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Sturm, Christoph Christian: Unterhaltung der Andacht über die Leidensgeschichte Jesu. 2. Aufl. Halle (Saale), 1775.

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Sechste Betrachtung.
genwart auf der Welt war, da sie nach seinem Tode Zeu-
gen seiner Auferstehung werden sollten. Daher befreyet
er sie von der Gefahr, welcher sie ausgesetzt waren. Er
selbst aber bietet mit Entschlossenheit und Heldenmuth seine
Hände den Banden, seinen Leib unzähligen Mißhandlun-
gen, und sein Leben dem Tode dar.

O starke unermeßliche Liebe! wie erleichtert findet sich
mein Herz, wenn ich ihr nachdenke, und mir die Tröstun-
gen zueigne, welche darin auch für meine Umstände liegen!
Ich kann ganz geruhig seyn, wenn auch alle Macht der
Feinde sich gegen mich empört: wenn grosse Gefahren
mir drohen, in welchen ich zu Grunde gehen könnte. Der
Herr ist meine Zuversicht und Stärke, meine Hülfe in al-
len Nöthen, die mich treffen können. Ich habe schon so
viele Erfahrungen in meinem Leben erhalten, wie vermö-
gend mein Erlöser ist, mich auch alsdann zu erretten, wenn
ich von dem Elend schon überwältiget zu seyn scheine. Ich
will ewig auf ihn hoffen. Er wird es unter allen Umstän-
den wohl mit mir machen. Vielleicht habe ich noch ande-
re Bekümmernisse, welche mich beunruhigen. Vielleicht
sind es Kinder, die der Verführung bloßgestellt sind, viel-
leicht Freunde, die von aller Hülfe entblößt sind. Viel-
leicht erweckt das Schicksal der Kirche Jesu, die so sehr ge-
drängt und so heftig bestürmt wird, in mir kummervolle
Gedanken. Aber ich will mich durch nichts niederschla-
gen lassen. Die Unschuld und das Glück der Meini-
gen wird der Herr in seinen Schutz nehmen. Sein
Wort, seine Glieder und seine ganze Kirche wird er ge-
gen alle Angriffe der Feinde beschützen. Konnte er dort
in seiner Erniedrigung seinen Wiedersachern gebieten, seine
Jünger unangetastet zu lassen: o so wird er noch vielmehr
jetzt, da er über alle Himmel erhöhet ist, die Rathschläge
seiner Feinde zu Schanden machen. Die Stadt Gottes

mit

Sechſte Betrachtung.
genwart auf der Welt war, da ſie nach ſeinem Tode Zeu-
gen ſeiner Auferſtehung werden ſollten. Daher befreyet
er ſie von der Gefahr, welcher ſie ausgeſetzt waren. Er
ſelbſt aber bietet mit Entſchloſſenheit und Heldenmuth ſeine
Hände den Banden, ſeinen Leib unzähligen Mißhandlun-
gen, und ſein Leben dem Tode dar.

O ſtarke unermeßliche Liebe! wie erleichtert findet ſich
mein Herz, wenn ich ihr nachdenke, und mir die Tröſtun-
gen zueigne, welche darin auch für meine Umſtände liegen!
Ich kann ganz geruhig ſeyn, wenn auch alle Macht der
Feinde ſich gegen mich empört: wenn groſſe Gefahren
mir drohen, in welchen ich zu Grunde gehen könnte. Der
Herr iſt meine Zuverſicht und Stärke, meine Hülfe in al-
len Nöthen, die mich treffen können. Ich habe ſchon ſo
viele Erfahrungen in meinem Leben erhalten, wie vermö-
gend mein Erlöſer iſt, mich auch alsdann zu erretten, wenn
ich von dem Elend ſchon überwältiget zu ſeyn ſcheine. Ich
will ewig auf ihn hoffen. Er wird es unter allen Umſtän-
den wohl mit mir machen. Vielleicht habe ich noch ande-
re Bekümmerniſſe, welche mich beunruhigen. Vielleicht
ſind es Kinder, die der Verführung bloßgeſtellt ſind, viel-
leicht Freunde, die von aller Hülfe entblößt ſind. Viel-
leicht erweckt das Schickſal der Kirche Jeſu, die ſo ſehr ge-
drängt und ſo heftig beſtürmt wird, in mir kummervolle
Gedanken. Aber ich will mich durch nichts niederſchla-
gen laſſen. Die Unſchuld und das Glück der Meini-
gen wird der Herr in ſeinen Schutz nehmen. Sein
Wort, ſeine Glieder und ſeine ganze Kirche wird er ge-
gen alle Angriffe der Feinde beſchützen. Konnte er dort
in ſeiner Erniedrigung ſeinen Wiederſachern gebieten, ſeine
Jünger unangetaſtet zu laſſen: o ſo wird er noch vielmehr
jetzt, da er über alle Himmel erhöhet iſt, die Rathſchläge
ſeiner Feinde zu Schanden machen. Die Stadt Gottes

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[36/0058] Sechſte Betrachtung. genwart auf der Welt war, da ſie nach ſeinem Tode Zeu- gen ſeiner Auferſtehung werden ſollten. Daher befreyet er ſie von der Gefahr, welcher ſie ausgeſetzt waren. Er ſelbſt aber bietet mit Entſchloſſenheit und Heldenmuth ſeine Hände den Banden, ſeinen Leib unzähligen Mißhandlun- gen, und ſein Leben dem Tode dar. O ſtarke unermeßliche Liebe! wie erleichtert findet ſich mein Herz, wenn ich ihr nachdenke, und mir die Tröſtun- gen zueigne, welche darin auch für meine Umſtände liegen! Ich kann ganz geruhig ſeyn, wenn auch alle Macht der Feinde ſich gegen mich empört: wenn groſſe Gefahren mir drohen, in welchen ich zu Grunde gehen könnte. Der Herr iſt meine Zuverſicht und Stärke, meine Hülfe in al- len Nöthen, die mich treffen können. Ich habe ſchon ſo viele Erfahrungen in meinem Leben erhalten, wie vermö- gend mein Erlöſer iſt, mich auch alsdann zu erretten, wenn ich von dem Elend ſchon überwältiget zu ſeyn ſcheine. Ich will ewig auf ihn hoffen. Er wird es unter allen Umſtän- den wohl mit mir machen. Vielleicht habe ich noch ande- re Bekümmerniſſe, welche mich beunruhigen. Vielleicht ſind es Kinder, die der Verführung bloßgeſtellt ſind, viel- leicht Freunde, die von aller Hülfe entblößt ſind. Viel- leicht erweckt das Schickſal der Kirche Jeſu, die ſo ſehr ge- drängt und ſo heftig beſtürmt wird, in mir kummervolle Gedanken. Aber ich will mich durch nichts niederſchla- gen laſſen. Die Unſchuld und das Glück der Meini- gen wird der Herr in ſeinen Schutz nehmen. Sein Wort, ſeine Glieder und ſeine ganze Kirche wird er ge- gen alle Angriffe der Feinde beſchützen. Konnte er dort in ſeiner Erniedrigung ſeinen Wiederſachern gebieten, ſeine Jünger unangetaſtet zu laſſen: o ſo wird er noch vielmehr jetzt, da er über alle Himmel erhöhet iſt, die Rathſchläge ſeiner Feinde zu Schanden machen. Die Stadt Gottes mit

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Zitationshilfe: Sturm, Christoph Christian: Unterhaltung der Andacht über die Leidensgeschichte Jesu. 2. Aufl. Halle (Saale), 1775, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sturm_unterhaltung_1781/58>, abgerufen am 21.11.2024.