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Sturza, Marie Tihanyi: Das Gelübde einer dreißigjährigen Frau. Leipzig, 1905

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Sie bebte vor Entsetzen, wenn sie sich vorstellte, daß sie Fred schwach finden könnte, und sie verwarf einen Plan, der zu dieser ärgsten aller Gefahren führen könnte. Wenn sie sich die geöffneten Arme des weinenden Fred vorstellte, kam ihr die Sache unmöglich vor. Sie konnte nicht glauben, daß Fred auf eine Heirat mit Stella eingehen würde, obgleich sie sich gestehen mußte, daß ihn ihr entschieden ausgesprochener Wunsch zu diesem Entschlusse wohl bringen würde.

Ihre Gedanken webten, wirbelten, flohen und klammerten sich an die Unmöglichkeit, wie an Rettungsanker, die plötzlich nachgeben, gekappt durch die offen zu Tage liegende Pflicht. Und sie rieb sich auf in diesen schrecklichen Kämpfen und über die traurige Wahrnehmung, daß sie angesichts der Tat so arm an Energie, so kindisch furchtsam war. Sie fand keine Stütze in einer unbeugsamen praktischen, auf gründlichem Denken aufgebauten Logik. Waffenlos setzte sie sich dem Kampfe aus, willenlos opferte sie sich, im natürlichen Instinkt einer rückhaltlosen Hingebung. Ihr schwacher Wille ließ sie regungslos in der erschreckten Stellung eines untätigen Tieres, das sich erschlagen läßt, ohne auch nur zu versuchen, sich

Sie bebte vor Entsetzen, wenn sie sich vorstellte, daß sie Fred schwach finden könnte, und sie verwarf einen Plan, der zu dieser ärgsten aller Gefahren führen könnte. Wenn sie sich die geöffneten Arme des weinenden Fred vorstellte, kam ihr die Sache unmöglich vor. Sie konnte nicht glauben, daß Fred auf eine Heirat mit Stella eingehen würde, obgleich sie sich gestehen mußte, daß ihn ihr entschieden ausgesprochener Wunsch zu diesem Entschlusse wohl bringen würde.

Ihre Gedanken webten, wirbelten, flohen und klammerten sich an die Unmöglichkeit, wie an Rettungsanker, die plötzlich nachgeben, gekappt durch die offen zu Tage liegende Pflicht. Und sie rieb sich auf in diesen schrecklichen Kämpfen und über die traurige Wahrnehmung, daß sie angesichts der Tat so arm an Energie, so kindisch furchtsam war. Sie fand keine Stütze in einer unbeugsamen praktischen, auf gründlichem Denken aufgebauten Logik. Waffenlos setzte sie sich dem Kampfe aus, willenlos opferte sie sich, im natürlichen Instinkt einer rückhaltlosen Hingebung. Ihr schwacher Wille ließ sie regungslos in der erschreckten Stellung eines untätigen Tieres, das sich erschlagen läßt, ohne auch nur zu versuchen, sich

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[123/0124] Sie bebte vor Entsetzen, wenn sie sich vorstellte, daß sie Fred schwach finden könnte, und sie verwarf einen Plan, der zu dieser ärgsten aller Gefahren führen könnte. Wenn sie sich die geöffneten Arme des weinenden Fred vorstellte, kam ihr die Sache unmöglich vor. Sie konnte nicht glauben, daß Fred auf eine Heirat mit Stella eingehen würde, obgleich sie sich gestehen mußte, daß ihn ihr entschieden ausgesprochener Wunsch zu diesem Entschlusse wohl bringen würde. Ihre Gedanken webten, wirbelten, flohen und klammerten sich an die Unmöglichkeit, wie an Rettungsanker, die plötzlich nachgeben, gekappt durch die offen zu Tage liegende Pflicht. Und sie rieb sich auf in diesen schrecklichen Kämpfen und über die traurige Wahrnehmung, daß sie angesichts der Tat so arm an Energie, so kindisch furchtsam war. Sie fand keine Stütze in einer unbeugsamen praktischen, auf gründlichem Denken aufgebauten Logik. Waffenlos setzte sie sich dem Kampfe aus, willenlos opferte sie sich, im natürlichen Instinkt einer rückhaltlosen Hingebung. Ihr schwacher Wille ließ sie regungslos in der erschreckten Stellung eines untätigen Tieres, das sich erschlagen läßt, ohne auch nur zu versuchen, sich

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Zitationshilfe: Sturza, Marie Tihanyi: Das Gelübde einer dreißigjährigen Frau. Leipzig, 1905, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sturza_geluebde_1905/124>, abgerufen am 23.05.2024.