Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780.gethanen Reise. ein arbeitsames und sparsames Volk geschienen haben.Des Morgens früh sieht man ganze Familien aus der Stadt zur Arbeit auf das Feld gehen. Die Mütter tragen ihre noch säugende Kinder in der Wiege auf dem Kopfe mit sich, und auf den Abend ziehen sie so wieder in die Stadt. Sie haben deswegen mitten auf ihren kleinen Ackergütern kleine steinerne Gebäude, in denen sie sich in der Mittagsstunde ausruhen, und wo sie vor Hitze und Regen Schutz finden. Die Felder sind durchgehends gut angebaut, und Es fiel mir oft ein, dieses Volk mit den Ein- Man kann hieraus abnehmen, daß der rohe na- bracht K 2
gethanen Reiſe. ein arbeitſames und ſparſames Volk geſchienen haben.Des Morgens fruͤh ſieht man ganze Familien aus der Stadt zur Arbeit auf das Feld gehen. Die Muͤtter tragen ihre noch ſaͤugende Kinder in der Wiege auf dem Kopfe mit ſich, und auf den Abend ziehen ſie ſo wieder in die Stadt. Sie haben deswegen mitten auf ihren kleinen Ackerguͤtern kleine ſteinerne Gebaͤude, in denen ſie ſich in der Mittagsſtunde ausruhen, und wo ſie vor Hitze und Regen Schutz finden. Die Felder ſind durchgehends gut angebaut, und Es fiel mir oft ein, dieſes Volk mit den Ein- Man kann hieraus abnehmen, daß der rohe na- bracht K 2
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gethanen Reiſe.
ein arbeitſames und ſparſames Volk geſchienen haben.
Des Morgens fruͤh ſieht man ganze Familien aus der
Stadt zur Arbeit auf das Feld gehen. Die Muͤtter
tragen ihre noch ſaͤugende Kinder in der Wiege auf
dem Kopfe mit ſich, und auf den Abend ziehen ſie ſo
wieder in die Stadt. Sie haben deswegen mitten auf
ihren kleinen Ackerguͤtern kleine ſteinerne Gebaͤude, in
denen ſie ſich in der Mittagsſtunde ausruhen, und wo
ſie vor Hitze und Regen Schutz finden.
Die Felder ſind durchgehends gut angebaut, und
werden durch Umgraben bearbeitet, weil es hier an
Vieh fehlet. Hoͤchſt aufmerkſam iſt man hier, alles,
was zum Duͤngen dienlich iſt, zu ſammeln und zu Ra-
the zu halten. An den Bergen traf ich gar oft neu
ausgeradete und zum Anbau zurecht gemachte Plaͤ-
tze an.
Es fiel mir oft ein, dieſes Volk mit den Ein-
wohnern kleiner Staͤdte in der Schweiz und kleiner
Reichsſtaͤdte zu vergleichen; und die Vergleichung
war fuͤr die letztern gar nicht vortheilhaft. Dieſe, die
gemeiniglich anſehnliche Gemeinguͤter haben, davon
wenigſtens ein Theil des Ertrages den Buͤrgern zu-
fließt, ſind bey weitem nicht ſo arbeitſam, als die
Buͤrger in Hieres. Man ſieht oft ganze Truppe
muͤßig auf den Gaſſen ſtehen, oder in den Weinhaͤu-
ſern ſitzen. Sie leben lieber ſehr aͤrmlich zu Hauſe,
als daß ſie ſich durch Arbeit beſſer ſetzten.
Man kann hieraus abnehmen, daß der rohe na-
tuͤrliche Menſch die Arbeit haſſet und den Muͤßiggang
liebet, und daß nur Noth, oder Ueberlegung ihn zur
Arbeit zwinget. Die Noth iſt das gemeinſte Mittel
dazu; in der Ueberlegung muß man es ſchon weit ge-
bracht
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