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Sturm, Christoph Christian: Unterhaltung der Andacht über die Leidensgeschichte Jesu. 2. Aufl. Halle (Saale), 1775.

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auserlesener Paßionslieder.
[Spaltenumbruch] mich zu meinen schwersten Pflichten.
Ich schaue, Herr, auf meiner Bahn
stets glaubensvoll dein Leiden an,
den Gang darnach zu richten. Nun
sey der Pfad auch noch so steil! ich
wandr' ihn muthig und in Eil.

3. Nichts ist, was mich gefäßelt
hält. Du hast den Himmel, Herr
der Welt, für mich hindangesetzet.
Selbst was mein Herz liebt, opferts
doch dir gern auf, weil es nichts so
hoch als deine Liebe schätzet. O wie
so viel hab ich in ihr! Du dankst mir
nichts, ich alles dir.

4. Dem Nächsten dürft' ich mich
entziehn? gemächlich jede Bürde
fliehn? Und du trugst, was für Bür-
den! Ach Bürden, die, (trugst du sie
nicht), uns einst von Gottes Ange-
sicht zur Höllen stürzen würden. In
Schweiß und Müh, von Trägheit
fern, dien' auch nun ich dem Näch-
sten gern.

5. Ich scheute jede Bangigkeit;
da doch du, Herr der Herrlichkeit,
selbst Blut geschwitzt im Garten?
Hier in der Welt hab ich oft Angst.
Da du mit Aengsten zitternd rangst,
Was darf ich sonst erwarten? Herr,
laß auf diesen Kampf mich sehn; so
werd ich nie in Angst vergehn.

6. Du König, trugst die Dornen-
kron; und mich erschreckt ein eitler
Hohn, wenn rohe Spötter spotten?
Und sollt auch alle Welt zugleich sich
wider dich, Herr, und dein Reich
voll Spott zusammenrotten. Der
Feige scheu der Frevler Spott! Er
ehrt mich; er ist Ruhm bey Gott.

7. Nach Ehre dürft ich lüstern
seyn? Und du, du läßest dich ver-
speyn, da ich nach Ruhme geize?
Nach Hoheit strebt ich ohne Ruh;
und, Gottmensch, dich erniedrigst du
gar bis zum Tod am Kreuze; wo
[Spaltenumbruch] du, der du den Tod bezwingst, ver-
achtet zwischen Mördern hiengst.

8. In Krankheit fühl ich Linderung
so bald die Pein der Kreutzigung
mein banger Geist betrachtet. Und
trostlos machet mich kein Schmerz,
wenn auch schon mein geschmolzues
Herz umsonst nach Labung schmach-
tet; denn als dein Herz verschmach-
tet war, reicht man dir da nicht Es-
sig dar?

9. Wer hier nach Weltlust nur
begehrt; der ist, o Jesu, dein nicht
werth; noch fleischlich; noch ver-
blendet. Solls Leiden seyn; ich bin
bereit. Du, Herzog meiner Seligkeit,
bist auch durch sie vollendet. Dir,
der mir diese Bahn erst brach, trag
ich mein Kreuz nun willig nach.

10. Mein Leiden sey denn noch so
schwer! Für mich ists keine Strafe
mehr. Kurz ist der Christen Leiden.
O theurer Nahme, reich an Trost!
Du machst in jeder Noth getrost;
du wandelst sie in Freuden: weil
man mit ihm, der für uns litt, durch
Kreuz doch in Gemeinschaft tritt.

11. O Jesu, gieb mir deinen
Sinn, daß nun, wie du, auch ich
forthin, wornach die Welt strebt,
meide. Herr, bilde mich nach dir,
daß ich dir ähnlich werd', und wil-
liglich mit dir hienieden leide: So
herrsch ich dort dereinst mit dir;
hier aber lebest du in mir.

11. Mel. Ein Lämmlein geht etc.

Dich bet ich an, Herr Jesu Christ,
du Heil der Menschenkinder,
der du so reich an Gnade bist. So
zärtlich gegen Sünder! Du bist des
Blöden Zuversicht; nie wendest du
dein Angesicht von des Bedrängten
Flehen. Du siehst mit gnadenvollen
Blick auf ihn in seiner Noth zurück,
und eilst, ihm beyzustehen.

