Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780.

Bild:
<< vorherige Seite
Tagebuch von einer nach Nizza

Jch suchte meinen täglichen Zeitvertreib hier im
Spazierengehen, und erfuhr dadurch, daß ich täglich
etwas stärker wurde, so daß ich bald nach meiner An-
kunft eine gute Stunde weit auf die herumliegenden
Berge gehen konnte.

Außer den schönen Gegenden und mannichfalti-
gen Aussichten, die diese Spaziergänge angenehm
machen, fand ich ein besonderes Vergnügen daran,
hier so vielerley Bäume und Gewächse anzutreffen, die
wir in Deutschland in Gewächshäusern überwintern
müssen. An den Wegen, und überall wo hohe Boor-
te sind, trifft man vornehmlich folgende Gesträuche
an: den Granatapfelbaum, den Mastixstrauch oder
Lentiscus, die Myrte mit dem großen Blatt, den
gelben Jasmin, Caprifolium, verschiedene Arten im-
mergrüner Rosenstauden u. a. m. Höchst angenehm
aber werden die Spaziergänge durch eine in allen
Hecken häufig wachsende Staude mit lieblich riechen-
der Blühte *), wovon im Herbst die ganze Gegend
parfumirt wird. Nicht weniger ergötzend für das Au-
ge ist der unter anderm dichten Gesträuch, sonderlich
an etwas feuchten Orten wachsende Ruscus, ein klei-
nes Gesträuch, dessen steife, wie Pergament glatte
Blätter ein fürtreffliches Grün zeigen, das durch das
hohe Roth der mitten aus dem Blatt herauswach-
senden Frucht, einer großen runden Beere, noch er-
höhet wird.

Auf dem obern und rauhern Theile der Berge fin-
det man den oft erwähnten Pinaster, die immergrü-
nen Eichen mit stachlichen Blättern, die Korkeiche,
deren äußerste Rinde das Pantoffelholz giebt, die

aber
*) Smilax aspera fructu rubente. C. B.
Tagebuch von einer nach Nizza

Jch ſuchte meinen taͤglichen Zeitvertreib hier im
Spazierengehen, und erfuhr dadurch, daß ich taͤglich
etwas ſtaͤrker wurde, ſo daß ich bald nach meiner An-
kunft eine gute Stunde weit auf die herumliegenden
Berge gehen konnte.

Außer den ſchoͤnen Gegenden und mannichfalti-
gen Ausſichten, die dieſe Spaziergaͤnge angenehm
machen, fand ich ein beſonderes Vergnuͤgen daran,
hier ſo vielerley Baͤume und Gewaͤchſe anzutreffen, die
wir in Deutſchland in Gewaͤchshaͤuſern uͤberwintern
muͤſſen. An den Wegen, und uͤberall wo hohe Boor-
te ſind, trifft man vornehmlich folgende Geſtraͤuche
an: den Granatapfelbaum, den Maſtixſtrauch oder
Lentiſcus, die Myrte mit dem großen Blatt, den
gelben Jasmin, Caprifolium, verſchiedene Arten im-
mergruͤner Roſenſtauden u. a. m. Hoͤchſt angenehm
aber werden die Spaziergaͤnge durch eine in allen
Hecken haͤufig wachſende Staude mit lieblich riechen-
der Bluͤhte *), wovon im Herbſt die ganze Gegend
parfumirt wird. Nicht weniger ergoͤtzend fuͤr das Au-
ge iſt der unter anderm dichten Geſtraͤuch, ſonderlich
an etwas feuchten Orten wachſende Ruſcus, ein klei-
nes Geſtraͤuch, deſſen ſteife, wie Pergament glatte
Blaͤtter ein fuͤrtreffliches Gruͤn zeigen, das durch das
hohe Roth der mitten aus dem Blatt herauswach-
ſenden Frucht, einer großen runden Beere, noch er-
hoͤhet wird.

Auf dem obern und rauhern Theile der Berge fin-
det man den oft erwaͤhnten Pinaſter, die immergruͤ-
nen Eichen mit ſtachlichen Blaͤttern, die Korkeiche,
deren aͤußerſte Rinde das Pantoffelholz giebt, die

