schlagen, obgleich ein angesehener hiesiger Kaufmann, an den ich empfohlen war, sich alle mögliche Mühe gab, mir sie zu verschaffen.
Der Handlung halber bedeutet der hiesige Hafen nicht viel. Jch habe die hier liegenden zur Handlung ausgerüsteten Schiffe zwar nicht gezählt; aber nach ei- ner ohngefähren Schätzung mögen es kaum 50 gewe- sen seyn. Sie führen fürnehmlich Wein, schlechtes Baumöl, Seife, die hier in erstaunlicher Menge ge- macht wird, Capern, Honig, Feigen, Rosinen und die aus Hieres hieher geschafften Citronen und Oran- gen aus.
Mitten in der Reihe Häuser, die längst des Ha- fens gebaut sind, befindet sich das Rathhaus, oder Hotel de Ville, ein schmales und ganz schlechtweg ge- bautes Haus. Die Einwohner bewundern an dem Eingange desselben zwey Termen, die den Balcon tra- gen; eine Arbeit des berühmten Puget. Sie sind in der That richtig gezeichnet und schön gearbeitet; aber die Erfindung ist schlecht. Die Köpfe sind ohne Ausdruck, und die Action ganz gleichgültig. Sie gleichen eher gut gezeichneten akademischen Figuren, als Bildern, die etwas vorstellen sollen. Sie kön- nen mit ähnlichen Figuren von Slütern an dem kö- niglichen Schlosse in Berlin kaum in Vergleichung kommen.
Zwischen dem Glacis der Festung und den an der Nordseite der Stadt liegenden Bergen siehet man viele Gärten und Landhäuser, die aber nichts Merkwürdi- ges haben. Doch verdienet darunter der königliche Garten gesehen zu werden, der mit dem darin stehen- den Hause dem Jntendant de la Marine überlassen
ist.
Tagebuch von einer nach Nizza
ſchlagen, obgleich ein angeſehener hieſiger Kaufmann, an den ich empfohlen war, ſich alle moͤgliche Muͤhe gab, mir ſie zu verſchaffen.
Der Handlung halber bedeutet der hieſige Hafen nicht viel. Jch habe die hier liegenden zur Handlung ausgeruͤſteten Schiffe zwar nicht gezaͤhlt; aber nach ei- ner ohngefaͤhren Schaͤtzung moͤgen es kaum 50 gewe- ſen ſeyn. Sie fuͤhren fuͤrnehmlich Wein, ſchlechtes Baumoͤl, Seife, die hier in erſtaunlicher Menge ge- macht wird, Capern, Honig, Feigen, Roſinen und die aus Hieres hieher geſchafften Citronen und Oran- gen aus.
Mitten in der Reihe Haͤuſer, die laͤngſt des Ha- fens gebaut ſind, befindet ſich das Rathhaus, oder Hotel de Ville, ein ſchmales und ganz ſchlechtweg ge- bautes Haus. Die Einwohner bewundern an dem Eingange deſſelben zwey Termen, die den Balcon tra- gen; eine Arbeit des beruͤhmten Puget. Sie ſind in der That richtig gezeichnet und ſchoͤn gearbeitet; aber die Erfindung iſt ſchlecht. Die Koͤpfe ſind ohne Ausdruck, und die Action ganz gleichguͤltig. Sie gleichen eher gut gezeichneten akademiſchen Figuren, als Bildern, die etwas vorſtellen ſollen. Sie koͤn- nen mit aͤhnlichen Figuren von Sluͤtern an dem koͤ- niglichen Schloſſe in Berlin kaum in Vergleichung kommen.
Zwiſchen dem Glacis der Feſtung und den an der Nordſeite der Stadt liegenden Bergen ſiehet man viele Gaͤrten und Landhaͤuſer, die aber nichts Merkwuͤrdi- ges haben. Doch verdienet darunter der koͤnigliche Garten geſehen zu werden, der mit dem darin ſtehen- den Hauſe dem Jntendant de la Marine uͤberlaſſen
iſt.
