Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Süssmilch, Johann Peter: Die göttliche Ordnung in den Veränderungen des menschlichen Geschlechts aus der Geburt, Tod und Fortpflanzung desselben. Berlin, 1741.

Bild:
<< vorherige Seite

des Menschlichen Geschlechts.
alles gesunde und muntere Leute gewesen, könne ver-
lohren haben. Diese Zahl aber ist grösser als die
Zahl derer, die er kan erobert haben.

Allein es bleibt sein Verlust noch nicht hier ste-
hen. Es scheinet, daß die Vorsehung alle Men-
schen in beyde Geschlechter gleich vertheilet habe,
damit jede Frau ihren eigenen Mann haben kön-
ne, und damit sie sich beyderseits die Fortpflantzung
der Menschen gleich lassen angelegen seyn. Hieraus
folget, daß eben so viel Frauens-Leute haben müs-
sen ledig sitzen bleiben, als Männer umgekommen
sind. Nun kan es nicht fehlen, daß nicht in so lan-
gen Jahren viele von ihnen unverheyrathet wegge-
storben, und daß andere, die sich zu spät verheyra-
thet, ohne Kinder ihr Leben geendiget. Nach dieser
Rechnung muß Ludewig der XIV. nicht nur 800
tausend, sondern doppelt so viel Unterthanen verloh-
ren haben, und zugleich hat er sich auch der Kin-
der, die man von so vielen Menschen hätte erwar-
ten können, dadurch beraubet.

Man sagt, daß in der grossen Hungers-Noth,
die sein Reich im vorigen Kriege betroffen, 2 Mil-
lionen Menschen sollen seyn umgekommen. Ich
habe Mühe solches zu glauben, jedoch es wäre der
Verlust schon beträchtlich, wenn auch nur 1/5 von
der Zahl gestorben wäre. Nun darf man sich
eben nicht wundern, daß dieses Ubel ein Land be-
trift, wo ein so grosser Theil von dem Vermögen
des Volckes zum Gebrauch des Fürsten angewen-
det wird, daher denn selbiges die nöthigen Mittel
gegen dergleichen Zufälle nicht in Händen hat; und
wo man so viele Menschen zu Krieges-Diensten
hinweg nimmt, daß daher Weibern und Kindern

die
C 3

des Menſchlichen Geſchlechts.
alles geſunde und muntere Leute geweſen, koͤnne ver-
lohren haben. Dieſe Zahl aber iſt groͤſſer als die
Zahl derer, die er kan erobert haben.

Allein es bleibt ſein Verluſt noch nicht hier ſte-
hen. Es ſcheinet, daß die Vorſehung alle Men-
ſchen in beyde Geſchlechter gleich vertheilet habe,
damit jede Frau ihren eigenen Mann haben koͤn-
ne, und damit ſie ſich beyderſeits die Fortpflantzung
der Menſchen gleich laſſen angelegen ſeyn. Hieraus
folget, daß eben ſo viel Frauens-Leute haben muͤſ-
ſen ledig ſitzen bleiben, als Maͤnner umgekommen
ſind. Nun kan es nicht fehlen, daß nicht in ſo lan-
gen Jahren viele von ihnen unverheyrathet wegge-
ſtorben, und daß andere, die ſich zu ſpaͤt verheyra-
thet, ohne Kinder ihr Leben geendiget. Nach dieſer
Rechnung muß Ludewig der XIV. nicht nur 800
tauſend, ſondern doppelt ſo viel Unterthanen verloh-
ren haben, und zugleich hat er ſich auch der Kin-
der, die man von ſo vielen Menſchen haͤtte erwar-
ten koͤnnen, dadurch beraubet.

Man ſagt, daß in der groſſen Hungers-Noth,
die ſein Reich im vorigen Kriege betroffen, 2 Mil-
lionen Menſchen ſollen ſeyn umgekommen. Ich
habe Muͤhe ſolches zu glauben, jedoch es waͤre der
Verluſt ſchon betraͤchtlich, wenn auch nur ⅕ von
der Zahl geſtorben waͤre. Nun darf man ſich
eben nicht wundern, daß dieſes Ubel ein Land be-
trift, wo ein ſo groſſer Theil von dem Vermoͤgen
des Volckes zum Gebrauch des Fuͤrſten angewen-
det wird, daher denn ſelbiges die noͤthigen Mittel
gegen dergleichen Zufaͤlle nicht in Haͤnden hat; und
wo man ſo viele Menſchen zu Krieges-Dienſten
hinweg nimmt, daß daher Weibern und Kindern

