Jch suchte meinen täglichen Zeitvertreib hier im Spazierengehen, und erfuhr dadurch, daß ich täglich etwas stärker wurde, so daß ich bald nach meiner An- kunft eine gute Stunde weit auf die herumliegenden Berge gehen konnte.
Außer den schönen Gegenden und mannichfalti- gen Aussichten, die diese Spaziergänge angenehm machen, fand ich ein besonderes Vergnügen daran, hier so vielerley Bäume und Gewächse anzutreffen, die wir in Deutschland in Gewächshäusern überwintern müssen. An den Wegen, und überall wo hohe Boor- te sind, trifft man vornehmlich folgende Gesträuche an: den Granatapfelbaum, den Mastixstrauch oder Lentiscus, die Myrte mit dem großen Blatt, den gelben Jasmin, Caprifolium, verschiedene Arten im- mergrüner Rosenstauden u. a. m. Höchst angenehm aber werden die Spaziergänge durch eine in allen Hecken häufig wachsende Staude mit lieblich riechen- der Blühte *), wovon im Herbst die ganze Gegend parfumirt wird. Nicht weniger ergötzend für das Au- ge ist der unter anderm dichten Gesträuch, sonderlich an etwas feuchten Orten wachsende Ruscus, ein klei- nes Gesträuch, dessen steife, wie Pergament glatte Blätter ein fürtreffliches Grün zeigen, das durch das hohe Roth der mitten aus dem Blatt herauswach- senden Frucht, einer großen runden Beere, noch er- höhet wird.
Auf dem obern und rauhern Theile der Berge fin- det man den oft erwähnten Pinaster, die immergrü- nen Eichen mit stachlichen Blättern, die Korkeiche, deren äußerste Rinde das Pantoffelholz giebt, die
aber
*)Smilax aspera fructu rubente. C. B.
Tagebuch von einer nach Nizza
Jch ſuchte meinen taͤglichen Zeitvertreib hier im Spazierengehen, und erfuhr dadurch, daß ich taͤglich etwas ſtaͤrker wurde, ſo daß ich bald nach meiner An- kunft eine gute Stunde weit auf die herumliegenden Berge gehen konnte.
Außer den ſchoͤnen Gegenden und mannichfalti- gen Ausſichten, die dieſe Spaziergaͤnge angenehm machen, fand ich ein beſonderes Vergnuͤgen daran, hier ſo vielerley Baͤume und Gewaͤchſe anzutreffen, die wir in Deutſchland in Gewaͤchshaͤuſern uͤberwintern muͤſſen. An den Wegen, und uͤberall wo hohe Boor- te ſind, trifft man vornehmlich folgende Geſtraͤuche an: den Granatapfelbaum, den Maſtixſtrauch oder Lentiſcus, die Myrte mit dem großen Blatt, den gelben Jasmin, Caprifolium, verſchiedene Arten im- mergruͤner Roſenſtauden u. a. m. Hoͤchſt angenehm aber werden die Spaziergaͤnge durch eine in allen Hecken haͤufig wachſende Staude mit lieblich riechen- der Bluͤhte *), wovon im Herbſt die ganze Gegend parfumirt wird. Nicht weniger ergoͤtzend fuͤr das Au- ge iſt der unter anderm dichten Geſtraͤuch, ſonderlich an etwas feuchten Orten wachſende Ruſcus, ein klei- nes Geſtraͤuch, deſſen ſteife, wie Pergament glatte Blaͤtter ein fuͤrtreffliches Gruͤn zeigen, das durch das hohe Roth der mitten aus dem Blatt herauswach- ſenden Frucht, einer großen runden Beere, noch er- hoͤhet wird.
Auf dem obern und rauhern Theile der Berge fin- det man den oft erwaͤhnten Pinaſter, die immergruͤ- nen Eichen mit ſtachlichen Blaͤttern, die Korkeiche, deren aͤußerſte Rinde das Pantoffelholz giebt, die
aber
*)Smilax aſpera fructu rubente. C. B.
