besetzt, die einen zwar dünnen und niedrigen, aber doch angenehmen Wald ausmachen.
Wenn man von dieser Höhe auf der Morgenseite herunter fährt, hat man ein ganz rundes Thal vor sich, rings herum von mäßig hohen Bergen umgeben, das von der Höhe wie der Boden eines großen Kes- sels aussieht. Gerade der Straße gegenüber an dem jenseitigen Ende des Thales sieht man das Städtchen Cujes liegen. Sonst ist das Thal, die in der Mitte der durch dasselbe gehenden Landstraße gepflanzten Bäume ausgenommen, ganz kahl. Der Acker aber scheinet fruchtbar zu seyn. Es sind hier viel Aecker mit der Capernstaude in verschöbenen Reihen (en quinconce) etwa vier Fuß weit auseinander bepflanzt. Diese Staude stirbt im Herbste bis etwa eine Spanne von der Wurzel ab, alsdenn wird das dürre Holz abge- schnitten. Hier wird die Wurzel mit den kurz be- schnittenen Zweigen im Herbst mit Erde bedeckt, die ziemlich hoch darüber angehäuft wird, damit die Näs- se und der Frost nicht eindringen; welche beyde diesen Stauden verderblich sind. Eine angenehme Aussicht in diesem ebenen Thale machen die an der Nordseite liegenden Berge, die bis etwa auf den vierten Theil ihrer Höhe in schmale, aber genau wagrecht laufende Straßen abgetheilt sind. Sie haben gerade das An- sehen eines alten Schauplatzes, dessen herumlaufende Sitze durch diese Terrassen vorgestellt werden. Hier fängt also diese nützliche Erfindung, die steilsten Berge zum Wein- und Feldbau tüchtig zu machen, an, und erstreckt sich längst den Küsten des mittelländischen Meeres bis über Genua hin; denn dieser ganze Strich Landes ist sehr bergig, und die Berge durchge-
hends
gethanen Reiſe.
beſetzt, die einen zwar duͤnnen und niedrigen, aber doch angenehmen Wald ausmachen.
Wenn man von dieſer Hoͤhe auf der Morgenſeite herunter faͤhrt, hat man ein ganz rundes Thal vor ſich, rings herum von maͤßig hohen Bergen umgeben, das von der Hoͤhe wie der Boden eines großen Keſ- ſels ausſieht. Gerade der Straße gegenuͤber an dem jenſeitigen Ende des Thales ſieht man das Staͤdtchen Cujes liegen. Sonſt iſt das Thal, die in der Mitte der durch daſſelbe gehenden Landſtraße gepflanzten Baͤume ausgenommen, ganz kahl. Der Acker aber ſcheinet fruchtbar zu ſeyn. Es ſind hier viel Aecker mit der Capernſtaude in verſchoͤbenen Reihen (en quinconce) etwa vier Fuß weit auseinander bepflanzt. Dieſe Staude ſtirbt im Herbſte bis etwa eine Spanne von der Wurzel ab, alsdenn wird das duͤrre Holz abge- ſchnitten. Hier wird die Wurzel mit den kurz be- ſchnittenen Zweigen im Herbſt mit Erde bedeckt, die ziemlich hoch daruͤber angehaͤuft wird, damit die Naͤſ- ſe und der Froſt nicht eindringen; welche beyde dieſen Stauden verderblich ſind. Eine angenehme Ausſicht in dieſem ebenen Thale machen die an der Nordſeite liegenden Berge, die bis etwa auf den vierten Theil ihrer Hoͤhe in ſchmale, aber genau wagrecht laufende Straßen abgetheilt ſind. Sie haben gerade das An- ſehen eines alten Schauplatzes, deſſen herumlaufende Sitze durch dieſe Terraſſen vorgeſtellt werden. Hier faͤngt alſo dieſe nuͤtzliche Erfindung, die ſteilſten Berge zum Wein- und Feldbau tuͤchtig zu machen, an, und erſtreckt ſich laͤngſt den Kuͤſten des mittellaͤndiſchen Meeres bis uͤber Genua hin; denn dieſer ganze Strich Landes iſt ſehr bergig, und die Berge durchge-
hends
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gethanen Reiſe.
beſetzt, die einen zwar duͤnnen und niedrigen, aber
doch angenehmen Wald ausmachen.
Wenn man von dieſer Hoͤhe auf der Morgenſeite
herunter faͤhrt, hat man ein ganz rundes Thal vor
ſich, rings herum von maͤßig hohen Bergen umgeben,
das von der Hoͤhe wie der Boden eines großen Keſ-
ſels ausſieht. Gerade der Straße gegenuͤber an dem
jenſeitigen Ende des Thales ſieht man das Staͤdtchen
Cujes liegen. Sonſt iſt das Thal, die in der Mitte der
durch daſſelbe gehenden Landſtraße gepflanzten Baͤume
ausgenommen, ganz kahl. Der Acker aber ſcheinet
fruchtbar zu ſeyn. Es ſind hier viel Aecker mit der
Capernſtaude in verſchoͤbenen Reihen (en quinconce)
etwa vier Fuß weit auseinander bepflanzt. Dieſe
Staude ſtirbt im Herbſte bis etwa eine Spanne von
der Wurzel ab, alsdenn wird das duͤrre Holz abge-
ſchnitten. Hier wird die Wurzel mit den kurz be-
ſchnittenen Zweigen im Herbſt mit Erde bedeckt, die
ziemlich hoch daruͤber angehaͤuft wird, damit die Naͤſ-
ſe und der Froſt nicht eindringen; welche beyde dieſen
Stauden verderblich ſind. Eine angenehme Ausſicht
in dieſem ebenen Thale machen die an der Nordſeite
liegenden Berge, die bis etwa auf den vierten Theil
ihrer Hoͤhe in ſchmale, aber genau wagrecht laufende
Straßen abgetheilt ſind. Sie haben gerade das An-
ſehen eines alten Schauplatzes, deſſen herumlaufende
Sitze durch dieſe Terraſſen vorgeſtellt werden. Hier
faͤngt alſo dieſe nuͤtzliche Erfindung, die ſteilſten Berge
zum Wein- und Feldbau tuͤchtig zu machen, an, und
erſtreckt ſich laͤngſt den Kuͤſten des mittellaͤndiſchen
Meeres bis uͤber Genua hin; denn dieſer ganze
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Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/145>, abgerufen am 24.11.2024.
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