Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Süssmilch, Johann Peter: Die göttliche Ordnung in den Veränderungen des menschlichen Geschlechts aus der Geburt, Tod und Fortpflanzung desselben. Berlin, 1741.

Bild:
<< vorherige Seite

Von Verhältniß der Sterbenden
ähnliche Anstalten nicht hier zu Lande angerichtet?
Z. E. wenn solche Häuser in einer wohlfeilen Ge-
gend unseres Landes für verschiedene Arten von Leu-
ten, für beide Geschlechter, desgleichen für Blöde,
Wahnwitzige etc. angelegt würden, würde es man-
cher Familie sehr zu statten kommen. Es hinterläßt
oft ein Mann, der in Besoldung gestanden, eine
Frau, die kaum etliche hundert Thaler übrig behält.
Sie lebet an einem theurem Orte als Berlin, sie ist
niemahls ausgekommen, weiß also nicht wohin.
Wenn sie ihr weniges Geld auch noch sicher unter
bringt, so kan sie doch hier mit 30 oder 40 Thaler
jährlich nicht weit kommen, daher sie denn, zumahl
wenn sie es besser gewohnt ist, drauf loßzehrt und zu-
letzt andern beschwehrlich fällt. Wären aber der-
gleichen Häuser in wohlfeilen Gegenden, wo Fleisch,
Fische, Brod, Holtz und dergleichen im Uberfluß, so
daß es oft fast nicht zu Geld kan gemacht werden,
so könten solche Personen für 30 Thaler artig leben.
Sie hätten Gesellschaft und Vergnügen da zu leben,
und sie könten sich mit etlichen hundert Thalern ein-
kauffen. Dreyßig Thaler jährliche Zehrung wür-
den nach obiger Holländischer Rechnung, zu 2 1/2
pro Cento, für eine Frau von 48 Jahren 640 Gul-
den, oder 320 Thaler kosten. Hier zu Lande, wo
man das Geld 5 bis 6 pro Cento nutzen und unter-
bringen kan, würde es noch nicht 200 Thaler ko-
sten. Wenn der hiesige so genannte Mons pietatis
oder der Landes-Herr selbst nur den ersten Vor-
schuß thäte, weil es hier zu Lande an Entrepreneurs
fehlen möchte, liesse sich dergleichen leicht zu Stande
bringen. Wenn der erste Gewinst wieder zur Er-
richtung neuer Häuser dieser Art angewendet wür-

de,

Von Verhaͤltniß der Sterbenden
aͤhnliche Anſtalten nicht hier zu Lande angerichtet?
Z. E. wenn ſolche Haͤuſer in einer wohlfeilen Ge-
gend unſeres Landes fuͤr verſchiedene Arten von Leu-
ten, fuͤr beide Geſchlechter, desgleichen fuͤr Bloͤde,
Wahnwitzige ꝛc. angelegt wuͤrden, wuͤrde es man-
cher Familie ſehr zu ſtatten kommen. Es hinterlaͤßt
oft ein Mann, der in Beſoldung geſtanden, eine
Frau, die kaum etliche hundert Thaler uͤbrig behaͤlt.
Sie lebet an einem theurem Orte als Berlin, ſie iſt
niemahls ausgekommen, weiß alſo nicht wohin.
Wenn ſie ihr weniges Geld auch noch ſicher unter
bringt, ſo kan ſie doch hier mit 30 oder 40 Thaler
jaͤhrlich nicht weit kommen, daher ſie denn, zumahl
wenn ſie es beſſer gewohnt iſt, drauf loßzehrt und zu-
letzt andern beſchwehrlich faͤllt. Waͤren aber der-
gleichen Haͤuſer in wohlfeilen Gegenden, wo Fleiſch,
Fiſche, Brod, Holtz und dergleichen im Uberfluß, ſo
daß es oft faſt nicht zu Geld kan gemacht werden,
ſo koͤnten ſolche Perſonen fuͤr 30 Thaler artig leben.
Sie haͤtten Geſellſchaft und Vergnuͤgen da zu leben,
und ſie koͤnten ſich mit etlichen hundert Thalern ein-
kauffen. Dreyßig Thaler jaͤhrliche Zehrung wuͤr-
den nach obiger Hollaͤndiſcher Rechnung, zu 2 ½
pro Cento, fuͤr eine Frau von 48 Jahren 640 Gul-
den, oder 320 Thaler koſten. Hier zu Lande, wo
man das Geld 5 bis 6 pro Cento nutzen und unter-
bringen kan, wuͤrde es noch nicht 200 Thaler ko-
ſten. Wenn der hieſige ſo genannte Mons pietatis
oder der Landes-Herr ſelbſt nur den erſten Vor-
ſchuß thaͤte, weil es hier zu Lande an Entrepreneurs
fehlen moͤchte, lieſſe ſich dergleichen leicht zu Stande
bringen. Wenn der erſte Gewinſt wieder zur Er-
richtung neuer Haͤuſer dieſer Art angewendet wuͤr-