2. Du

auserleſener Paßionslieder.
[Spaltenumbruch] mich zu meinen ſchwerſten Pflichten.
Ich ſchaue, Herr, auf meiner Bahn
ſtets glaubensvoll dein Leiden an,
den Gang darnach zu richten. Nun
ſey der Pfad auch noch ſo ſteil! ich
wandr’ ihn muthig und in Eil.

3. Nichts iſt, was mich gefäßelt
hält. Du haſt den Himmel, Herr
der Welt, für mich hindangeſetzet.
Selbſt was mein Herz liebt, opferts
doch dir gern auf, weil es nichts ſo
hoch als deine Liebe ſchätzet. O wie
ſo viel hab ich in ihr! Du dankſt mir
nichts, ich alles dir.

4. Dem Nächſten dürft’ ich mich
entziehn? gemächlich jede Bürde
fliehn? Und du trugſt, was für Bür-
den! Ach Bürden, die, (trugſt du ſie
nicht), uns einſt von Gottes Ange-
ſicht zur Höllen ſtürzen würden. In
Schweiß und Müh, von Trägheit
fern, dien’ auch nun ich dem Näch-
ſten gern.

5. Ich ſcheute jede Bangigkeit;
da doch du, Herr der Herrlichkeit,
ſelbſt Blut geſchwitzt im Garten?
Hier in der Welt hab ich oft Angſt.
Da du mit Aengſten zitternd rangſt,
Was darf ich ſonſt erwarten? Herr,
laß auf dieſen Kampf mich ſehn; ſo
werd ich nie in Angſt vergehn.

6. Du König, trugſt die Dornen-
kron; und mich erſchreckt ein eitler
Hohn, wenn rohe Spötter ſpotten?
Und ſollt auch alle Welt zugleich ſich
wider dich, Herr, und dein Reich
voll Spott zuſammenrotten. Der
Feige ſcheu der Frevler Spott! Er
ehrt mich; er iſt Ruhm bey Gott.

7. Nach Ehre dürft ich lüſtern
ſeyn? Und du, du läßeſt dich ver-
ſpeyn, da ich nach Ruhme geize?
Nach Hoheit ſtrebt ich ohne Ruh;
und, Gottmenſch, dich erniedrigſt du
gar bis zum Tod am Kreuze; wo
[Spaltenumbruch] du, der du den Tod bezwingſt, ver-
achtet zwiſchen Mördern hiengſt.

8. In Krankheit fühl ich Linderung
ſo bald die Pein der Kreutzigung
mein banger Geiſt betrachtet. Und
troſtlos machet mich kein Schmerz,
wenn auch ſchon mein geſchmolzues
Herz umſonſt nach Labung ſchmach-
tet; denn als dein Herz verſchmach-
tet war, reicht man dir da nicht Eſ-
ſig dar?

9. Wer hier nach Weltluſt nur
begehrt; der iſt, o Jeſu, dein nicht
werth; noch fleiſchlich; noch ver-
blendet. Solls Leiden ſeyn; ich bin
bereit. Du, Herzog meiner Seligkeit,
biſt auch durch ſie vollendet. Dir,
der mir dieſe Bahn erſt brach, trag
ich mein Kreuz nun willig nach.

10. Mein Leiden ſey denn noch ſo
ſchwer! Für mich iſts keine Strafe
mehr. Kurz iſt der Chriſten Leiden.
O theurer Nahme, reich an Troſt!
Du machſt in jeder Noth getroſt;
du wandelſt ſie in Freuden: weil
man mit ihm, der für uns litt, durch
Kreuz doch in Gemeinſchaft tritt.

11. O Jeſu, gieb mir deinen
Sinn, daß nun, wie du, auch ich
forthin, wornach die Welt ſtrebt,
meide. Herr, bilde mich nach dir,
daß ich dir ähnlich werd’, und wil-
liglich mit dir hienieden leide: So
herrſch ich dort dereinſt mit dir;
hier aber lebeſt du in mir.

11. Mel. Ein Lämmlein geht ꝛc.

Dich bet ich an, Herr Jeſu Chriſt,
du Heil der Menſchenkinder,
der du ſo reich an Gnade biſt. So
zärtlich gegen Sünder! Du biſt des
Blöden Zuverſicht; nie wendeſt du
dein Angeſicht von des Bedrängten
Flehen. Du ſiehſt mit gnadenvollen
Blick auf ihn in ſeiner Noth zurück,
und eilſt, ihm beyzuſtehen.