die
C 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <floatingText>
            <body>
              <div type="letter">
                <p><pb facs="#f0083" n="37"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">des Men&#x017F;chlichen Ge&#x017F;chlechts.</hi></fw><lb/>
alles ge&#x017F;unde und muntere Leute gewe&#x017F;en, ko&#x0364;nne ver-<lb/>
lohren haben. Die&#x017F;e Zahl aber i&#x017F;t gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;er als die<lb/>
Zahl derer, die er kan erobert haben.</p><lb/>
                <p>Allein es bleibt &#x017F;ein Verlu&#x017F;t noch nicht hier &#x017F;te-<lb/>
hen. Es &#x017F;cheinet, daß die Vor&#x017F;ehung alle Men-<lb/>
&#x017F;chen in beyde Ge&#x017F;chlechter gleich vertheilet habe,<lb/>
damit jede Frau ihren eigenen Mann haben ko&#x0364;n-<lb/>
ne, und damit &#x017F;ie &#x017F;ich beyder&#x017F;eits die Fortpflantzung<lb/>
der Men&#x017F;chen gleich la&#x017F;&#x017F;en angelegen &#x017F;eyn. Hieraus<lb/>
folget, daß eben &#x017F;o viel Frauens-Leute haben mu&#x0364;&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en ledig &#x017F;itzen bleiben, als Ma&#x0364;nner umgekommen<lb/>
&#x017F;ind. Nun kan es nicht fehlen, daß nicht in &#x017F;o lan-<lb/>
gen Jahren viele von ihnen unverheyrathet wegge-<lb/>
&#x017F;torben, und daß andere, die &#x017F;ich zu &#x017F;pa&#x0364;t verheyra-<lb/>
thet, ohne Kinder ihr Leben geendiget. Nach die&#x017F;er<lb/>
Rechnung muß Ludewig der <hi rendition="#aq">XIV.</hi> nicht nur 800<lb/>
tau&#x017F;end, &#x017F;ondern doppelt &#x017F;o viel Unterthanen verloh-<lb/>
ren haben, und zugleich hat er &#x017F;ich auch der Kin-<lb/>
der, die man von &#x017F;o vielen Men&#x017F;chen ha&#x0364;tte erwar-<lb/>
ten ko&#x0364;nnen, dadurch beraubet.</p><lb/>
                <p>Man &#x017F;agt, daß in der gro&#x017F;&#x017F;en Hungers-Noth,<lb/>
die &#x017F;ein Reich im vorigen Kriege betroffen, 2 Mil-<lb/>
lionen Men&#x017F;chen &#x017F;ollen &#x017F;eyn umgekommen. Ich<lb/>
habe Mu&#x0364;he &#x017F;olches zu glauben, jedoch es wa&#x0364;re der<lb/>
Verlu&#x017F;t &#x017F;chon betra&#x0364;chtlich, wenn auch nur &#x2155; von<lb/>
der Zahl ge&#x017F;torben wa&#x0364;re. Nun darf man &#x017F;ich<lb/>
eben nicht wundern, daß die&#x017F;es Ubel ein Land be-<lb/>
trift, wo ein &#x017F;o gro&#x017F;&#x017F;er Theil von dem Vermo&#x0364;gen<lb/>
des Volckes zum Gebrauch des Fu&#x0364;r&#x017F;ten angewen-<lb/>
det wird, daher denn &#x017F;elbiges die no&#x0364;thigen Mittel<lb/>
gegen dergleichen Zufa&#x0364;lle nicht in Ha&#x0364;nden hat; und<lb/>
wo man &#x017F;o viele Men&#x017F;chen zu Krieges-Dien&#x017F;ten<lb/>
hinweg nimmt, daß daher Weibern und Kindern<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">C 3</fw><fw place="bottom" type="catch">die</fw><lb/></p>
              </div>
            </body>
          </floatingText>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[37/0083] des Menſchlichen Geſchlechts. alles geſunde und muntere Leute geweſen, koͤnne ver- lohren haben. Dieſe Zahl aber iſt groͤſſer als die Zahl derer, die er kan erobert haben. Allein es bleibt ſein Verluſt noch nicht hier ſte- hen. Es ſcheinet, daß die Vorſehung alle Men- ſchen in beyde Geſchlechter gleich vertheilet habe, damit jede Frau ihren eigenen Mann haben koͤn- ne, und damit ſie ſich beyderſeits die Fortpflantzung der Menſchen gleich laſſen angelegen ſeyn. Hieraus folget, daß eben ſo viel Frauens-Leute haben muͤſ- ſen ledig ſitzen bleiben, als Maͤnner umgekommen ſind. Nun kan es nicht fehlen, daß nicht in ſo lan- gen Jahren viele von ihnen unverheyrathet wegge- ſtorben, und daß andere, die ſich zu ſpaͤt verheyra- thet, ohne Kinder ihr Leben geendiget. Nach dieſer Rechnung muß Ludewig der XIV. nicht nur 800 tauſend, ſondern doppelt ſo viel Unterthanen verloh- ren haben, und zugleich hat er ſich auch der Kin- der, die man von ſo vielen Menſchen haͤtte erwar- ten koͤnnen, dadurch beraubet. Man ſagt, daß in der groſſen Hungers-Noth, die ſein Reich im vorigen Kriege betroffen, 2 Mil- lionen Menſchen ſollen ſeyn umgekommen. Ich habe Muͤhe ſolches zu glauben, jedoch es waͤre der Verluſt ſchon betraͤchtlich, wenn auch nur ⅕ von der Zahl geſtorben waͤre. Nun darf man ſich eben nicht wundern, daß dieſes Ubel ein Land be- trift, wo ein ſo groſſer Theil von dem Vermoͤgen des Volckes zum Gebrauch des Fuͤrſten angewen- det wird, daher denn ſelbiges die noͤthigen Mittel gegen dergleichen Zufaͤlle nicht in Haͤnden hat; und wo man ſo viele Menſchen zu Krieges-Dienſten hinweg nimmt, daß daher Weibern und Kindern die C 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/suessmilch_ordnung_1741
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/suessmilch_ordnung_1741/83
Zitationshilfe: Süssmilch, Johann Peter: Die göttliche Ordnung in den Veränderungen des menschlichen Geschlechts aus der Geburt, Tod und Fortpflanzung desselben. Berlin, 1741, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/suessmilch_ordnung_1741/83>, abgerufen am 28.11.2024.