Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780.gethanen Reise. Nahe bey dem andern Orte ändert sich der Anbau wie-der; denn um diese Gegend gleichet das Feld mehr ei- nem Walde als einem Ackerlande. Die Olivenbäu- me stehen da so dicht, und sind dabey so groß, daß die Sonne schwerlich auf den Boden scheinen kann. Wirklich würde man das Land für einen großen Oli- venwald halten, wenn nicht der Boden unter den Bäumen bearbeitet und mit Waizen besät wäre. Die Straße geht durch diesen Wald. Schönere Oliven- bäume als hier habe ich in der Provence nirgends gesehen, und ich würde sie für die größten gehalten ha- ben, wenn ich nicht nachher um Menton im Fürsten- thum Monaco noch weit größere gesehen hätte. Auf den Abend spät, da die Nacht schon eingetreten war, kam ich nach Vidauban. Den 26 November. Reise von Vidauban nach Cannes. Weil die heutige Tagereise ziemlich stark seyn soll- längst L
gethanen Reiſe. Nahe bey dem andern Orte aͤndert ſich der Anbau wie-der; denn um dieſe Gegend gleichet das Feld mehr ei- nem Walde als einem Ackerlande. Die Olivenbaͤu- me ſtehen da ſo dicht, und ſind dabey ſo groß, daß die Sonne ſchwerlich auf den Boden ſcheinen kann. Wirklich wuͤrde man das Land fuͤr einen großen Oli- venwald halten, wenn nicht der Boden unter den Baͤumen bearbeitet und mit Waizen beſaͤt waͤre. Die Straße geht durch dieſen Wald. Schoͤnere Oliven- baͤume als hier habe ich in der Provence nirgends geſehen, und ich wuͤrde ſie fuͤr die groͤßten gehalten ha- ben, wenn ich nicht nachher um Menton im Fuͤrſten- thum Monaco noch weit groͤßere geſehen haͤtte. Auf den Abend ſpaͤt, da die Nacht ſchon eingetreten war, kam ich nach Vidauban. Den 26 November. Reiſe von Vidauban nach Cannes. Weil die heutige Tagereiſe ziemlich ſtark ſeyn ſoll- laͤngſt L
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gethanen Reiſe.
Nahe bey dem andern Orte aͤndert ſich der Anbau wie-
der; denn um dieſe Gegend gleichet das Feld mehr ei-
nem Walde als einem Ackerlande. Die Olivenbaͤu-
me ſtehen da ſo dicht, und ſind dabey ſo groß, daß
die Sonne ſchwerlich auf den Boden ſcheinen kann.
Wirklich wuͤrde man das Land fuͤr einen großen Oli-
venwald halten, wenn nicht der Boden unter den
Baͤumen bearbeitet und mit Waizen beſaͤt waͤre. Die
Straße geht durch dieſen Wald. Schoͤnere Oliven-
baͤume als hier habe ich in der Provence nirgends
geſehen, und ich wuͤrde ſie fuͤr die groͤßten gehalten ha-
ben, wenn ich nicht nachher um Menton im Fuͤrſten-
thum Monaco noch weit groͤßere geſehen haͤtte. Auf
den Abend ſpaͤt, da die Nacht ſchon eingetreten war,
kam ich nach Vidauban.
Den 26 November. Reiſe von Vidauban nach
Cannes.
Weil die heutige Tagereiſe ziemlich ſtark ſeyn ſoll-
te, ſo reiſete ich vor Tage aus. Nicht weit von Vi-
dauban faͤhrt man durch einen hohlen Weg in die
Hoͤhe, und kommt auf ein hohes und viel weiteres Ge-
laͤnde, als das bisherige war. Es erſtreckt ſich vom
Meer an zwiſchen zwey Reihen Bergen nordweſt-
waͤrts in das Land hinein, und iſt groͤßtentheils rauh.
Man kommt bald darauf uͤber den kleinen Fluß Ar-
gens, uͤber den eine gute ſteinerne Bruͤcke geht.
Nachher wird das Land noch hoͤher, felſig und ganz
unfruchtbar. Doch nach einer Viertelſtunde kommt
man wieder in etwas tieferes und fruchtbares Land.
Die Wein- und Kornfelder ſtehen hier bloß, ohne
Baͤume. Einige wenige Maulbeerbaͤume ſtehen
laͤngſt
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