Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780.Tagebuch von einer nach Nizza noch reichlich mit Olivenbäumen, Feigen- und auchetwas Mandelbäumen besetzt. Die Weinreben wer- den hier nicht angeheftet. Sie bestehen aus alten di- cken Stämmen, von etwa einer hälben Elle hoch. Diese treiben jährlich Schosse aus, welche denn bis auf zwey Augen beschnitten werden. Der Landmann weiß dieses so gut zu regieren, daß immer junges tragbares Holz austreibt, ohne daß der dicke Stamm durch Anwachs erhöhet wird *). Man findet häufig in den Weinfeldern kleine vier- Wo die Ebene anfängt an die Berge zu stoßen, Land *) Palladius hält dieses für die beste Art, die Weinre-
ben zu ziehen. Vineae, sagt er, in provinciis mul- tis generibus fiunt; sed optimum genus est, ubi vitis velut arbuscula stat brevi crure fundata. Tagebuch von einer nach Nizza noch reichlich mit Olivenbaͤumen, Feigen- und auchetwas Mandelbaͤumen beſetzt. Die Weinreben wer- den hier nicht angeheftet. Sie beſtehen aus alten di- cken Staͤmmen, von etwa einer haͤlben Elle hoch. Dieſe treiben jaͤhrlich Schoſſe aus, welche denn bis auf zwey Augen beſchnitten werden. Der Landmann weiß dieſes ſo gut zu regieren, daß immer junges tragbares Holz austreibt, ohne daß der dicke Stamm durch Anwachs erhoͤhet wird *). Man findet haͤufig in den Weinfeldern kleine vier- Wo die Ebene anfaͤngt an die Berge zu ſtoßen, Land *) Palladius haͤlt dieſes fuͤr die beſte Art, die Weinre-
ben zu ziehen. Vineae, ſagt er, in provinciis mul- tis generibus fiunt; ſed optimum genus eſt, ubi vitis velut arbuſcula ſtat brevi crure fundata. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div type="diaryEntry" n="2"> <p><pb facs="#f0160" n="140"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Tagebuch von einer nach Nizza</hi></fw><lb/> noch reichlich mit Olivenbaͤumen, Feigen- und auch<lb/> etwas Mandelbaͤumen beſetzt. Die Weinreben wer-<lb/> den hier nicht angeheftet. Sie beſtehen aus alten di-<lb/> cken Staͤmmen, von etwa einer haͤlben Elle hoch.<lb/> Dieſe treiben jaͤhrlich Schoſſe aus, welche denn bis<lb/> auf zwey Augen beſchnitten werden. Der Landmann<lb/> weiß dieſes ſo gut zu regieren, daß immer junges<lb/> tragbares Holz austreibt, ohne daß der dicke Stamm<lb/> durch Anwachs erhoͤhet wird <note place="foot" n="*)">Palladius haͤlt dieſes fuͤr die beſte Art, die Weinre-<lb/> ben zu ziehen. <hi rendition="#aq">Vineae,</hi> ſagt er, <hi rendition="#aq">in provinciis mul-<lb/> tis generibus fiunt; ſed optimum genus eſt, ubi<lb/> vitis velut arbuſcula ſtat brevi crure fundata.</hi></note>.</p><lb/> <p>Man findet haͤufig in den Weinfeldern kleine vier-<lb/> eckige Plaͤtze, etwa 10 Fuß ins Gevierte, die mit<lb/> Steinen gepflaſtert und denn mit Kalk uͤbergoſſen ſind,<lb/> ſo daß der Boden feſt und eben iſt. Um drey Sei-<lb/> ten eines ſolchen Platzes ſind kleine etwa dritthalb Fuß<lb/> hohe Mauren geſetzt, an der vierten ſind ſie offen.<lb/> Der Boden iſt von der offenen Seite gegen die hinte-<lb/> re Mauer etwas abhaͤngig, und mitten an der hintern<lb/> Mauer dicht am Boden geht ein kleiner gemauerter<lb/> Canal durch die Mauer. Dieſe Plaͤtze dienen dazu,<lb/> daß bey der Weinleſe die abgeſchnittenen Trauben dar-<lb/> auf zuſammengetragen werden. Hier werden ſie her-<lb/> nach abgeholt, und auf Eſeln in die Stadt unter die<lb/> Preſſe gebracht. Das Loch an der hintern Mauer<lb/> dienet, den Traubenſaft, der etwa auslaͤuft, durch-<lb/> zulaſſen; da denn außerhalb der Mauer ein Gefaͤß<lb/> vorgeſetzt wird, ihn aufzufaſſen.</p><lb/> <p>Wo die Ebene anfaͤngt an die Berge zu ſtoßen,<lb/> und am untern Theil der Berge ſelbſt, faͤngt das<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Land</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [140/0160]
Tagebuch von einer nach Nizza
noch reichlich mit Olivenbaͤumen, Feigen- und auch
etwas Mandelbaͤumen beſetzt. Die Weinreben wer-
den hier nicht angeheftet. Sie beſtehen aus alten di-
cken Staͤmmen, von etwa einer haͤlben Elle hoch.
Dieſe treiben jaͤhrlich Schoſſe aus, welche denn bis
auf zwey Augen beſchnitten werden. Der Landmann
weiß dieſes ſo gut zu regieren, daß immer junges
tragbares Holz austreibt, ohne daß der dicke Stamm
durch Anwachs erhoͤhet wird *).
Man findet haͤufig in den Weinfeldern kleine vier-
eckige Plaͤtze, etwa 10 Fuß ins Gevierte, die mit
Steinen gepflaſtert und denn mit Kalk uͤbergoſſen ſind,
ſo daß der Boden feſt und eben iſt. Um drey Sei-
ten eines ſolchen Platzes ſind kleine etwa dritthalb Fuß
hohe Mauren geſetzt, an der vierten ſind ſie offen.
Der Boden iſt von der offenen Seite gegen die hinte-
re Mauer etwas abhaͤngig, und mitten an der hintern
Mauer dicht am Boden geht ein kleiner gemauerter
Canal durch die Mauer. Dieſe Plaͤtze dienen dazu,
daß bey der Weinleſe die abgeſchnittenen Trauben dar-
auf zuſammengetragen werden. Hier werden ſie her-
nach abgeholt, und auf Eſeln in die Stadt unter die
Preſſe gebracht. Das Loch an der hintern Mauer
dienet, den Traubenſaft, der etwa auslaͤuft, durch-
zulaſſen; da denn außerhalb der Mauer ein Gefaͤß
vorgeſetzt wird, ihn aufzufaſſen.
Wo die Ebene anfaͤngt an die Berge zu ſtoßen,
und am untern Theil der Berge ſelbſt, faͤngt das
Land
*) Palladius haͤlt dieſes fuͤr die beſte Art, die Weinre-
ben zu ziehen. Vineae, ſagt er, in provinciis mul-
tis generibus fiunt; ſed optimum genus eſt, ubi
vitis velut arbuſcula ſtat brevi crure fundata.
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