Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sturza, Marie Tihanyi: Das Gelübde einer dreißigjährigen Frau. Leipzig, 1905

Bild:
<< vorherige Seite

Diese Familien fanden ihre natürlichen Verbündeten im niederen Adel, der gleichfalls von der Verarmung betroffen, sich in seine alten Herrensitze und Schlößchen zurückzog. Letzterer sandte seine Söhne zur Armee, seine Töchter ins Kloster und verkehrte selten in den offiziellen Kreisen, gerade nur so viel als nötig, um hie und da eine Begünstigung beim Avancement der Söhne zu ergattern. Wenn man die Stadt verließ erblickte man am Hang eines Hügels oder in einer Talniederung Häuser mit verfallenen oder roh beworfenen Giebeln, inmitten von altem Hochwald, Wiesen oder üppigen Feldern, welche diese Landedelleute sorgfältig in stand hielten, da sie ihre Einnahmequelle ausmachten. Die dazu gehörigen Meierhöfe bildeten da und dort rund um die Stadt her kleine Dörfer, auf welche das alte Schloß mit gleichsam oberherrlicher Protektion herabsah.

Den Fabriksbesitzern und Arbeitern machte es immer einen Hauptspaß, Sonntags mit der neuen Pferdebahn in die Umgebung dieser alten, von Efeu malerisch überzogenen Mauern zu fahren: der langsame Ansturm der arbeitenden Klasse auf die letzten Spuren eines nach und nach besiegten, aus seinem Besitze vertriebenen und bald aus seiner letzten Zufluchtsstätte

Diese Familien fanden ihre natürlichen Verbündeten im niederen Adel, der gleichfalls von der Verarmung betroffen, sich in seine alten Herrensitze und Schlößchen zurückzog. Letzterer sandte seine Söhne zur Armee, seine Töchter ins Kloster und verkehrte selten in den offiziellen Kreisen, gerade nur so viel als nötig, um hie und da eine Begünstigung beim Avancement der Söhne zu ergattern. Wenn man die Stadt verließ erblickte man am Hang eines Hügels oder in einer Talniederung Häuser mit verfallenen oder roh beworfenen Giebeln, inmitten von altem Hochwald, Wiesen oder üppigen Feldern, welche diese Landedelleute sorgfältig in stand hielten, da sie ihre Einnahmequelle ausmachten. Die dazu gehörigen Meierhöfe bildeten da und dort rund um die Stadt her kleine Dörfer, auf welche das alte Schloß mit gleichsam oberherrlicher Protektion herabsah.

Den Fabriksbesitzern und Arbeitern machte es immer einen Hauptspaß, Sonntags mit der neuen Pferdebahn in die Umgebung dieser alten, von Efeu malerisch überzogenen Mauern zu fahren: der langsame Ansturm der arbeitenden Klasse auf die letzten Spuren eines nach und nach besiegten, aus seinem Besitze vertriebenen und bald aus seiner letzten Zufluchtsstätte

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0053" n="52"/>
        <p>Diese Familien fanden ihre natürlichen Verbündeten im niederen Adel, der gleichfalls von der Verarmung betroffen, sich in seine alten Herrensitze und Schlößchen zurückzog. Letzterer sandte seine Söhne zur Armee, seine Töchter ins Kloster und verkehrte selten in den offiziellen Kreisen, gerade nur so viel als nötig, um hie und da eine Begünstigung beim Avancement der Söhne zu ergattern. Wenn man die Stadt verließ erblickte man am Hang eines Hügels oder in einer Talniederung Häuser mit verfallenen oder roh beworfenen Giebeln, inmitten von altem Hochwald, Wiesen oder üppigen Feldern, welche diese Landedelleute sorgfältig in stand hielten, da sie ihre Einnahmequelle ausmachten. Die dazu gehörigen Meierhöfe bildeten da und dort rund um die Stadt her kleine Dörfer, auf welche das alte Schloß mit gleichsam oberherrlicher Protektion herabsah.</p>
        <p>Den Fabriksbesitzern und Arbeitern machte es immer einen Hauptspaß, Sonntags mit der neuen Pferdebahn in die Umgebung dieser alten, von Efeu malerisch überzogenen Mauern zu fahren: der langsame Ansturm der arbeitenden Klasse auf die letzten Spuren eines nach und nach besiegten, aus seinem Besitze vertriebenen und bald aus seiner letzten Zufluchtsstätte
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[52/0053] Diese Familien fanden ihre natürlichen Verbündeten im niederen Adel, der gleichfalls von der Verarmung betroffen, sich in seine alten Herrensitze und Schlößchen zurückzog. Letzterer sandte seine Söhne zur Armee, seine Töchter ins Kloster und verkehrte selten in den offiziellen Kreisen, gerade nur so viel als nötig, um hie und da eine Begünstigung beim Avancement der Söhne zu ergattern. Wenn man die Stadt verließ erblickte man am Hang eines Hügels oder in einer Talniederung Häuser mit verfallenen oder roh beworfenen Giebeln, inmitten von altem Hochwald, Wiesen oder üppigen Feldern, welche diese Landedelleute sorgfältig in stand hielten, da sie ihre Einnahmequelle ausmachten. Die dazu gehörigen Meierhöfe bildeten da und dort rund um die Stadt her kleine Dörfer, auf welche das alte Schloß mit gleichsam oberherrlicher Protektion herabsah. Den Fabriksbesitzern und Arbeitern machte es immer einen Hauptspaß, Sonntags mit der neuen Pferdebahn in die Umgebung dieser alten, von Efeu malerisch überzogenen Mauern zu fahren: der langsame Ansturm der arbeitenden Klasse auf die letzten Spuren eines nach und nach besiegten, aus seinem Besitze vertriebenen und bald aus seiner letzten Zufluchtsstätte

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sturza_geluebde_1905
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sturza_geluebde_1905/53
Zitationshilfe: Sturza, Marie Tihanyi: Das Gelübde einer dreißigjährigen Frau. Leipzig, 1905, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sturza_geluebde_1905/53>, abgerufen am 24.11.2024.