetzt.

2. Es ist grausam, einen Elenden, Betrübten und Geplag-
ten zu verspotten.

3. Zu welchen unmenschlichen Mißhandlungen wird ein Mensch
hingerissen, der sich dem Unglauben und dem Spottgeiste
überläßt!

4. Auch dieses Leiden ist ein Theil der Versöhnung, welche
Jesus für die Sünden der Welt gestiftet hat.

5. Trug mein Jesus so mannigfaltige Schmach und Schmer-
zen mit so ausserordentlicher Geduld: warum sollte ich bey klei-
nen Beleidigungen, die mir widerfahren, aufgebracht werden?

34. Darstellung Jesu vor das Jüdische Volk.

Der Landpfleger glaubte, durch die Mißhandlung,
welche er durch seine Soldaten an Jesu verüben lassen, das
Mitleiden des Volks gegen ihn desto leichter rege zu machen.
Er ließ daher Jesum an einen Ort führen, wo er von dem
Volke gesehen werden konnte, und sagte zu ihnen: Se-
het, ich lasse diesen Menschen vor euch bringen.
Erkennet daraus, wie fest ich überzeugt seyn müsse,
daß er keines Verbrechens schuldig sey.
Indem er diß
sagte, so erschien Jesus vor dem Volke in dem erbärmlich-
sten Aufzuge: sein Haupt mit einer Dornenkrone umwun-

den,

Zweyter Abſchnitt.
äuſſerſte zu treiben, fielen die Soldaten vor ihm auf die
Knie, und wünſchten ihm, als einen Fürſten, der jetzt
den Thron beſtiegen hätte, Glück. Sey gegrüſſet,
ſprachen ſie, du König der Juden!
Und ſo oft ſie ſich ihm
in dieſer angenommenen ehrerbietigen Stellung näherten,
ſo verſetzten ſie ihm Backenſtreiche, und ſpien ihm ins An-
geſicht, und nahmen das Rohr und verſetzten ihm damit
Streiche auf das Haupt.

Praktiſche Anmerkungen.

1. Es iſt die äuſerſte Ungerechtigkeit, wenn ein Menſch den
andern einem ſpöttiſchen Hohngelächter ausſetzt.

2. Es iſt grauſam, einen Elenden, Betrübten und Geplag-
ten zu verſpotten.

3. Zu welchen unmenſchlichen Mißhandlungen wird ein Menſch
hingeriſſen, der ſich dem Unglauben und dem Spottgeiſte
überläßt!

4. Auch dieſes Leiden iſt ein Theil der Verſöhnung, welche
Jeſus für die Sünden der Welt geſtiftet hat.

5. Trug mein Jeſus ſo mannigfaltige Schmach und Schmer-
zen mit ſo auſſerordentlicher Geduld: warum ſollte ich bey klei-
nen Beleidigungen, die mir widerfahren, aufgebracht werden?

34. Darſtellung Jeſu vor das Jüdiſche Volk.

Der Landpfleger glaubte, durch die Mißhandlung,
welche er durch ſeine Soldaten an Jeſu verüben laſſen, das
Mitleiden des Volks gegen ihn deſto leichter rege zu machen.
Er ließ daher Jeſum an einen Ort führen, wo er von dem
Volke geſehen werden konnte, und ſagte zu ihnen: Se-
het, ich laſſe dieſen Menſchen vor euch bringen.
Erkennet daraus, wie feſt ich überzeugt ſeyn müſſe,
daß er keines Verbrechens ſchuldig ſey.
Indem er diß
ſagte, ſo erſchien Jeſus vor dem Volke in dem erbärmlich-
ſten Aufzuge: ſein Haupt mit einer Dornenkrone umwun-

