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Sturza, Marie Tihanyi: Das Gelübde einer dreißigjährigen Frau. Leipzig, 1905

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Eindruck hin, den seine Nerven von irgend einer Erregung empfangen hatten.

Bei geschlossenen Türen ließ er seine Seele alles wieder aufs neue erleben, leiden oder genießen, da horchte er, wie sich der Reflex seiner Erregung in einen Schwarm von Tönen verwandelte. Denn alle Erschütterungen seines Wesens endeten in einem Widerhall von Schallwellen, die seinem Herzen oder seinem Gehirn entsprangen und den tönenden Wandungen seiner Künstlerseele zustrebten. Sobald sie diese erreicht hatten, kehrten sie durch den Rückprall zum ausführenden Mechanismus zurück. Dann legte er träumerisch die Hände auf die Tasten oder griff zur Geige und ließ seine Gefühle in verwandten, grandiosen, übermenschlichen Klängen sich ergießen.

Diese Art diente ihm auch zumeist, wenn er sich über seine Wünsche Klarheit schaffen wollte. Oft erhielt er erst durch das Thema, das ihm sein Genius zuflüsterte, genaue Aufklärung über sein Wollen und Streben.

Sobald er die Abtei erreicht hatte, schloß er sich in die Kapelle ein und eilte zur Orgel. Mit kindischem Herzklopfen dachte er:

"Was werde ich hören?"

Eindruck hin, den seine Nerven von irgend einer Erregung empfangen hatten.

Bei geschlossenen Türen ließ er seine Seele alles wieder aufs neue erleben, leiden oder genießen, da horchte er, wie sich der Reflex seiner Erregung in einen Schwarm von Tönen verwandelte. Denn alle Erschütterungen seines Wesens endeten in einem Widerhall von Schallwellen, die seinem Herzen oder seinem Gehirn entsprangen und den tönenden Wandungen seiner Künstlerseele zustrebten. Sobald sie diese erreicht hatten, kehrten sie durch den Rückprall zum ausführenden Mechanismus zurück. Dann legte er träumerisch die Hände auf die Tasten oder griff zur Geige und ließ seine Gefühle in verwandten, grandiosen, übermenschlichen Klängen sich ergießen.

Diese Art diente ihm auch zumeist, wenn er sich über seine Wünsche Klarheit schaffen wollte. Oft erhielt er erst durch das Thema, das ihm sein Genius zuflüsterte, genaue Aufklärung über sein Wollen und Streben.

Sobald er die Abtei erreicht hatte, schloß er sich in die Kapelle ein und eilte zur Orgel. Mit kindischem Herzklopfen dachte er:

„Was werde ich hören?“

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[58/0059] Eindruck hin, den seine Nerven von irgend einer Erregung empfangen hatten. Bei geschlossenen Türen ließ er seine Seele alles wieder aufs neue erleben, leiden oder genießen, da horchte er, wie sich der Reflex seiner Erregung in einen Schwarm von Tönen verwandelte. Denn alle Erschütterungen seines Wesens endeten in einem Widerhall von Schallwellen, die seinem Herzen oder seinem Gehirn entsprangen und den tönenden Wandungen seiner Künstlerseele zustrebten. Sobald sie diese erreicht hatten, kehrten sie durch den Rückprall zum ausführenden Mechanismus zurück. Dann legte er träumerisch die Hände auf die Tasten oder griff zur Geige und ließ seine Gefühle in verwandten, grandiosen, übermenschlichen Klängen sich ergießen. Diese Art diente ihm auch zumeist, wenn er sich über seine Wünsche Klarheit schaffen wollte. Oft erhielt er erst durch das Thema, das ihm sein Genius zuflüsterte, genaue Aufklärung über sein Wollen und Streben. Sobald er die Abtei erreicht hatte, schloß er sich in die Kapelle ein und eilte zur Orgel. Mit kindischem Herzklopfen dachte er: „Was werde ich hören?“

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Zitationshilfe: Sturza, Marie Tihanyi: Das Gelübde einer dreißigjährigen Frau. Leipzig, 1905, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sturza_geluebde_1905/59>, abgerufen am 24.11.2024.