Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780.Tagebuch von einer nach Nizza genehmer nur aus zwey Gasthöfen bestehender, mitvielen schönen und hohen Pappeln umgebener Ort. Jch fand aber hier den unbilligsten Gastwirth, den ich auf der ganzen Reise angetroffen habe. Er konn- te mir nichts zu essen geben, als eine aus Wasser, Oel und Brod 'zusammengekochte Suppe. Als ich den andern Morgen nach der Rechnung fragte, war er unverschämt genug 3 Livres und 10 Sols zu for- dern, welches der gewöhnliche Preis in allen Gasthö- fen dieser Straße für einen Herrn und einen Bedien- ten ist; dafür man aber an ordentlichen Orten ein Abendessen von wenigstens vier Schüsseln hat. Jch verwies ihm seine Unbilligkeit, gab ihm die Hälfte dessen, was er gefordert hatte, und reisete fort. Den 27 Octob. Von St. Pont nach Mar- seille. Dieser Morgen war bey dem noch immer anhal- Der
Tagebuch von einer nach Nizza genehmer nur aus zwey Gaſthoͤfen beſtehender, mitvielen ſchoͤnen und hohen Pappeln umgebener Ort. Jch fand aber hier den unbilligſten Gaſtwirth, den ich auf der ganzen Reiſe angetroffen habe. Er konn- te mir nichts zu eſſen geben, als eine aus Waſſer, Oel und Brod ’zuſammengekochte Suppe. Als ich den andern Morgen nach der Rechnung fragte, war er unverſchaͤmt genug 3 Livres und 10 Sols zu for- dern, welches der gewoͤhnliche Preis in allen Gaſthoͤ- fen dieſer Straße fuͤr einen Herrn und einen Bedien- ten iſt; dafuͤr man aber an ordentlichen Orten ein Abendeſſen von wenigſtens vier Schuͤſſeln hat. Jch verwies ihm ſeine Unbilligkeit, gab ihm die Haͤlfte deſſen, was er gefordert hatte, und reiſete fort. Den 27 Octob. Von St. Pont nach Mar- ſeille. Dieſer Morgen war bey dem noch immer anhal- Der
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Tagebuch von einer nach Nizza
genehmer nur aus zwey Gaſthoͤfen beſtehender, mit
vielen ſchoͤnen und hohen Pappeln umgebener Ort.
Jch fand aber hier den unbilligſten Gaſtwirth, den
ich auf der ganzen Reiſe angetroffen habe. Er konn-
te mir nichts zu eſſen geben, als eine aus Waſſer,
Oel und Brod ’zuſammengekochte Suppe. Als ich
den andern Morgen nach der Rechnung fragte, war
er unverſchaͤmt genug 3 Livres und 10 Sols zu for-
dern, welches der gewoͤhnliche Preis in allen Gaſthoͤ-
fen dieſer Straße fuͤr einen Herrn und einen Bedien-
ten iſt; dafuͤr man aber an ordentlichen Orten ein
Abendeſſen von wenigſtens vier Schuͤſſeln hat. Jch
verwies ihm ſeine Unbilligkeit, gab ihm die Haͤlfte
deſſen, was er gefordert hatte, und reiſete fort.
Den 27 Octob. Von St. Pont nach Mar-
ſeille.
Dieſer Morgen war bey dem noch immer anhal-
tenden Nordwinde ſehr kalt. Bey Sonnenaufgang
ſtund mein Thermometer auf dem 33 Grad der Fah-
renheitiſchen Eintheilung, und ich fand auch auf einer
Wieſe, neben der ich vorbey fuhr, daß es ſtark ge-
reift hatte. Es gehoͤrt unter die Seltenheiten dieſer
Provinz, daß verſchiedene ganz nahe an einander lie-
gende Oerter in der Temperatur ſehr von einander ab-
gehen. Die Gegend um St. Pont iſt ſo kalt, daß
keine Olivenbaͤume da fortkommen, die eine Stunde
davon um Aiguille haͤufig ſind. Dieſer Ort liegt
nordwaͤrts von St. Pont und etwas weniges hoͤher.
Dergleichen Unterſchied habe ich an mehr Orten der
Provence gefunden.
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