den,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0286" n="264"/><fw place="top" type="header">Zweyter Ab&#x017F;chnitt.</fw><lb/>
äu&#x017F;&#x017F;er&#x017F;te zu treiben, fielen die Soldaten vor ihm auf die<lb/>
Knie, und wün&#x017F;chten ihm, als einen Für&#x017F;ten, der jetzt<lb/>
den Thron be&#x017F;tiegen hätte, Glück. <hi rendition="#fr">Sey gegrü&#x017F;&#x017F;et,<lb/>
&#x017F;prachen &#x017F;ie, du König der Juden!</hi> Und &#x017F;o oft &#x017F;ie &#x017F;ich ihm<lb/>
in die&#x017F;er angenommenen ehrerbietigen Stellung näherten,<lb/>
&#x017F;o ver&#x017F;etzten &#x017F;ie ihm Backen&#x017F;treiche, und &#x017F;pien ihm ins An-<lb/>
ge&#x017F;icht, und nahmen das Rohr und ver&#x017F;etzten ihm damit<lb/>
Streiche auf das Haupt.</p><lb/>
            <div n="4">
              <head> <hi rendition="#fr">Prakti&#x017F;che Anmerkungen.</hi> </head><lb/>
              <p>1. Es i&#x017F;t die äu&#x017F;er&#x017F;te Ungerechtigkeit, wenn ein Men&#x017F;ch den<lb/>
andern einem &#x017F;pötti&#x017F;chen Hohngelächter aus&#x017F;etzt.</p><lb/>
              <p>2. Es i&#x017F;t grau&#x017F;am, einen Elenden, Betrübten und Geplag-<lb/>
ten zu ver&#x017F;potten.</p><lb/>
              <p>3. Zu welchen unmen&#x017F;chlichen Mißhandlungen wird ein Men&#x017F;ch<lb/>
hingeri&#x017F;&#x017F;en, der &#x017F;ich dem Unglauben und dem Spottgei&#x017F;te<lb/>
überläßt!</p><lb/>
              <p>4. Auch die&#x017F;es Leiden i&#x017F;t ein Theil der Ver&#x017F;öhnung, welche<lb/>
Je&#x017F;us für die Sünden der Welt ge&#x017F;tiftet hat.</p><lb/>
              <p>5. Trug mein Je&#x017F;us &#x017F;o mannigfaltige Schmach und Schmer-<lb/>
zen mit &#x017F;o au&#x017F;&#x017F;erordentlicher Geduld: warum &#x017F;ollte ich bey klei-<lb/>
nen Beleidigungen, die mir widerfahren, aufgebracht werden?</p>
            </div>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>34. Dar&#x017F;tellung Je&#x017F;u vor das Jüdi&#x017F;che Volk.</head><lb/>
            <p>Der Landpfleger glaubte, durch die Mißhandlung,<lb/>
welche er durch &#x017F;eine Soldaten an Je&#x017F;u verüben la&#x017F;&#x017F;en, das<lb/>
Mitleiden des Volks gegen ihn de&#x017F;to leichter rege zu machen.<lb/>
Er ließ daher Je&#x017F;um an einen Ort führen, wo er von dem<lb/>
Volke ge&#x017F;ehen werden konnte, und &#x017F;agte zu ihnen: <hi rendition="#fr">Se-<lb/>
het, ich la&#x017F;&#x017F;e die&#x017F;en Men&#x017F;chen vor euch bringen.<lb/>
Erkennet daraus, wie fe&#x017F;t ich überzeugt &#x017F;eyn mü&#x017F;&#x017F;e,<lb/>
daß er keines Verbrechens &#x017F;chuldig &#x017F;ey.</hi> Indem er diß<lb/>
&#x017F;agte, &#x017F;o er&#x017F;chien Je&#x017F;us vor dem Volke in dem erbärmlich-<lb/>
&#x017F;ten Aufzuge: &#x017F;ein Haupt mit einer Dornenkrone umwun-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">den,</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[264/0286] Zweyter Abſchnitt. äuſſerſte zu treiben, fielen die Soldaten vor ihm auf die Knie, und wünſchten ihm, als einen Fürſten, der jetzt den Thron beſtiegen hätte, Glück. Sey gegrüſſet, ſprachen ſie, du König der Juden! Und ſo oft ſie ſich ihm in dieſer angenommenen ehrerbietigen Stellung näherten, ſo verſetzten ſie ihm Backenſtreiche, und ſpien ihm ins An- geſicht, und nahmen das Rohr und verſetzten ihm damit Streiche auf das Haupt. Praktiſche Anmerkungen. 1. Es iſt die äuſerſte Ungerechtigkeit, wenn ein Menſch den andern einem ſpöttiſchen Hohngelächter ausſetzt. 2. Es iſt grauſam, einen Elenden, Betrübten und Geplag- ten zu verſpotten. 3. Zu welchen unmenſchlichen Mißhandlungen wird ein Menſch hingeriſſen, der ſich dem Unglauben und dem Spottgeiſte überläßt! 4. Auch dieſes Leiden iſt ein Theil der Verſöhnung, welche Jeſus für die Sünden der Welt geſtiftet hat. 5. Trug mein Jeſus ſo mannigfaltige Schmach und Schmer- zen mit ſo auſſerordentlicher Geduld: warum ſollte ich bey klei- nen Beleidigungen, die mir widerfahren, aufgebracht werden? 34. Darſtellung Jeſu vor das Jüdiſche Volk. Der Landpfleger glaubte, durch die Mißhandlung, welche er durch ſeine Soldaten an Jeſu verüben laſſen, das Mitleiden des Volks gegen ihn deſto leichter rege zu machen. Er ließ daher Jeſum an einen Ort führen, wo er von dem Volke geſehen werden konnte, und ſagte zu ihnen: Se- het, ich laſſe dieſen Menſchen vor euch bringen. Erkennet daraus, wie feſt ich überzeugt ſeyn müſſe, daß er keines Verbrechens ſchuldig ſey. Indem er diß ſagte, ſo erſchien Jeſus vor dem Volke in dem erbärmlich- ſten Aufzuge: ſein Haupt mit einer Dornenkrone umwun- den,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang: Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW): Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sturm_unterhaltung_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sturm_unterhaltung_1781/286
Zitationshilfe: Sturm, Christoph Christian: Unterhaltung der Andacht über die Leidensgeschichte Jesu. 2. Aufl. Halle (Saale), 1775, S. 264. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sturm_unterhaltung_1781/286>, abgerufen am 27.09.2024.