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Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780.

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gethanen Reise.
men; und hier würde der Weg nach Toulon völlig
versperrt seyn, wenn nicht ein Waldstrom, wie man
augenscheinlich sieht, mitten durch die Felsen eine Oeff-
nung gemacht hätte. Ueber diese Berge zu kommen,
wäre den Gemsen selbst unmöglich; denn sie sind
steil wie Mauren, und so kahl, daß nicht eine Spur
irgend eines aus den Spitzen der Felsen herauswachsen-
den Kräutchens zu finden ist.

Ganz tief zwischen diesen Felsklumpen hat ein
reissender Bach, der aber jetzt wenig Wasser hatte,
sich sein Bett ausgegraben, das durch hundert Krüm-
mungen zwischen diesen rauhen Felsen durchgeht.
Man sollte denken, die Berge wären hier durch ein
Erdbeben von oben an bis auf den Grund gespalten
worden, und hätten sich ein wenig auseinander gege-
ben. Denn die tiefe Kluft ist noch sehr enge, und
nicht über 30 bis 50 Fuß weit.

Durch diese Kluft geht nun die Landstraße, die
an der südlichen Seite, oder am rechten Bord gedach-
ten Baches, etwa 10 bis 12 Fuß über seinem Bett,
in den Felsen ausgehauen, und gegen den Bach mit
einer Mauer befestiget ist. An diesem Wege gehen
die Felsen senkrecht einige hundert Fuß in die Höhe.
An einigen Orten hangen sie gegen den Weg merklich
über, und so ist auch die gegenüber stehende Felsen-
wand. Man muß den Kopf merklich rückwärts le-
gen, um aus dieser Kluft heraus einen spannenbreiten
Streifen des Himmels zu sehen. Nun geht diese
Straße ziemlich steil immer tiefer in diese Kluft herab,
so daß man nicht nur weiter herein, sondern auch im-
mer tiefer in den Abgrund herunter kommt. Und
weil der Weg sich gar oft und schnell krümmt, so sieht

man

gethanen Reiſe.
men; und hier wuͤrde der Weg nach Toulon voͤllig
verſperrt ſeyn, wenn nicht ein Waldſtrom, wie man
augenſcheinlich ſieht, mitten durch die Felſen eine Oeff-
nung gemacht haͤtte. Ueber dieſe Berge zu kommen,
waͤre den Gemſen ſelbſt unmoͤglich; denn ſie ſind
ſteil wie Mauren, und ſo kahl, daß nicht eine Spur
irgend eines aus den Spitzen der Felſen herauswachſen-
den Kraͤutchens zu finden iſt.

Ganz tief zwiſchen dieſen Felsklumpen hat ein
reiſſender Bach, der aber jetzt wenig Waſſer hatte,
ſich ſein Bett ausgegraben, das durch hundert Kruͤm-
mungen zwiſchen dieſen rauhen Felſen durchgeht.
Man ſollte denken, die Berge waͤren hier durch ein
Erdbeben von oben an bis auf den Grund geſpalten
worden, und haͤtten ſich ein wenig auseinander gege-
ben. Denn die tiefe Kluft iſt noch ſehr enge, und
nicht uͤber 30 bis 50 Fuß weit.

Durch dieſe Kluft geht nun die Landſtraße, die
an der ſuͤdlichen Seite, oder am rechten Bord gedach-
ten Baches, etwa 10 bis 12 Fuß uͤber ſeinem Bett,
in den Felſen ausgehauen, und gegen den Bach mit
einer Mauer befeſtiget iſt. An dieſem Wege gehen
die Felſen ſenkrecht einige hundert Fuß in die Hoͤhe.
An einigen Orten hangen ſie gegen den Weg merklich
uͤber, und ſo iſt auch die gegenuͤber ſtehende Felſen-
wand. Man muß den Kopf merklich ruͤckwaͤrts le-
gen, um aus dieſer Kluft heraus einen ſpannenbreiten
Streifen des Himmels zu ſehen. Nun geht dieſe
Straße ziemlich ſteil immer tiefer in dieſe Kluft herab,
ſo daß man nicht nur weiter herein, ſondern auch im-
mer tiefer in den Abgrund herunter kommt. Und
weil der Weg ſich gar oft und ſchnell kruͤmmt, ſo ſieht

man
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[127/0147] gethanen Reiſe. men; und hier wuͤrde der Weg nach Toulon voͤllig verſperrt ſeyn, wenn nicht ein Waldſtrom, wie man augenſcheinlich ſieht, mitten durch die Felſen eine Oeff- nung gemacht haͤtte. Ueber dieſe Berge zu kommen, waͤre den Gemſen ſelbſt unmoͤglich; denn ſie ſind ſteil wie Mauren, und ſo kahl, daß nicht eine Spur irgend eines aus den Spitzen der Felſen herauswachſen- den Kraͤutchens zu finden iſt. Ganz tief zwiſchen dieſen Felsklumpen hat ein reiſſender Bach, der aber jetzt wenig Waſſer hatte, ſich ſein Bett ausgegraben, das durch hundert Kruͤm- mungen zwiſchen dieſen rauhen Felſen durchgeht. Man ſollte denken, die Berge waͤren hier durch ein Erdbeben von oben an bis auf den Grund geſpalten worden, und haͤtten ſich ein wenig auseinander gege- ben. Denn die tiefe Kluft iſt noch ſehr enge, und nicht uͤber 30 bis 50 Fuß weit. Durch dieſe Kluft geht nun die Landſtraße, die an der ſuͤdlichen Seite, oder am rechten Bord gedach- ten Baches, etwa 10 bis 12 Fuß uͤber ſeinem Bett, in den Felſen ausgehauen, und gegen den Bach mit einer Mauer befeſtiget iſt. An dieſem Wege gehen die Felſen ſenkrecht einige hundert Fuß in die Hoͤhe. An einigen Orten hangen ſie gegen den Weg merklich uͤber, und ſo iſt auch die gegenuͤber ſtehende Felſen- wand. Man muß den Kopf merklich ruͤckwaͤrts le- gen, um aus dieſer Kluft heraus einen ſpannenbreiten Streifen des Himmels zu ſehen. Nun geht dieſe Straße ziemlich ſteil immer tiefer in dieſe Kluft herab, ſo daß man nicht nur weiter herein, ſondern auch im- mer tiefer in den Abgrund herunter kommt. Und weil der Weg ſich gar oft und ſchnell kruͤmmt, ſo ſieht man

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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/147>, abgerufen am 21.11.2024.