<TEI><text><body><divn="1"><divtype="diaryEntry"n="2"><pbfacs="#f0162"n="142"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Tagebuch von einer nach Nizza</hi></fw><lb/><p>Jch ſuchte meinen taͤglichen Zeitvertreib hier im<lb/>
Spazierengehen, und erfuhr dadurch, daß ich taͤglich<lb/>
etwas ſtaͤrker wurde, ſo daß ich bald nach meiner An-<lb/>
kunft eine gute Stunde weit auf die herumliegenden<lb/>
Berge gehen konnte.</p><lb/><p>Außer den ſchoͤnen Gegenden und mannichfalti-<lb/>
gen Ausſichten, die dieſe Spaziergaͤnge angenehm<lb/>
machen, fand ich ein beſonderes Vergnuͤgen daran,<lb/>
hier ſo vielerley Baͤume und Gewaͤchſe anzutreffen, die<lb/>
wir in Deutſchland in Gewaͤchshaͤuſern uͤberwintern<lb/>
muͤſſen. An den Wegen, und uͤberall wo hohe Boor-<lb/>
te ſind, trifft man vornehmlich folgende Geſtraͤuche<lb/>
an: den Granatapfelbaum, den Maſtixſtrauch oder<lb/>
Lentiſcus, die Myrte mit dem großen Blatt, den<lb/>
gelben Jasmin, Caprifolium, verſchiedene Arten im-<lb/>
mergruͤner Roſenſtauden u. a. m. Hoͤchſt angenehm<lb/>
aber werden die Spaziergaͤnge durch eine in allen<lb/>
Hecken haͤufig wachſende Staude mit lieblich riechen-<lb/>
der Bluͤhte <noteplace="foot"n="*)"><hirendition="#aq">Smilax aſpera fructu rubente. C. B.</hi></note>, wovon im Herbſt die ganze Gegend<lb/>
parfumirt wird. Nicht weniger ergoͤtzend fuͤr das Au-<lb/>
ge iſt der unter anderm dichten Geſtraͤuch, ſonderlich<lb/>
an etwas feuchten Orten wachſende Ruſcus, ein klei-<lb/>
nes Geſtraͤuch, deſſen ſteife, wie Pergament glatte<lb/>
Blaͤtter ein fuͤrtreffliches Gruͤn zeigen, das durch das<lb/>
hohe Roth der mitten aus dem Blatt herauswach-<lb/>ſenden Frucht, einer großen runden Beere, noch er-<lb/>
hoͤhet wird.</p><lb/><p>Auf dem obern und rauhern Theile der Berge fin-<lb/>
det man den oft erwaͤhnten Pinaſter, die immergruͤ-<lb/>
nen Eichen mit ſtachlichen Blaͤttern, die Korkeiche,<lb/>
deren aͤußerſte Rinde das Pantoffelholz giebt, die<lb/><fwplace="bottom"type="catch">aber</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[142/0162]
Tagebuch von einer nach Nizza
Jch ſuchte meinen taͤglichen Zeitvertreib hier im
Spazierengehen, und erfuhr dadurch, daß ich taͤglich
etwas ſtaͤrker wurde, ſo daß ich bald nach meiner An-
kunft eine gute Stunde weit auf die herumliegenden
Berge gehen konnte.
Außer den ſchoͤnen Gegenden und mannichfalti-
gen Ausſichten, die dieſe Spaziergaͤnge angenehm
machen, fand ich ein beſonderes Vergnuͤgen daran,
hier ſo vielerley Baͤume und Gewaͤchſe anzutreffen, die
wir in Deutſchland in Gewaͤchshaͤuſern uͤberwintern
muͤſſen. An den Wegen, und uͤberall wo hohe Boor-
te ſind, trifft man vornehmlich folgende Geſtraͤuche
an: den Granatapfelbaum, den Maſtixſtrauch oder
Lentiſcus, die Myrte mit dem großen Blatt, den
gelben Jasmin, Caprifolium, verſchiedene Arten im-
mergruͤner Roſenſtauden u. a. m. Hoͤchſt angenehm
aber werden die Spaziergaͤnge durch eine in allen
Hecken haͤufig wachſende Staude mit lieblich riechen-
der Bluͤhte *), wovon im Herbſt die ganze Gegend
parfumirt wird. Nicht weniger ergoͤtzend fuͤr das Au-
ge iſt der unter anderm dichten Geſtraͤuch, ſonderlich
an etwas feuchten Orten wachſende Ruſcus, ein klei-
nes Geſtraͤuch, deſſen ſteife, wie Pergament glatte
Blaͤtter ein fuͤrtreffliches Gruͤn zeigen, das durch das
hohe Roth der mitten aus dem Blatt herauswach-
ſenden Frucht, einer großen runden Beere, noch er-
hoͤhet wird.
Auf dem obern und rauhern Theile der Berge fin-
det man den oft erwaͤhnten Pinaſter, die immergruͤ-
nen Eichen mit ſtachlichen Blaͤttern, die Korkeiche,
deren aͤußerſte Rinde das Pantoffelholz giebt, die
aber
*) Smilax aſpera fructu rubente. C. B.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/162>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.