<TEI><text><body><divn="1"><divtype="diaryEntry"n="2"><p><pbfacs="#f0174"n="154"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Tagebuch von einer nach Nizza</hi></fw><lb/>ſchlagen, obgleich ein angeſehener hieſiger Kaufmann,<lb/>
an den ich empfohlen war, ſich alle moͤgliche Muͤhe<lb/>
gab, mir ſie zu verſchaffen.</p><lb/><p>Der Handlung halber bedeutet der hieſige Hafen<lb/>
nicht viel. Jch habe die hier liegenden zur Handlung<lb/>
ausgeruͤſteten Schiffe zwar nicht gezaͤhlt; aber nach ei-<lb/>
ner ohngefaͤhren Schaͤtzung moͤgen es kaum 50 gewe-<lb/>ſen ſeyn. Sie fuͤhren fuͤrnehmlich Wein, ſchlechtes<lb/>
Baumoͤl, Seife, die hier in erſtaunlicher Menge ge-<lb/>
macht wird, Capern, Honig, Feigen, Roſinen und<lb/>
die aus <hirendition="#fr">Hieres</hi> hieher geſchafften Citronen und Oran-<lb/>
gen aus.</p><lb/><p>Mitten in der Reihe Haͤuſer, die laͤngſt des Ha-<lb/>
fens gebaut ſind, befindet ſich das Rathhaus, oder<lb/>
Hotel de Ville, ein ſchmales und ganz ſchlechtweg ge-<lb/>
bautes Haus. Die Einwohner bewundern an dem<lb/>
Eingange deſſelben zwey Termen, die den Balcon tra-<lb/>
gen; eine Arbeit des beruͤhmten <hirendition="#fr">Puget.</hi> Sie ſind<lb/>
in der That richtig gezeichnet und ſchoͤn gearbeitet;<lb/>
aber die Erfindung iſt ſchlecht. Die Koͤpfe ſind ohne<lb/>
Ausdruck, und die Action ganz gleichguͤltig. Sie<lb/>
gleichen eher gut gezeichneten akademiſchen Figuren,<lb/>
als Bildern, die etwas vorſtellen ſollen. Sie koͤn-<lb/>
nen mit aͤhnlichen Figuren von <hirendition="#fr">Sluͤtern</hi> an dem koͤ-<lb/>
niglichen Schloſſe in <hirendition="#fr">Berlin</hi> kaum in Vergleichung<lb/>
kommen.</p><lb/><p>Zwiſchen dem Glacis der Feſtung und den an der<lb/>
Nordſeite der Stadt liegenden Bergen ſiehet man viele<lb/>
Gaͤrten und Landhaͤuſer, die aber nichts Merkwuͤrdi-<lb/>
ges haben. Doch verdienet darunter der koͤnigliche<lb/>
Garten geſehen zu werden, der mit dem darin ſtehen-<lb/>
den Hauſe dem <hirendition="#fr">Jntendant de la Marine</hi> uͤberlaſſen<lb/><fwplace="bottom"type="catch">iſt.</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[154/0174]
Tagebuch von einer nach Nizza
ſchlagen, obgleich ein angeſehener hieſiger Kaufmann,
an den ich empfohlen war, ſich alle moͤgliche Muͤhe
gab, mir ſie zu verſchaffen.
Der Handlung halber bedeutet der hieſige Hafen
nicht viel. Jch habe die hier liegenden zur Handlung
ausgeruͤſteten Schiffe zwar nicht gezaͤhlt; aber nach ei-
ner ohngefaͤhren Schaͤtzung moͤgen es kaum 50 gewe-
ſen ſeyn. Sie fuͤhren fuͤrnehmlich Wein, ſchlechtes
Baumoͤl, Seife, die hier in erſtaunlicher Menge ge-
macht wird, Capern, Honig, Feigen, Roſinen und
die aus Hieres hieher geſchafften Citronen und Oran-
gen aus.
Mitten in der Reihe Haͤuſer, die laͤngſt des Ha-
fens gebaut ſind, befindet ſich das Rathhaus, oder
Hotel de Ville, ein ſchmales und ganz ſchlechtweg ge-
bautes Haus. Die Einwohner bewundern an dem
Eingange deſſelben zwey Termen, die den Balcon tra-
gen; eine Arbeit des beruͤhmten Puget. Sie ſind
in der That richtig gezeichnet und ſchoͤn gearbeitet;
aber die Erfindung iſt ſchlecht. Die Koͤpfe ſind ohne
Ausdruck, und die Action ganz gleichguͤltig. Sie
gleichen eher gut gezeichneten akademiſchen Figuren,
als Bildern, die etwas vorſtellen ſollen. Sie koͤn-
nen mit aͤhnlichen Figuren von Sluͤtern an dem koͤ-
niglichen Schloſſe in Berlin kaum in Vergleichung
kommen.
Zwiſchen dem Glacis der Feſtung und den an der
Nordſeite der Stadt liegenden Bergen ſiehet man viele
Gaͤrten und Landhaͤuſer, die aber nichts Merkwuͤrdi-
ges haben. Doch verdienet darunter der koͤnigliche
Garten geſehen zu werden, der mit dem darin ſtehen-
den Hauſe dem Jntendant de la Marine uͤberlaſſen
iſt.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/174>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.