2. Du
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[299/0321] auserleſener Paßionslieder. mich zu meinen ſchwerſten Pflichten. Ich ſchaue, Herr, auf meiner Bahn ſtets glaubensvoll dein Leiden an, den Gang darnach zu richten. Nun ſey der Pfad auch noch ſo ſteil! ich wandr’ ihn muthig und in Eil. 3. Nichts iſt, was mich gefäßelt hält. Du haſt den Himmel, Herr der Welt, für mich hindangeſetzet. Selbſt was mein Herz liebt, opferts doch dir gern auf, weil es nichts ſo hoch als deine Liebe ſchätzet. O wie ſo viel hab ich in ihr! Du dankſt mir nichts, ich alles dir. 4. Dem Nächſten dürft’ ich mich entziehn? gemächlich jede Bürde fliehn? Und du trugſt, was für Bür- den! Ach Bürden, die, (trugſt du ſie nicht), uns einſt von Gottes Ange- ſicht zur Höllen ſtürzen würden. In Schweiß und Müh, von Trägheit fern, dien’ auch nun ich dem Näch- ſten gern. 5. Ich ſcheute jede Bangigkeit; da doch du, Herr der Herrlichkeit, ſelbſt Blut geſchwitzt im Garten? Hier in der Welt hab ich oft Angſt. Da du mit Aengſten zitternd rangſt, Was darf ich ſonſt erwarten? Herr, laß auf dieſen Kampf mich ſehn; ſo werd ich nie in Angſt vergehn. 6. Du König, trugſt die Dornen- kron; und mich erſchreckt ein eitler Hohn, wenn rohe Spötter ſpotten? Und ſollt auch alle Welt zugleich ſich wider dich, Herr, und dein Reich voll Spott zuſammenrotten. Der Feige ſcheu der Frevler Spott! Er ehrt mich; er iſt Ruhm bey Gott. 7. Nach Ehre dürft ich lüſtern ſeyn? Und du, du läßeſt dich ver- ſpeyn, da ich nach Ruhme geize? Nach Hoheit ſtrebt ich ohne Ruh; und, Gottmenſch, dich erniedrigſt du gar bis zum Tod am Kreuze; wo du, der du den Tod bezwingſt, ver- achtet zwiſchen Mördern hiengſt. 8. In Krankheit fühl ich Linderung ſo bald die Pein der Kreutzigung mein banger Geiſt betrachtet. Und troſtlos machet mich kein Schmerz, wenn auch ſchon mein geſchmolzues Herz umſonſt nach Labung ſchmach- tet; denn als dein Herz verſchmach- tet war, reicht man dir da nicht Eſ- ſig dar? 9. Wer hier nach Weltluſt nur begehrt; der iſt, o Jeſu, dein nicht werth; noch fleiſchlich; noch ver- blendet. Solls Leiden ſeyn; ich bin bereit. Du, Herzog meiner Seligkeit, biſt auch durch ſie vollendet. Dir, der mir dieſe Bahn erſt brach, trag ich mein Kreuz nun willig nach. 10. Mein Leiden ſey denn noch ſo ſchwer! Für mich iſts keine Strafe mehr. Kurz iſt der Chriſten Leiden. O theurer Nahme, reich an Troſt! Du machſt in jeder Noth getroſt; du wandelſt ſie in Freuden: weil man mit ihm, der für uns litt, durch Kreuz doch in Gemeinſchaft tritt. 11. O Jeſu, gieb mir deinen Sinn, daß nun, wie du, auch ich forthin, wornach die Welt ſtrebt, meide. Herr, bilde mich nach dir, daß ich dir ähnlich werd’, und wil- liglich mit dir hienieden leide: So herrſch ich dort dereinſt mit dir; hier aber lebeſt du in mir. 11. Mel. Ein Lämmlein geht ꝛc. Dich bet ich an, Herr Jeſu Chriſt, du Heil der Menſchenkinder, der du ſo reich an Gnade biſt. So zärtlich gegen Sünder! Du biſt des Blöden Zuverſicht; nie wendeſt du dein Angeſicht von des Bedrängten Flehen. Du ſiehſt mit gnadenvollen Blick auf ihn in ſeiner Noth zurück, und eilſt, ihm beyzuſtehen. 2. Du

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Zitationshilfe: Sturm, Christoph Christian: Unterhaltung der Andacht über die Leidensgeschichte Jesu. 2. Aufl. Halle (Saale), 1775, S. 299. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sturm_unterhaltung_1781/321>, abgerufen am 27.11.2024.