aber
*) Smilax aſpera fructu rubente. C. B.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div type="diaryEntry" n="2">
          <pb facs="#f0162" n="142"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Tagebuch von einer nach Nizza</hi> </fw><lb/>
          <p>Jch &#x017F;uchte meinen ta&#x0364;glichen Zeitvertreib hier im<lb/>
Spazierengehen, und erfuhr dadurch, daß ich ta&#x0364;glich<lb/>
etwas &#x017F;ta&#x0364;rker wurde, &#x017F;o daß ich bald nach meiner An-<lb/>
kunft eine gute Stunde weit auf die herumliegenden<lb/>
Berge gehen konnte.</p><lb/>
          <p>Außer den &#x017F;cho&#x0364;nen Gegenden und mannichfalti-<lb/>
gen Aus&#x017F;ichten, die die&#x017F;e Spazierga&#x0364;nge angenehm<lb/>
machen, fand ich ein be&#x017F;onderes Vergnu&#x0364;gen daran,<lb/>
hier &#x017F;o vielerley Ba&#x0364;ume und Gewa&#x0364;ch&#x017F;e anzutreffen, die<lb/>
wir in Deut&#x017F;chland in Gewa&#x0364;chsha&#x0364;u&#x017F;ern u&#x0364;berwintern<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en. An den Wegen, und u&#x0364;berall wo hohe Boor-<lb/>
te &#x017F;ind, trifft man vornehmlich folgende Ge&#x017F;tra&#x0364;uche<lb/>
an: den Granatapfelbaum, den Ma&#x017F;tix&#x017F;trauch oder<lb/>
Lenti&#x017F;cus, die Myrte mit dem großen Blatt, den<lb/>
gelben Jasmin, Caprifolium, ver&#x017F;chiedene Arten im-<lb/>
mergru&#x0364;ner Ro&#x017F;en&#x017F;tauden u. a. m. Ho&#x0364;ch&#x017F;t angenehm<lb/>
aber werden die Spazierga&#x0364;nge durch eine in allen<lb/>
Hecken ha&#x0364;ufig wach&#x017F;ende Staude mit lieblich riechen-<lb/>
der Blu&#x0364;hte <note place="foot" n="*)"><hi rendition="#aq">Smilax a&#x017F;pera fructu rubente. C. B.</hi></note>, wovon im Herb&#x017F;t die ganze Gegend<lb/>
parfumirt wird. Nicht weniger ergo&#x0364;tzend fu&#x0364;r das Au-<lb/>
ge i&#x017F;t der unter anderm dichten Ge&#x017F;tra&#x0364;uch, &#x017F;onderlich<lb/>
an etwas feuchten Orten wach&#x017F;ende Ru&#x017F;cus, ein klei-<lb/>
nes Ge&#x017F;tra&#x0364;uch, de&#x017F;&#x017F;en &#x017F;teife, wie Pergament glatte<lb/>
Bla&#x0364;tter ein fu&#x0364;rtreffliches Gru&#x0364;n zeigen, das durch das<lb/>
hohe Roth der mitten aus dem Blatt herauswach-<lb/>
&#x017F;enden Frucht, einer großen runden Beere, noch er-<lb/>
ho&#x0364;het wird.</p><lb/>
          <p>Auf dem obern und rauhern Theile der Berge fin-<lb/>
det man den oft erwa&#x0364;hnten Pina&#x017F;ter, die immergru&#x0364;-<lb/>
nen Eichen mit &#x017F;tachlichen Bla&#x0364;ttern, die Korkeiche,<lb/>
deren a&#x0364;ußer&#x017F;te Rinde das Pantoffelholz giebt, die<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">aber</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[142/0162] Tagebuch von einer nach Nizza Jch ſuchte meinen taͤglichen Zeitvertreib hier im Spazierengehen, und erfuhr dadurch, daß ich taͤglich etwas ſtaͤrker wurde, ſo daß ich bald nach meiner An- kunft eine gute Stunde weit auf die herumliegenden Berge gehen konnte. Außer den ſchoͤnen Gegenden und mannichfalti- gen Ausſichten, die dieſe Spaziergaͤnge angenehm machen, fand ich ein beſonderes Vergnuͤgen daran, hier ſo vielerley Baͤume und Gewaͤchſe anzutreffen, die wir in Deutſchland in Gewaͤchshaͤuſern uͤberwintern muͤſſen. An den Wegen, und uͤberall wo hohe Boor- te ſind, trifft man vornehmlich folgende Geſtraͤuche an: den Granatapfelbaum, den Maſtixſtrauch oder Lentiſcus, die Myrte mit dem großen Blatt, den gelben Jasmin, Caprifolium, verſchiedene Arten im- mergruͤner Roſenſtauden u. a. m. Hoͤchſt angenehm aber werden die Spaziergaͤnge durch eine in allen Hecken haͤufig wachſende Staude mit lieblich riechen- der Bluͤhte *), wovon im Herbſt die ganze Gegend parfumirt wird. Nicht weniger ergoͤtzend fuͤr das Au- ge iſt der unter anderm dichten Geſtraͤuch, ſonderlich an etwas feuchten Orten wachſende Ruſcus, ein klei- nes Geſtraͤuch, deſſen ſteife, wie Pergament glatte Blaͤtter ein fuͤrtreffliches Gruͤn zeigen, das durch das hohe Roth der mitten aus dem Blatt herauswach- ſenden Frucht, einer großen runden Beere, noch er- hoͤhet wird. Auf dem obern und rauhern Theile der Berge fin- det man den oft erwaͤhnten Pinaſter, die immergruͤ- nen Eichen mit ſtachlichen Blaͤttern, die Korkeiche, deren aͤußerſte Rinde das Pantoffelholz giebt, die aber *) Smilax aſpera fructu rubente. C. B.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/162
Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/162>, abgerufen am 24.11.2024.