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Sturza, Marie Tihanyi: Das Gelübde einer dreißigjährigen Frau. Leipzig, 1905

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genug Elemente finden könnte, um geistige Bildung zu unterhalten und zu entwickeln.

Es scheint aber, daß sich die Provinz nicht zur Ausübung ihrer Kräfte und Wahrung ihrer Autonomie aufraffen kann: sie siecht dahin, sie welkt, sie vergißt und wird von den andern vergessen, sie liegt in einem Schlummer, der einer gewissen Annehmlichkeit nicht entbehrt, aber freudlos ist.

Die Gesellschaft blickte mit einigem Stolz auf den wachsenden Ruhm des jungen Komponisten Seuriet, wenn auch nicht ohne eine gewisse Eifersucht. Aus Furcht, durch eine zu lebhafte Äußerung ihrer Begeisterung die eigene Unwissenheit in schmerzlicher Weise bloßzustellen, geizte sie eher mit dem Ausdruck ihres Beifalls, als der junge Mann in der Karwoche sein stolzes Talent offenbarte. Er aber konnte sich trösten. Außer seinen nahen Freunden, deren Freude sich in vielleicht überschwenglichen Ausdrücken äußerte, war er vom Erfolg beglückt, den er bei einigen schon anerkannten jungen Komponisten und bei mehreren Kritikern fand. Eine Anzahl seiner Musikstücke, die kürzlich in den großen Konzerten von Lamoureux und bei Colonne gespielt worden waren, hatten dieselben so sehr gepackt, daß sie die Mühe nicht scheuten, zur

genug Elemente finden könnte, um geistige Bildung zu unterhalten und zu entwickeln.

Es scheint aber, daß sich die Provinz nicht zur Ausübung ihrer Kräfte und Wahrung ihrer Autonomie aufraffen kann: sie siecht dahin, sie welkt, sie vergißt und wird von den andern vergessen, sie liegt in einem Schlummer, der einer gewissen Annehmlichkeit nicht entbehrt, aber freudlos ist.

Die Gesellschaft blickte mit einigem Stolz auf den wachsenden Ruhm des jungen Komponisten Seuriet, wenn auch nicht ohne eine gewisse Eifersucht. Aus Furcht, durch eine zu lebhafte Äußerung ihrer Begeisterung die eigene Unwissenheit in schmerzlicher Weise bloßzustellen, geizte sie eher mit dem Ausdruck ihres Beifalls, als der junge Mann in der Karwoche sein stolzes Talent offenbarte. Er aber konnte sich trösten. Außer seinen nahen Freunden, deren Freude sich in vielleicht überschwenglichen Ausdrücken äußerte, war er vom Erfolg beglückt, den er bei einigen schon anerkannten jungen Komponisten und bei mehreren Kritikern fand. Eine Anzahl seiner Musikstücke, die kürzlich in den großen Konzerten von Lamoureux und bei Colonne gespielt worden waren, hatten dieselben so sehr gepackt, daß sie die Mühe nicht scheuten, zur

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[118/0119] genug Elemente finden könnte, um geistige Bildung zu unterhalten und zu entwickeln. Es scheint aber, daß sich die Provinz nicht zur Ausübung ihrer Kräfte und Wahrung ihrer Autonomie aufraffen kann: sie siecht dahin, sie welkt, sie vergißt und wird von den andern vergessen, sie liegt in einem Schlummer, der einer gewissen Annehmlichkeit nicht entbehrt, aber freudlos ist. Die Gesellschaft blickte mit einigem Stolz auf den wachsenden Ruhm des jungen Komponisten Seuriet, wenn auch nicht ohne eine gewisse Eifersucht. Aus Furcht, durch eine zu lebhafte Äußerung ihrer Begeisterung die eigene Unwissenheit in schmerzlicher Weise bloßzustellen, geizte sie eher mit dem Ausdruck ihres Beifalls, als der junge Mann in der Karwoche sein stolzes Talent offenbarte. Er aber konnte sich trösten. Außer seinen nahen Freunden, deren Freude sich in vielleicht überschwenglichen Ausdrücken äußerte, war er vom Erfolg beglückt, den er bei einigen schon anerkannten jungen Komponisten und bei mehreren Kritikern fand. Eine Anzahl seiner Musikstücke, die kürzlich in den großen Konzerten von Lamoureux und bei Colonne gespielt worden waren, hatten dieselben so sehr gepackt, daß sie die Mühe nicht scheuten, zur

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Zitationshilfe: Sturza, Marie Tihanyi: Das Gelübde einer dreißigjährigen Frau. Leipzig, 1905, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sturza_geluebde_1905/119>, abgerufen am 22.05.2024.