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Sturza, Marie Tihanyi: Das Gelübde einer dreißigjährigen Frau. Leipzig, 1905

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zählte die Schläge, unbeweglich. Dann bei dem letzten verklingenden Schlag sank sie in einen nahen Fauteuil und Fred bemerkte, wie der nachdenkliche, abgewendete Kopf sich nicht bewegte, so als sie versuchen würde zu schlummern.

Wie ruhig sie in einem solchen Augenblicke ist, dachte Fred, enttäuscht, daß Mira sich nicht ebenso erregt zeigte, wie er. Er hörte sogar auf, sie anzusehen, denn diese Ruhe konnte er nicht ertragen und er begann wieder zwischen den geneigten Brettchen der Fensterläden hindurch, bei Stella die Bewegungen ihres Schattens, der sich noch immer nicht beruhigen wollte, zu verfolgen.

Eine unbestimmte Traurigkeit trübte seine Freude, er seufzte; er trug einen Groll im Herzen gegen all die Dinge die in seinem Leben so unharmonisch waren. Er fühlte etwas von der Enttäuschung, die ihm zuteil wurde, wenn er zu dem Text einer heiteren Melodie nur eine dumpfe, schwere, matte Begleitung hörte. Das, was an diesem Abend mit dem Frühlingslied, das in ihm klang und ihn bis in die Fingerspitzen erheben ließ, harmoniert hätte, wären köstlich verlaufende, gewandt gegriffene Arpeggien, bis in die höchsten Stimmlagen hinauf gewesen.

zählte die Schläge, unbeweglich. Dann bei dem letzten verklingenden Schlag sank sie in einen nahen Fauteuil und Fred bemerkte, wie der nachdenkliche, abgewendete Kopf sich nicht bewegte, so als sie versuchen würde zu schlummern.

Wie ruhig sie in einem solchen Augenblicke ist, dachte Fred, enttäuscht, daß Mira sich nicht ebenso erregt zeigte, wie er. Er hörte sogar auf, sie anzusehen, denn diese Ruhe konnte er nicht ertragen und er begann wieder zwischen den geneigten Brettchen der Fensterläden hindurch, bei Stella die Bewegungen ihres Schattens, der sich noch immer nicht beruhigen wollte, zu verfolgen.

Eine unbestimmte Traurigkeit trübte seine Freude, er seufzte; er trug einen Groll im Herzen gegen all die Dinge die in seinem Leben so unharmonisch waren. Er fühlte etwas von der Enttäuschung, die ihm zuteil wurde, wenn er zu dem Text einer heiteren Melodie nur eine dumpfe, schwere, matte Begleitung hörte. Das, was an diesem Abend mit dem Frühlingslied, das in ihm klang und ihn bis in die Fingerspitzen erheben ließ, harmoniert hätte, wären köstlich verlaufende, gewandt gegriffene Arpeggien, bis in die höchsten Stimmlagen hinauf gewesen.

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[192/0193] zählte die Schläge, unbeweglich. Dann bei dem letzten verklingenden Schlag sank sie in einen nahen Fauteuil und Fred bemerkte, wie der nachdenkliche, abgewendete Kopf sich nicht bewegte, so als sie versuchen würde zu schlummern. Wie ruhig sie in einem solchen Augenblicke ist, dachte Fred, enttäuscht, daß Mira sich nicht ebenso erregt zeigte, wie er. Er hörte sogar auf, sie anzusehen, denn diese Ruhe konnte er nicht ertragen und er begann wieder zwischen den geneigten Brettchen der Fensterläden hindurch, bei Stella die Bewegungen ihres Schattens, der sich noch immer nicht beruhigen wollte, zu verfolgen. Eine unbestimmte Traurigkeit trübte seine Freude, er seufzte; er trug einen Groll im Herzen gegen all die Dinge die in seinem Leben so unharmonisch waren. Er fühlte etwas von der Enttäuschung, die ihm zuteil wurde, wenn er zu dem Text einer heiteren Melodie nur eine dumpfe, schwere, matte Begleitung hörte. Das, was an diesem Abend mit dem Frühlingslied, das in ihm klang und ihn bis in die Fingerspitzen erheben ließ, harmoniert hätte, wären köstlich verlaufende, gewandt gegriffene Arpeggien, bis in die höchsten Stimmlagen hinauf gewesen.

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Zitationshilfe: Sturza, Marie Tihanyi: Das Gelübde einer dreißigjährigen Frau. Leipzig, 1905, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sturza_geluebde_1905/193>, abgerufen am 21.05.2024.