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Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780.

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Tagebuch von einer nach Nizza
schlagen, obgleich ein angesehener hiesiger Kaufmann,
an den ich empfohlen war, sich alle mögliche Mühe
gab, mir sie zu verschaffen.

Der Handlung halber bedeutet der hiesige Hafen
nicht viel. Jch habe die hier liegenden zur Handlung
ausgerüsteten Schiffe zwar nicht gezählt; aber nach ei-
ner ohngefähren Schätzung mögen es kaum 50 gewe-
sen seyn. Sie führen fürnehmlich Wein, schlechtes
Baumöl, Seife, die hier in erstaunlicher Menge ge-
macht wird, Capern, Honig, Feigen, Rosinen und
die aus Hieres hieher geschafften Citronen und Oran-
gen aus.

Mitten in der Reihe Häuser, die längst des Ha-
fens gebaut sind, befindet sich das Rathhaus, oder
Hotel de Ville, ein schmales und ganz schlechtweg ge-
bautes Haus. Die Einwohner bewundern an dem
Eingange desselben zwey Termen, die den Balcon tra-
gen; eine Arbeit des berühmten Puget. Sie sind
in der That richtig gezeichnet und schön gearbeitet;
aber die Erfindung ist schlecht. Die Köpfe sind ohne
Ausdruck, und die Action ganz gleichgültig. Sie
gleichen eher gut gezeichneten akademischen Figuren,
als Bildern, die etwas vorstellen sollen. Sie kön-
nen mit ähnlichen Figuren von Slütern an dem kö-
niglichen Schlosse in Berlin kaum in Vergleichung
kommen.

Zwischen dem Glacis der Festung und den an der
Nordseite der Stadt liegenden Bergen siehet man viele
Gärten und Landhäuser, die aber nichts Merkwürdi-
ges haben. Doch verdienet darunter der königliche
Garten gesehen zu werden, der mit dem darin stehen-
den Hause dem Jntendant de la Marine überlassen

ist.

Tagebuch von einer nach Nizza
ſchlagen, obgleich ein angeſehener hieſiger Kaufmann,
an den ich empfohlen war, ſich alle moͤgliche Muͤhe
gab, mir ſie zu verſchaffen.

Der Handlung halber bedeutet der hieſige Hafen
nicht viel. Jch habe die hier liegenden zur Handlung
ausgeruͤſteten Schiffe zwar nicht gezaͤhlt; aber nach ei-
ner ohngefaͤhren Schaͤtzung moͤgen es kaum 50 gewe-
ſen ſeyn. Sie fuͤhren fuͤrnehmlich Wein, ſchlechtes
Baumoͤl, Seife, die hier in erſtaunlicher Menge ge-
macht wird, Capern, Honig, Feigen, Roſinen und
die aus Hieres hieher geſchafften Citronen und Oran-
gen aus.

Mitten in der Reihe Haͤuſer, die laͤngſt des Ha-
fens gebaut ſind, befindet ſich das Rathhaus, oder
Hotel de Ville, ein ſchmales und ganz ſchlechtweg ge-
bautes Haus. Die Einwohner bewundern an dem
Eingange deſſelben zwey Termen, die den Balcon tra-
gen; eine Arbeit des beruͤhmten Puget. Sie ſind
in der That richtig gezeichnet und ſchoͤn gearbeitet;
aber die Erfindung iſt ſchlecht. Die Koͤpfe ſind ohne
Ausdruck, und die Action ganz gleichguͤltig. Sie
gleichen eher gut gezeichneten akademiſchen Figuren,
als Bildern, die etwas vorſtellen ſollen. Sie koͤn-
nen mit aͤhnlichen Figuren von Sluͤtern an dem koͤ-
niglichen Schloſſe in Berlin kaum in Vergleichung
kommen.

Zwiſchen dem Glacis der Feſtung und den an der
Nordſeite der Stadt liegenden Bergen ſiehet man viele
Gaͤrten und Landhaͤuſer, die aber nichts Merkwuͤrdi-
ges haben. Doch verdienet darunter der koͤnigliche
Garten geſehen zu werden, der mit dem darin ſtehen-
den Hauſe dem Jntendant de la Marine uͤberlaſſen

iſt.
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[154/0174] Tagebuch von einer nach Nizza ſchlagen, obgleich ein angeſehener hieſiger Kaufmann, an den ich empfohlen war, ſich alle moͤgliche Muͤhe gab, mir ſie zu verſchaffen. Der Handlung halber bedeutet der hieſige Hafen nicht viel. Jch habe die hier liegenden zur Handlung ausgeruͤſteten Schiffe zwar nicht gezaͤhlt; aber nach ei- ner ohngefaͤhren Schaͤtzung moͤgen es kaum 50 gewe- ſen ſeyn. Sie fuͤhren fuͤrnehmlich Wein, ſchlechtes Baumoͤl, Seife, die hier in erſtaunlicher Menge ge- macht wird, Capern, Honig, Feigen, Roſinen und die aus Hieres hieher geſchafften Citronen und Oran- gen aus. Mitten in der Reihe Haͤuſer, die laͤngſt des Ha- fens gebaut ſind, befindet ſich das Rathhaus, oder Hotel de Ville, ein ſchmales und ganz ſchlechtweg ge- bautes Haus. Die Einwohner bewundern an dem Eingange deſſelben zwey Termen, die den Balcon tra- gen; eine Arbeit des beruͤhmten Puget. Sie ſind in der That richtig gezeichnet und ſchoͤn gearbeitet; aber die Erfindung iſt ſchlecht. Die Koͤpfe ſind ohne Ausdruck, und die Action ganz gleichguͤltig. Sie gleichen eher gut gezeichneten akademiſchen Figuren, als Bildern, die etwas vorſtellen ſollen. Sie koͤn- nen mit aͤhnlichen Figuren von Sluͤtern an dem koͤ- niglichen Schloſſe in Berlin kaum in Vergleichung kommen. Zwiſchen dem Glacis der Feſtung und den an der Nordſeite der Stadt liegenden Bergen ſiehet man viele Gaͤrten und Landhaͤuſer, die aber nichts Merkwuͤrdi- ges haben. Doch verdienet darunter der koͤnigliche Garten geſehen zu werden, der mit dem darin ſtehen- den Hauſe dem Jntendant de la Marine uͤberlaſſen iſt.

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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/174>, abgerufen am 21.11.2024.