de,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0298" n="250"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Von Verha&#x0364;ltniß der Sterbenden</hi></fw><lb/>
a&#x0364;hnliche An&#x017F;talten nicht hier zu Lande angerichtet?<lb/>
Z. E. wenn &#x017F;olche Ha&#x0364;u&#x017F;er in einer wohlfeilen Ge-<lb/>
gend un&#x017F;eres Landes fu&#x0364;r ver&#x017F;chiedene Arten von Leu-<lb/>
ten, fu&#x0364;r beide Ge&#x017F;chlechter, desgleichen fu&#x0364;r Blo&#x0364;de,<lb/>
Wahnwitzige &#xA75B;c. angelegt wu&#x0364;rden, wu&#x0364;rde es man-<lb/>
cher Familie &#x017F;ehr zu &#x017F;tatten kommen. Es hinterla&#x0364;ßt<lb/>
oft ein Mann, der in Be&#x017F;oldung ge&#x017F;tanden, eine<lb/>
Frau, die kaum etliche hundert Thaler u&#x0364;brig beha&#x0364;lt.<lb/>
Sie lebet an einem theurem Orte als Berlin, &#x017F;ie i&#x017F;t<lb/>
niemahls ausgekommen, weiß al&#x017F;o nicht wohin.<lb/>
Wenn &#x017F;ie ihr weniges Geld auch noch &#x017F;icher unter<lb/>
bringt, &#x017F;o kan &#x017F;ie doch hier mit 30 oder 40 Thaler<lb/>
ja&#x0364;hrlich nicht weit kommen, daher &#x017F;ie denn, zumahl<lb/>
wenn &#x017F;ie es be&#x017F;&#x017F;er gewohnt i&#x017F;t, drauf loßzehrt und zu-<lb/>
letzt andern be&#x017F;chwehrlich fa&#x0364;llt. Wa&#x0364;ren aber der-<lb/>
gleichen Ha&#x0364;u&#x017F;er in wohlfeilen Gegenden, wo Flei&#x017F;ch,<lb/>
Fi&#x017F;che, Brod, Holtz und dergleichen im Uberfluß, &#x017F;o<lb/>
daß es oft fa&#x017F;t nicht zu Geld kan gemacht werden,<lb/>
&#x017F;o ko&#x0364;nten &#x017F;olche Per&#x017F;onen fu&#x0364;r 30 Thaler artig leben.<lb/>
Sie ha&#x0364;tten Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft und Vergnu&#x0364;gen da zu leben,<lb/>
und &#x017F;ie ko&#x0364;nten &#x017F;ich mit etlichen hundert Thalern ein-<lb/>
kauffen. Dreyßig Thaler ja&#x0364;hrliche Zehrung wu&#x0364;r-<lb/>
den nach obiger Holla&#x0364;ndi&#x017F;cher Rechnung, zu 2 ½<lb/>
pro Cento, fu&#x0364;r eine Frau von 48 Jahren 640 Gul-<lb/>
den, oder 320 Thaler ko&#x017F;ten. Hier zu Lande, wo<lb/>
man das Geld 5 bis 6 pro Cento nutzen und unter-<lb/>
bringen kan, wu&#x0364;rde es noch nicht 200 Thaler ko-<lb/>
&#x017F;ten. Wenn der hie&#x017F;ige &#x017F;o genannte <hi rendition="#aq">Mons pietatis</hi><lb/>
oder der Landes-Herr &#x017F;elb&#x017F;t nur den er&#x017F;ten Vor-<lb/>
&#x017F;chuß tha&#x0364;te, weil es hier zu Lande an Entrepreneurs<lb/>
fehlen mo&#x0364;chte, lie&#x017F;&#x017F;e &#x017F;ich dergleichen leicht zu Stande<lb/>
