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Sturm, Christoph Christian: Unterhaltung der Andacht über die Leidensgeschichte Jesu. 2. Aufl. Halle (Saale), 1775.

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Zweyter Abschnitt.
der Kreuzigung zugegen gewesen war, einen genauen
Bericht. Und da dieser es bekräftigte, daß Jesus schon
gestorben wäre, so willigte er in die Bitte Josephs. Die-
ser lies sogleich den Leib Jesu vom Kreuz abnehmen, und
die zur Beerdigung erforderliche Leinewand einkaufen.
In gleicher Absicht vereinigten sich mit ihm Nikodemus,
welcher auch zu den Mitgliedern des hohen Raths gehörte
und derjenige war, welcher vormals zu Jesu bey der
Nacht kam, um sich von ihm unterrichten zu lassen.
Dieser schafte wohl hundert Pfund Myrrhen und Aloe
unter einander herbey. Nachdem der Leib Jesu abgewa-
schen worden war, so legten sie die trocknen Specereyen
um ihn herum, und wickelten ihn ganz in feines Leine-
wand ein. Hiebey liessen sie es bewenden, weil sie die
grosse Eilfertigkeit wegen des einbrechenden Sabbaths
verhinderte, Jesum so, wie sie es sich vorgenommen
hatten, zu balsamiren.

Praktische Anmerkungen.

1. Jesus hat unter allen Ständen und Lebensarten seine An-
hänger.

2. Welch ein Glück ist es für die Grossen der Erde, wann
ihre Grösse sie nicht von der Religion abhält. Wann einige,
denen der Herr viele Güter gegeben, seine desto eifrigern Liebha-
ber sind, und ihren Reichthum, ihre Macht und ihr Ansehen
zur Beförderung des Guten anwenden!

3. Es war eine Schwachheit, daß die Freunde Jesu seinen
Leib balsamirten. Allein dieser Umstand lehrt mich, daß auch
dergleichen Handlungen, wenn sie in guter Absicht geschehen,
nicht ganz mißbilliget werden können.

4. Selige Anwendung des Reichthums, wenn man mit dem-
selben Gliedern Jesu im Leben und Tode wohl thut!

5. Wie heilig ist die Regierung Gottes! Man bestimmte Jesu
sein Grab bey den Missethätern, aber er fand es dennoch bey den
Frommen und Reichen.

6. Wenn

Zweyter Abſchnitt.
der Kreuzigung zugegen geweſen war, einen genauen
Bericht. Und da dieſer es bekräftigte, daß Jeſus ſchon
geſtorben wäre, ſo willigte er in die Bitte Joſephs. Die-
ſer lies ſogleich den Leib Jeſu vom Kreuz abnehmen, und
die zur Beerdigung erforderliche Leinewand einkaufen.
In gleicher Abſicht vereinigten ſich mit ihm Nikodemus,
welcher auch zu den Mitgliedern des hohen Raths gehörte
und derjenige war, welcher vormals zu Jeſu bey der
Nacht kam, um ſich von ihm unterrichten zu laſſen.
Dieſer ſchafte wohl hundert Pfund Myrrhen und Aloe
unter einander herbey. Nachdem der Leib Jeſu abgewa-
ſchen worden war, ſo legten ſie die trocknen Specereyen
um ihn herum, und wickelten ihn ganz in feines Leine-
wand ein. Hiebey lieſſen ſie es bewenden, weil ſie die
groſſe Eilfertigkeit wegen des einbrechenden Sabbaths
verhinderte, Jeſum ſo, wie ſie es ſich vorgenommen
hatten, zu balſamiren.

Praktiſche Anmerkungen.

1. Jeſus hat unter allen Ständen und Lebensarten ſeine An-
hänger.

2. Welch ein Glück iſt es für die Groſſen der Erde, wann
ihre Gröſſe ſie nicht von der Religion abhält. Wann einige,
denen der Herr viele Güter gegeben, ſeine deſto eifrigern Liebha-
ber ſind, und ihren Reichthum, ihre Macht und ihr Anſehen
zur Beförderung des Guten anwenden!

3. Es war eine Schwachheit, daß die Freunde Jeſu ſeinen
Leib balſamirten. Allein dieſer Umſtand lehrt mich, daß auch
dergleichen Handlungen, wenn ſie in guter Abſicht geſchehen,
nicht ganz mißbilliget werden können.

4. Selige Anwendung des Reichthums, wenn man mit dem-
ſelben Gliedern Jeſu im Leben und Tode wohl thut!

5. Wie heilig iſt die Regierung Gottes! Man beſtimmte Jeſu
ſein Grab bey den Miſſethätern, aber er fand es dennoch bey den
Frommen und Reichen.

6. Wenn
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[288/0310] Zweyter Abſchnitt. der Kreuzigung zugegen geweſen war, einen genauen Bericht. Und da dieſer es bekräftigte, daß Jeſus ſchon geſtorben wäre, ſo willigte er in die Bitte Joſephs. Die- ſer lies ſogleich den Leib Jeſu vom Kreuz abnehmen, und die zur Beerdigung erforderliche Leinewand einkaufen. In gleicher Abſicht vereinigten ſich mit ihm Nikodemus, welcher auch zu den Mitgliedern des hohen Raths gehörte und derjenige war, welcher vormals zu Jeſu bey der Nacht kam, um ſich von ihm unterrichten zu laſſen. Dieſer ſchafte wohl hundert Pfund Myrrhen und Aloe unter einander herbey. Nachdem der Leib Jeſu abgewa- ſchen worden war, ſo legten ſie die trocknen Specereyen um ihn herum, und wickelten ihn ganz in feines Leine- wand ein. Hiebey lieſſen ſie es bewenden, weil ſie die groſſe Eilfertigkeit wegen des einbrechenden Sabbaths verhinderte, Jeſum ſo, wie ſie es ſich vorgenommen hatten, zu balſamiren. Praktiſche Anmerkungen. 1. Jeſus hat unter allen Ständen und Lebensarten ſeine An- hänger. 2. Welch ein Glück iſt es für die Groſſen der Erde, wann ihre Gröſſe ſie nicht von der Religion abhält. Wann einige, denen der Herr viele Güter gegeben, ſeine deſto eifrigern Liebha- ber ſind, und ihren Reichthum, ihre Macht und ihr Anſehen zur Beförderung des Guten anwenden! 3. Es war eine Schwachheit, daß die Freunde Jeſu ſeinen Leib balſamirten. Allein dieſer Umſtand lehrt mich, daß auch dergleichen Handlungen, wenn ſie in guter Abſicht geſchehen, nicht ganz mißbilliget werden können. 4. Selige Anwendung des Reichthums, wenn man mit dem- ſelben Gliedern Jeſu im Leben und Tode wohl thut! 5. Wie heilig iſt die Regierung Gottes! Man beſtimmte Jeſu ſein Grab bey den Miſſethätern, aber er fand es dennoch bey den Frommen und Reichen. 6. Wenn

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Zitationshilfe: Sturm, Christoph Christian: Unterhaltung der Andacht über die Leidensgeschichte Jesu. 2. Aufl. Halle (Saale), 1775, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sturm_unterhaltung_1781/310>, abgerufen am 26.11.2024.