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Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780.

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Tagebuch von einer nach Nizza
stunde zum Spazieren hieher kommt. Alles dieses
macht ein unbeschreibliches Gedräng und Getümmel
aus, in dem aber doch alles ohne Unordnung und Zän-
kerey abläuft, obgleich die hin und hergehenden be-
ständig an einander stoßen, und sich, so gut es in ei-
nem solchen Gedränge seyn kann, Platz machen müs-
sen. Der Hafen lag gegenwärtig so voll Schiffe,
daß bey weitem nicht alle am Lande anlegen konnten,
so daß an vielen Orten drey auch vier hintereinander
stunden, und man selten hier und da zwischen den
Schiffen durch in den Hafen hineinsehen konnte.

Ein besonderes Schauspiel für mich war an die-
ser Seite des Hafens der Ort, wo die königlichen Ga-
leren und die auf dieselben verurtheilten Sclaven lie-
gen. Gegenwärtig liegen nur 2 Galeren in dem Ha-
fen; die andern sind nach Toulon geschickt worden.
Sie liegen zwischen zwey auf besondere Art gebauten,
und über dem Verdeck mit einem hölzernen Dache ver-
fehenen Wachtschiffen, worauf die Mannschaft von
Seesoldaten liegt, die täglich da auf die Wacht zie-
hen. Zwischen diesen beyden Wachtschiffen stehet
längst dem Kay eine Reihe kleiner hölzerner Buden,
deren Fenster gegen das Wasser, die Thüren aber ge-
gen die Straße gehen. Diese Buden sind Werkstel-
len und kleine Kramläden für diejenigen Galerenscla-
ven, welche die Freyheit, für sich zu arbeiten, oder
Gewerbe zu treiben, erkaufen können. Man trifft
da Schuster, Schneider, Tischler, Perückenmacher
und Barbierer, Höker oder Trödler, sogar Notarien
an, die in diesen Buden wie freye Leute ihr Gewer-
be treiben, nur daß sie Ketten tragen, und nicht von
der Stelle gehen dürfen. Man trifft da immer eine

Men-

Tagebuch von einer nach Nizza
ſtunde zum Spazieren hieher kommt. Alles dieſes
macht ein unbeſchreibliches Gedraͤng und Getuͤmmel
aus, in dem aber doch alles ohne Unordnung und Zaͤn-
kerey ablaͤuft, obgleich die hin und hergehenden be-
ſtaͤndig an einander ſtoßen, und ſich, ſo gut es in ei-
nem ſolchen Gedraͤnge ſeyn kann, Platz machen muͤſ-
ſen. Der Hafen lag gegenwaͤrtig ſo voll Schiffe,
daß bey weitem nicht alle am Lande anlegen konnten,
ſo daß an vielen Orten drey auch vier hintereinander
ſtunden, und man ſelten hier und da zwiſchen den
Schiffen durch in den Hafen hineinſehen konnte.

Ein beſonderes Schauſpiel fuͤr mich war an die-
ſer Seite des Hafens der Ort, wo die koͤniglichen Ga-
leren und die auf dieſelben verurtheilten Sclaven lie-
gen. Gegenwaͤrtig liegen nur 2 Galeren in dem Ha-
fen; die andern ſind nach Toulon geſchickt worden.
Sie liegen zwiſchen zwey auf beſondere Art gebauten,
und uͤber dem Verdeck mit einem hoͤlzernen Dache ver-
fehenen Wachtſchiffen, worauf die Mannſchaft von
Seeſoldaten liegt, die taͤglich da auf die Wacht zie-
hen. Zwiſchen dieſen beyden Wachtſchiffen ſtehet
laͤngſt dem Kay eine Reihe kleiner hoͤlzerner Buden,
deren Fenſter gegen das Waſſer, die Thuͤren aber ge-
gen die Straße gehen. Dieſe Buden ſind Werkſtel-
len und kleine Kramlaͤden fuͤr diejenigen Galerenſcla-
ven, welche die Freyheit, fuͤr ſich zu arbeiten, oder
Gewerbe zu treiben, erkaufen koͤnnen. Man trifft
da Schuſter, Schneider, Tiſchler, Peruͤckenmacher
und Barbierer, Hoͤker oder Troͤdler, ſogar Notarien
an, die in dieſen Buden wie freye Leute ihr Gewer-
be treiben, nur daß ſie Ketten tragen, und nicht von
der Stelle gehen duͤrfen. Man trifft da immer eine

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[120/0140] Tagebuch von einer nach Nizza ſtunde zum Spazieren hieher kommt. Alles dieſes macht ein unbeſchreibliches Gedraͤng und Getuͤmmel aus, in dem aber doch alles ohne Unordnung und Zaͤn- kerey ablaͤuft, obgleich die hin und hergehenden be- ſtaͤndig an einander ſtoßen, und ſich, ſo gut es in ei- nem ſolchen Gedraͤnge ſeyn kann, Platz machen muͤſ- ſen. Der Hafen lag gegenwaͤrtig ſo voll Schiffe, daß bey weitem nicht alle am Lande anlegen konnten, ſo daß an vielen Orten drey auch vier hintereinander ſtunden, und man ſelten hier und da zwiſchen den Schiffen durch in den Hafen hineinſehen konnte. Ein beſonderes Schauſpiel fuͤr mich war an die- ſer Seite des Hafens der Ort, wo die koͤniglichen Ga- leren und die auf dieſelben verurtheilten Sclaven lie- gen. Gegenwaͤrtig liegen nur 2 Galeren in dem Ha- fen; die andern ſind nach Toulon geſchickt worden. Sie liegen zwiſchen zwey auf beſondere Art gebauten, und uͤber dem Verdeck mit einem hoͤlzernen Dache ver- fehenen Wachtſchiffen, worauf die Mannſchaft von Seeſoldaten liegt, die taͤglich da auf die Wacht zie- hen. Zwiſchen dieſen beyden Wachtſchiffen ſtehet laͤngſt dem Kay eine Reihe kleiner hoͤlzerner Buden, deren Fenſter gegen das Waſſer, die Thuͤren aber ge- gen die Straße gehen. Dieſe Buden ſind Werkſtel- len und kleine Kramlaͤden fuͤr diejenigen Galerenſcla- ven, welche die Freyheit, fuͤr ſich zu arbeiten, oder Gewerbe zu treiben, erkaufen koͤnnen. Man trifft da Schuſter, Schneider, Tiſchler, Peruͤckenmacher und Barbierer, Hoͤker oder Troͤdler, ſogar Notarien an, die in dieſen Buden wie freye Leute ihr Gewer- be treiben, nur daß ſie Ketten tragen, und nicht von der Stelle gehen duͤrfen. Man trifft da immer eine Men-

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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/140>, abgerufen am 24.11.2024.