Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sturza, Marie Tihanyi: Das Gelübde einer dreißigjährigen Frau. Leipzig, 1905

Bild:
<< vorherige Seite

"Ich will nachsehen," sagte Stella.

Als Mira die Schritte Stellas im Korridor nicht mehr vernahm, steckte sie den Brief in die Tasche und eilte die Treppe hinab.

"Tragen Sie diesen Brief sofort zur Post," sagte sie dem Diener, "geben Sie ihn rekommandiert expreß auf und bringen Sie mir das Rezepiße in mein Zimmer."

Als Stella zurückkehrte, fand sie das Zimmer leer. Sie lief zum Schreibtisch und nahm die Feder in die Hand, die noch voll Tinte war.

"Endlich!" sagte das junge Mädchen aufatmend.

Die Miß verlor den Atem, als sie die Stufen zu ihrem Heim hinanstieg. Aber dieses kokette Heim war von zahlreichen Nippsachen erfüllt, Geschenke ihrer Schülerinnen, zierliche kleine Nichtigkeiten, von überallher zusammengetragen. Dieses naive und liebevoll zusammengestellte Museum war ihrem Herzen teuer und bot ihr eine wohlige Umgebung. Sobald sie es erreicht, atmete sie erleichtert auf, beruhigend, lächelnd. Ihr Blick streifte über die zerstreuten

„Ich will nachsehen,“ sagte Stella.

Als Mira die Schritte Stellas im Korridor nicht mehr vernahm, steckte sie den Brief in die Tasche und eilte die Treppe hinab.

„Tragen Sie diesen Brief sofort zur Post,“ sagte sie dem Diener, „geben Sie ihn rekommandiert expreß auf und bringen Sie mir das Rezepiße in mein Zimmer.“

Als Stella zurückkehrte, fand sie das Zimmer leer. Sie lief zum Schreibtisch und nahm die Feder in die Hand, die noch voll Tinte war.

„Endlich!“ sagte das junge Mädchen aufatmend.

Die Miß verlor den Atem, als sie die Stufen zu ihrem Heim hinanstieg. Aber dieses kokette Heim war von zahlreichen Nippsachen erfüllt, Geschenke ihrer Schülerinnen, zierliche kleine Nichtigkeiten, von überallher zusammengetragen. Dieses naive und liebevoll zusammengestellte Museum war ihrem Herzen teuer und bot ihr eine wohlige Umgebung. Sobald sie es erreicht, atmete sie erleichtert auf, beruhigend, lächelnd. Ihr Blick streifte über die zerstreuten

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0149" n="148"/>
        <p>&#x201E;Ich will nachsehen,&#x201C; sagte Stella.</p>
        <p>Als Mira die Schritte Stellas im Korridor nicht mehr vernahm, steckte sie den Brief in die Tasche und eilte die Treppe hinab.</p>
        <p>&#x201E;Tragen Sie diesen Brief sofort zur Post,&#x201C; sagte sie dem Diener, &#x201E;geben Sie ihn rekommandiert expreß auf und bringen Sie mir das Rezepiße in mein Zimmer.&#x201C;</p>
        <p>Als Stella zurückkehrte, fand sie das Zimmer leer. Sie lief zum Schreibtisch und nahm die Feder in die Hand, die noch voll Tinte war.</p>
        <p>&#x201E;Endlich!&#x201C; sagte das junge Mädchen aufatmend.</p>
        <p>Die Miß verlor den Atem, als sie die Stufen zu ihrem Heim hinanstieg. Aber dieses kokette Heim war von zahlreichen Nippsachen erfüllt, Geschenke ihrer Schülerinnen, zierliche kleine Nichtigkeiten, von überallher zusammengetragen. Dieses naive und liebevoll zusammengestellte Museum war ihrem Herzen teuer und bot ihr eine wohlige Umgebung. Sobald sie es erreicht, atmete sie erleichtert auf, beruhigend, lächelnd. Ihr Blick streifte über die zerstreuten
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[148/0149] „Ich will nachsehen,“ sagte Stella. Als Mira die Schritte Stellas im Korridor nicht mehr vernahm, steckte sie den Brief in die Tasche und eilte die Treppe hinab. „Tragen Sie diesen Brief sofort zur Post,“ sagte sie dem Diener, „geben Sie ihn rekommandiert expreß auf und bringen Sie mir das Rezepiße in mein Zimmer.“ Als Stella zurückkehrte, fand sie das Zimmer leer. Sie lief zum Schreibtisch und nahm die Feder in die Hand, die noch voll Tinte war. „Endlich!“ sagte das junge Mädchen aufatmend. Die Miß verlor den Atem, als sie die Stufen zu ihrem Heim hinanstieg. Aber dieses kokette Heim war von zahlreichen Nippsachen erfüllt, Geschenke ihrer Schülerinnen, zierliche kleine Nichtigkeiten, von überallher zusammengetragen. Dieses naive und liebevoll zusammengestellte Museum war ihrem Herzen teuer und bot ihr eine wohlige Umgebung. Sobald sie es erreicht, atmete sie erleichtert auf, beruhigend, lächelnd. Ihr Blick streifte über die zerstreuten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sturza_geluebde_1905
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sturza_geluebde_1905/149
Zitationshilfe: Sturza, Marie Tihanyi: Das Gelübde einer dreißigjährigen Frau. Leipzig, 1905, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sturza_geluebde_1905/149>, abgerufen am 23.11.2024.