bringen. Wenn der er&#x017F;te Gewin&#x017F;t wieder zur Er-<lb/>
richtung neuer Ha&#x0364;u&#x017F;er die&#x017F;er Art angewendet wu&#x0364;r-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">de,</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[250/0298] Von Verhaͤltniß der Sterbenden aͤhnliche Anſtalten nicht hier zu Lande angerichtet? Z. E. wenn ſolche Haͤuſer in einer wohlfeilen Ge- gend unſeres Landes fuͤr verſchiedene Arten von Leu- ten, fuͤr beide Geſchlechter, desgleichen fuͤr Bloͤde, Wahnwitzige ꝛc. angelegt wuͤrden, wuͤrde es man- cher Familie ſehr zu ſtatten kommen. Es hinterlaͤßt oft ein Mann, der in Beſoldung geſtanden, eine Frau, die kaum etliche hundert Thaler uͤbrig behaͤlt. Sie lebet an einem theurem Orte als Berlin, ſie iſt niemahls ausgekommen, weiß alſo nicht wohin. Wenn ſie ihr weniges Geld auch noch ſicher unter bringt, ſo kan ſie doch hier mit 30 oder 40 Thaler jaͤhrlich nicht weit kommen, daher ſie denn, zumahl wenn ſie es beſſer gewohnt iſt, drauf loßzehrt und zu- letzt andern beſchwehrlich faͤllt. Waͤren aber der- gleichen Haͤuſer in wohlfeilen Gegenden, wo Fleiſch, Fiſche, Brod, Holtz und dergleichen im Uberfluß, ſo daß es oft faſt nicht zu Geld kan gemacht werden, ſo koͤnten ſolche Perſonen fuͤr 30 Thaler artig leben. Sie haͤtten Geſellſchaft und Vergnuͤgen da zu leben, und ſie koͤnten ſich mit etlichen hundert Thalern ein- kauffen. Dreyßig Thaler jaͤhrliche Zehrung wuͤr- den nach obiger Hollaͤndiſcher Rechnung, zu 2 ½ pro Cento, fuͤr eine Frau von 48 Jahren 640 Gul- den, oder 320 Thaler koſten. Hier zu Lande, wo man das Geld 5 bis 6 pro Cento nutzen und unter- bringen kan, wuͤrde es noch nicht 200 Thaler ko- ſten. Wenn der hieſige ſo genannte Mons pietatis oder der Landes-Herr ſelbſt nur den erſten Vor- ſchuß thaͤte, weil es hier zu Lande an Entrepreneurs fehlen moͤchte, lieſſe ſich dergleichen leicht zu Stande bringen. Wenn der erſte Gewinſt wieder zur Er- richtung neuer Haͤuſer dieſer Art angewendet wuͤr- de,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/suessmilch_ordnung_1741
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/suessmilch_ordnung_1741/298
Zitationshilfe: Süssmilch, Johann Peter: Die göttliche Ordnung in den Veränderungen des menschlichen Geschlechts aus der Geburt, Tod und Fortpflanzung desselben. Berlin, 1741, S. 250. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/suessmilch_ordnung_1741/298>, abgerufen am 24.11.2024.