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Sturm, Christoph Christian: Unterhaltung der Andacht über die Leidensgeschichte Jesu. 2. Aufl. Halle (Saale), 1775.

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Betragen Jesu gegen seine Jünger.
schlafen und ruhen? Es ist genug; die Stunde ist gekom-
men. Siehe, des Menschen Sohn wird überantwortet
in der Sünder Hände.

Von allen Seiten ist mein Jesus voll Angst und
Schmerzen. In ihm ist eine zagende Seele:
über ihm ein erzürnter Richter: um ihn her eine
Anzahl schwacher, schüchterner Freunde. Jedes dieser
Begegnisse kann schon dem standhaftesten Heiligen allen
Muth und alle Freudigkeit benehmen. Aber in allen
Stücken bewieß sich mein Mittler als ein Held. Das
Zagen seiner Seele überwand er durch Geduld und zu-
versichtliches Vertrauen auf seinen Vater. Der Stren-
ge seiner Gerichte setzte er seine Unschuld, seine Un-
terwerfung und sein flehentliches Gebet entgegen. Und
gegen seine strauchelnden Freunde bewies er die nachsicht-
volleste Liebe. Ich will jetzt dem letztern Beweise seiner
Zärtlichkeit in der Stille nachdenken.

Welche Grösse des Geistes und Herzens offenbahrt
Jesus unter dem Gefühl seiner Seelenleiden! Bey der
Menge seiner eigenen Anfechtungen wäre es kein Wunder
gewesen, wenn er blos an sich selbst gedacht, und seine
Freunde ihrem Schicksal überlassen hätte. Allein er lieb-
te die Seinen bis ans Ende. Auch in der Stunde,
wo alle seine Gedanken mit Gott beschäftiget waren, dach-
te er an seine Jünger, er dachte mit einer Zärtlichkeit an
sie, die uns in Erstaunen setzen muß. So schwach sie
sich auch unter der Versuchung bewiesen, so unterließ er
doch nicht, sie liebreich an ihre Pflicht zu erinnern, für
ihre Sicherheit zu sorgen, und mit ihren Schwachheiten
Geduld zu tragen.

Jesus hat den ersten schweren Kampf überstanden.
Von so mannigfaltigen Quaalen abgemattet wankte er zu

sei-
Betragen Jeſu gegen ſeine Jünger.
ſchlafen und ruhen? Es iſt genug; die Stunde iſt gekom-
men. Siehe, des Menſchen Sohn wird überantwortet
in der Sünder Hände.

Von allen Seiten iſt mein Jeſus voll Angſt und
Schmerzen. In ihm iſt eine zagende Seele:
über ihm ein erzürnter Richter: um ihn her eine
Anzahl ſchwacher, ſchüchterner Freunde. Jedes dieſer
Begegniſſe kann ſchon dem ſtandhafteſten Heiligen allen
Muth und alle Freudigkeit benehmen. Aber in allen
Stücken bewieß ſich mein Mittler als ein Held. Das
Zagen ſeiner Seele überwand er durch Geduld und zu-
verſichtliches Vertrauen auf ſeinen Vater. Der Stren-
ge ſeiner Gerichte ſetzte er ſeine Unſchuld, ſeine Un-
terwerfung und ſein flehentliches Gebet entgegen. Und
gegen ſeine ſtrauchelnden Freunde bewies er die nachſicht-
volleſte Liebe. Ich will jetzt dem letztern Beweiſe ſeiner
Zärtlichkeit in der Stille nachdenken.

Welche Gröſſe des Geiſtes und Herzens offenbahrt
Jeſus unter dem Gefühl ſeiner Seelenleiden! Bey der
Menge ſeiner eigenen Anfechtungen wäre es kein Wunder
geweſen, wenn er blos an ſich ſelbſt gedacht, und ſeine
Freunde ihrem Schickſal überlaſſen hätte. Allein er lieb-
te die Seinen bis ans Ende. Auch in der Stunde,
wo alle ſeine Gedanken mit Gott beſchäftiget waren, dach-
te er an ſeine Jünger, er dachte mit einer Zärtlichkeit an
ſie, die uns in Erſtaunen ſetzen muß. So ſchwach ſie
ſich auch unter der Verſuchung bewieſen, ſo unterließ er
doch nicht, ſie liebreich an ihre Pflicht zu erinnern, für
ihre Sicherheit zu ſorgen, und mit ihren Schwachheiten
Geduld zu tragen.

Jeſus hat den erſten ſchweren Kampf überſtanden.
Von ſo mannigfaltigen Quaalen abgemattet wankte er zu

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[27/0049] Betragen Jeſu gegen ſeine Jünger. ſchlafen und ruhen? Es iſt genug; die Stunde iſt gekom- men. Siehe, des Menſchen Sohn wird überantwortet in der Sünder Hände. Von allen Seiten iſt mein Jeſus voll Angſt und Schmerzen. In ihm iſt eine zagende Seele: über ihm ein erzürnter Richter: um ihn her eine Anzahl ſchwacher, ſchüchterner Freunde. Jedes dieſer Begegniſſe kann ſchon dem ſtandhafteſten Heiligen allen Muth und alle Freudigkeit benehmen. Aber in allen Stücken bewieß ſich mein Mittler als ein Held. Das Zagen ſeiner Seele überwand er durch Geduld und zu- verſichtliches Vertrauen auf ſeinen Vater. Der Stren- ge ſeiner Gerichte ſetzte er ſeine Unſchuld, ſeine Un- terwerfung und ſein flehentliches Gebet entgegen. Und gegen ſeine ſtrauchelnden Freunde bewies er die nachſicht- volleſte Liebe. Ich will jetzt dem letztern Beweiſe ſeiner Zärtlichkeit in der Stille nachdenken. Welche Gröſſe des Geiſtes und Herzens offenbahrt Jeſus unter dem Gefühl ſeiner Seelenleiden! Bey der Menge ſeiner eigenen Anfechtungen wäre es kein Wunder geweſen, wenn er blos an ſich ſelbſt gedacht, und ſeine Freunde ihrem Schickſal überlaſſen hätte. Allein er lieb- te die Seinen bis ans Ende. Auch in der Stunde, wo alle ſeine Gedanken mit Gott beſchäftiget waren, dach- te er an ſeine Jünger, er dachte mit einer Zärtlichkeit an ſie, die uns in Erſtaunen ſetzen muß. So ſchwach ſie ſich auch unter der Verſuchung bewieſen, ſo unterließ er doch nicht, ſie liebreich an ihre Pflicht zu erinnern, für ihre Sicherheit zu ſorgen, und mit ihren Schwachheiten Geduld zu tragen. Jeſus hat den erſten ſchweren Kampf überſtanden. Von ſo mannigfaltigen Quaalen abgemattet wankte er zu ſei-

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Zitationshilfe: Sturm, Christoph Christian: Unterhaltung der Andacht über die Leidensgeschichte Jesu. 2. Aufl. Halle (Saale), 1775, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sturm_unterhaltung_1781/49>, abgerufen am 23.11.2024.