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Sturza, Marie Tihanyi: Das Gelübde einer dreißigjährigen Frau. Leipzig, 1905

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Verdurstenden zu achten, die die ungeschickten Trinker des Lebens sind, die schwachen, die anämischen, die Kranken endlich! Glauben Sie, es ginge schlechter zu auf der Welt, wenn es da nur Starke gäbe, solche im Gleichgewicht? Die Gleichheit der Kräfte bewirkt die Gleichheit der Rechte. Seien wir stark, um nicht in unseren Hoffnungen betrogen zu werden. Ich bin nur ein Weib, aber ich hab' in meinem Kopf etwas, das mich denjenigen gleichstellt, die unsere Herren sind: die Männer."

"Das ist Ihr Stolz und Ihre Härte," stieß die Miß, endlich ärgerlich geworden, hervor.

Stella aber, voll Verachtung:

"Nein, Miß, das ist mein Wille! Nun, werden Sie auch die Macht des Willens und seines Verdienstes leugnen?"

"Nein, vorausgesetzt, daß man das Gute will."

"Aber ich will es, Miß. Ich will sogar nur das!"

"Ja, das Gute für Sie!"

"Natürlich! Ich verfüge nicht über die anderen! Ich habe die Freiheit des Handelns nur über mich selbst. Ich kann niemanden dazu anhalten, für die Vergrößerung seines Glückes und seiner Freiheit zu

Verdurstenden zu achten, die die ungeschickten Trinker des Lebens sind, die schwachen, die anämischen, die Kranken endlich! Glauben Sie, es ginge schlechter zu auf der Welt, wenn es da nur Starke gäbe, solche im Gleichgewicht? Die Gleichheit der Kräfte bewirkt die Gleichheit der Rechte. Seien wir stark, um nicht in unseren Hoffnungen betrogen zu werden. Ich bin nur ein Weib, aber ich hab’ in meinem Kopf etwas, das mich denjenigen gleichstellt, die unsere Herren sind: die Männer.“

„Das ist Ihr Stolz und Ihre Härte,“ stieß die Miß, endlich ärgerlich geworden, hervor.

Stella aber, voll Verachtung:

„Nein, Miß, das ist mein Wille! Nun, werden Sie auch die Macht des Willens und seines Verdienstes leugnen?“

„Nein, vorausgesetzt, daß man das Gute will.“

„Aber ich will es, Miß. Ich will sogar nur das!“

„Ja, das Gute für Sie!“

„Natürlich! Ich verfüge nicht über die anderen! Ich habe die Freiheit des Handelns nur über mich selbst. Ich kann niemanden dazu anhalten, für die Vergrößerung seines Glückes und seiner Freiheit zu

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[154/0155] Verdurstenden zu achten, die die ungeschickten Trinker des Lebens sind, die schwachen, die anämischen, die Kranken endlich! Glauben Sie, es ginge schlechter zu auf der Welt, wenn es da nur Starke gäbe, solche im Gleichgewicht? Die Gleichheit der Kräfte bewirkt die Gleichheit der Rechte. Seien wir stark, um nicht in unseren Hoffnungen betrogen zu werden. Ich bin nur ein Weib, aber ich hab’ in meinem Kopf etwas, das mich denjenigen gleichstellt, die unsere Herren sind: die Männer.“ „Das ist Ihr Stolz und Ihre Härte,“ stieß die Miß, endlich ärgerlich geworden, hervor. Stella aber, voll Verachtung: „Nein, Miß, das ist mein Wille! Nun, werden Sie auch die Macht des Willens und seines Verdienstes leugnen?“ „Nein, vorausgesetzt, daß man das Gute will.“ „Aber ich will es, Miß. Ich will sogar nur das!“ „Ja, das Gute für Sie!“ „Natürlich! Ich verfüge nicht über die anderen! Ich habe die Freiheit des Handelns nur über mich selbst. Ich kann niemanden dazu anhalten, für die Vergrößerung seines Glückes und seiner Freiheit zu

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Zitationshilfe: Sturza, Marie Tihanyi: Das Gelübde einer dreißigjährigen Frau. Leipzig, 1905, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sturza_geluebde_1905/155>, abgerufen am 22.05.2024.