nen Convulsionen kan man auch die dentition oder Setzung der Zähne rechnen, weil ersteres von letzte- rem oft verursacht wird, daher viele eines zum an- dern rechnen.
Es ist eine gantz besondere Einrichtung in dem Bau unseres Leibes, daß derjenige Theil dem mensch- lichen Geschlecht solchen Verlust bringet, der doch nicht eben der edelste zu seyn scheinet. Die Zähne sind nöthig, nicht allein zum Essen, sondern auch zur Sprache. Jedoch kan zur Noth beides ohne die- selbe geschehen, wie man an alten Leuten siehet, die alle Zähne verlohren. Ob sie also gleich sehr nütz- lich und nöthig, so scheinen sie doch nicht so unent- behrlich zu seyn als die Augen, Arme und andere Theile des Cörpers. Nichts aber wird dem Men- schen im Anfang seines Lebens so sauer als die Zäh- ne, und durch nichts werden so viele hingerafft als durch die damit verknüpfte Schmertzen und daraus entstehende Convulsionen. Die Sache scheinet zu allerley Speeulationen und Folgerungen Gelegen- heit geben zu können.
Ausser dieser Ursach der Convulsionen oder Epilepsie gibt Herr D. Kundmann [n] noch andere an, und zwar das üble Verhalten der Mütter und Säugammen, die überflüßige Nahrung, üble War- tung und Boßheit der Ammen. Er bestraft die Breßlauischen Frauen, die durch die unanständige Parade mit denen blossen Brüsten die Milch darin erkälten, und dadurch Catharral-Beängstigungen bey ihren zarten Kindern verursachen. Andere las- sen sich das sogenannte colostrum oder saltzige Was-
ser,
[n]Rar. nat. & art. p. 1279.
S 5
und ihrer Verhaͤltniß.
nen Convulſionen kan man auch die dentition oder Setzung der Zaͤhne rechnen, weil erſteres von letzte- rem oft verurſacht wird, daher viele eines zum an- dern rechnen.
Es iſt eine gantz beſondere Einrichtung in dem Bau unſeres Leibes, daß derjenige Theil dem menſch- lichen Geſchlecht ſolchen Verluſt bringet, der doch nicht eben der edelſte zu ſeyn ſcheinet. Die Zaͤhne ſind noͤthig, nicht allein zum Eſſen, ſondern auch zur Sprache. Jedoch kan zur Noth beides ohne die- ſelbe geſchehen, wie man an alten Leuten ſiehet, die alle Zaͤhne verlohren. Ob ſie alſo gleich ſehr nuͤtz- lich und noͤthig, ſo ſcheinen ſie doch nicht ſo unent- behrlich zu ſeyn als die Augen, Arme und andere Theile des Coͤrpers. Nichts aber wird dem Men- ſchen im Anfang ſeines Lebens ſo ſauer als die Zaͤh- ne, und durch nichts werden ſo viele hingerafft als durch die damit verknuͤpfte Schmertzen und daraus entſtehende Convulſionen. Die Sache ſcheinet zu allerley Speeulationen und Folgerungen Gelegen- heit geben zu koͤnnen.
Auſſer dieſer Urſach der Convulſionen oder Epilepſie gibt Herr D. Kundmann [n] noch andere an, und zwar das uͤble Verhalten der Muͤtter und Saͤugammen, die uͤberfluͤßige Nahrung, uͤble War- tung und Boßheit der Ammen. Er beſtraft die Breßlauiſchen Frauen, die durch die unanſtaͤndige Parade mit denen bloſſen Bruͤſten die Milch darin erkaͤlten, und dadurch Catharral-Beaͤngſtigungen bey ihren zarten Kindern verurſachen. Andere laſ- ſen ſich das ſogenannte coloſtrum oder ſaltzige Waſ-
ſer,
[n]Rar. nat. & art. p. 1279.
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und ihrer Verhaͤltniß.
nen Convulſionen kan man auch die dentition oder
Setzung der Zaͤhne rechnen, weil erſteres von letzte-
rem oft verurſacht wird, daher viele eines zum an-
dern rechnen.
Es iſt eine gantz beſondere Einrichtung in dem
Bau unſeres Leibes, daß derjenige Theil dem menſch-
lichen Geſchlecht ſolchen Verluſt bringet, der doch
nicht eben der edelſte zu ſeyn ſcheinet. Die Zaͤhne
ſind noͤthig, nicht allein zum Eſſen, ſondern auch zur
Sprache. Jedoch kan zur Noth beides ohne die-
ſelbe geſchehen, wie man an alten Leuten ſiehet, die
alle Zaͤhne verlohren. Ob ſie alſo gleich ſehr nuͤtz-
lich und noͤthig, ſo ſcheinen ſie doch nicht ſo unent-
behrlich zu ſeyn als die Augen, Arme und andere
Theile des Coͤrpers. Nichts aber wird dem Men-
ſchen im Anfang ſeines Lebens ſo ſauer als die Zaͤh-
ne, und durch nichts werden ſo viele hingerafft als
durch die damit verknuͤpfte Schmertzen und daraus
entſtehende Convulſionen. Die Sache ſcheinet zu
allerley Speeulationen und Folgerungen Gelegen-
heit geben zu koͤnnen.
Auſſer dieſer Urſach der Convulſionen oder
Epilepſie gibt Herr D. Kundmann [n] noch andere
an, und zwar das uͤble Verhalten der Muͤtter und
Saͤugammen, die uͤberfluͤßige Nahrung, uͤble War-
tung und Boßheit der Ammen. Er beſtraft die
Breßlauiſchen Frauen, die durch die unanſtaͤndige
Parade mit denen bloſſen Bruͤſten die Milch darin
erkaͤlten, und dadurch Catharral-Beaͤngſtigungen
bey ihren zarten Kindern verurſachen. Andere laſ-
ſen ſich das ſogenannte coloſtrum oder ſaltzige Waſ-
ſer,
[n] Rar. nat. & art. p. 1279.
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Süssmilch, Johann Peter: Die göttliche Ordnung in den Veränderungen des menschlichen Geschlechts aus der Geburt, Tod und Fortpflanzung desselben. Berlin, 1741, S. 281. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/suessmilch_ordnung_1741/329>, abgerufen am 24.11.2024.
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