Haus mit etwas Acker und Bäumen umgeben, wel- ches gegen die sonst meist kahle felsige Küste sehr an- genehm absticht.
Wir hatten auf diesem Wege ein artiges Schau- spiel vor uns, das uns lange in Ungewißheit ließ, was wir daraus machen sollten. Die See war ganz glatt; in einer ziemlichen Entfernung von der Küste sah man von Zeit zu Zeit plötzlich einen hellen Schein, als wenn von einem Spiegel die volle Sonne ins Auge blitzte. Dieser blitzende Schein entstund und vergieng plötzlich, und immer an andern Stellen. Durch ein Fernglas entdeckte ich endlich, daß dieses Blitzen von spielenden Delphinen herkam.
Eine kleine Stunde vorher, ehe man nach Menton kommt, fängt die hohe Küste an etwas niedriger zu werden; die kahlen Berge entfernen sich etwas von dem Meer, und lassen da ein kleines Gelände, das einen unebenen, aber sehr fruchtbaren Boden hat. Man fährt durch einen Wald von Olivenbäumen, die er- staunlich groß sind; gar viele davon sind unten am Stamm sechs Fuß dick und darüber; inwendig aber sind die meisten hohl. Sie müssen von sehr hohem Alter seyn, denn dieser Baum wächst sehr langsam. Gleich neben dem Wege sieht man da ein Gemäuer, das ohne Zweifel ein Ueberbleibsel eines alten, von den römischen Colonisten hier aufgeführten Gebäudes ist. Man trifft hier auch etwas gutes Ackerland an, das reichlich mit Maulbeerbäumen besetzt ist. Näher gegen die Stadt kommt man ganz in die Ebene, und auf eine schöne breite Straße, die zu beyden Seiten mit einigen Reihen schöner und großer Maulbeerbäu- me besetzt ist. Endlich kommt man zwischen vielen
Gär-
Tagebuch von einer nach Nizza
Haus mit etwas Acker und Baͤumen umgeben, wel- ches gegen die ſonſt meiſt kahle felſige Kuͤſte ſehr an- genehm abſticht.
Wir hatten auf dieſem Wege ein artiges Schau- ſpiel vor uns, das uns lange in Ungewißheit ließ, was wir daraus machen ſollten. Die See war ganz glatt; in einer ziemlichen Entfernung von der Kuͤſte ſah man von Zeit zu Zeit ploͤtzlich einen hellen Schein, als wenn von einem Spiegel die volle Sonne ins Auge blitzte. Dieſer blitzende Schein entſtund und vergieng ploͤtzlich, und immer an andern Stellen. Durch ein Fernglas entdeckte ich endlich, daß dieſes Blitzen von ſpielenden Delphinen herkam.
Eine kleine Stunde vorher, ehe man nach Menton kommt, faͤngt die hohe Kuͤſte an etwas niedriger zu werden; die kahlen Berge entfernen ſich etwas von dem Meer, und laſſen da ein kleines Gelaͤnde, das einen unebenen, aber ſehr fruchtbaren Boden hat. Man faͤhrt durch einen Wald von Olivenbaͤumen, die er- ſtaunlich groß ſind; gar viele davon ſind unten am Stamm ſechs Fuß dick und daruͤber; inwendig aber ſind die meiſten hohl. Sie muͤſſen von ſehr hohem Alter ſeyn, denn dieſer Baum waͤchſt ſehr langſam. Gleich neben dem Wege ſieht man da ein Gemaͤuer, das ohne Zweifel ein Ueberbleibſel eines alten, von den roͤmiſchen Coloniſten hier aufgefuͤhrten Gebaͤudes iſt. Man trifft hier auch etwas gutes Ackerland an, das reichlich mit Maulbeerbaͤumen beſetzt iſt. Naͤher gegen die Stadt kommt man ganz in die Ebene, und auf eine ſchoͤne breite Straße, die zu beyden Seiten mit einigen Reihen ſchoͤner und großer Maulbeerbaͤu- me beſetzt iſt. Endlich kommt man zwiſchen vielen
Gaͤr-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0260"n="240"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Tagebuch von einer nach Nizza</hi></fw><lb/>
Haus mit etwas Acker und Baͤumen umgeben, wel-<lb/>
ches gegen die ſonſt meiſt kahle felſige Kuͤſte ſehr an-<lb/>
genehm abſticht.</p><lb/><p>Wir hatten auf dieſem Wege ein artiges Schau-<lb/>ſpiel vor uns, das uns lange in Ungewißheit ließ,<lb/>
was wir daraus machen ſollten. Die See war ganz<lb/>
glatt; in einer ziemlichen Entfernung von der Kuͤſte<lb/>ſah man von Zeit zu Zeit ploͤtzlich einen hellen Schein,<lb/>
als wenn von einem Spiegel die volle Sonne ins Auge<lb/>
blitzte. Dieſer blitzende Schein entſtund und vergieng<lb/>
ploͤtzlich, und immer an andern Stellen. Durch ein<lb/>
Fernglas entdeckte ich endlich, daß dieſes Blitzen von<lb/>ſpielenden Delphinen herkam.</p><lb/><p>Eine kleine Stunde vorher, ehe man nach <hirendition="#fr">Menton</hi><lb/>
kommt, faͤngt die hohe Kuͤſte an etwas niedriger zu<lb/>
werden; die kahlen Berge entfernen ſich etwas von<lb/>
dem Meer, und laſſen da ein kleines Gelaͤnde, das<lb/>
einen unebenen, aber ſehr fruchtbaren Boden hat. Man<lb/>
faͤhrt durch einen Wald von Olivenbaͤumen, die er-<lb/>ſtaunlich groß ſind; gar viele davon ſind unten am<lb/>
Stamm ſechs Fuß dick und daruͤber; inwendig aber<lb/>ſind die meiſten hohl. Sie muͤſſen von ſehr hohem<lb/>
Alter ſeyn, denn dieſer Baum waͤchſt ſehr langſam.<lb/>
Gleich neben dem Wege ſieht man da ein Gemaͤuer,<lb/>
das ohne Zweifel ein Ueberbleibſel eines alten, von<lb/>
den roͤmiſchen Coloniſten hier aufgefuͤhrten Gebaͤudes<lb/>
iſt. Man trifft hier auch etwas gutes Ackerland an,<lb/>
das reichlich mit Maulbeerbaͤumen beſetzt iſt. Naͤher<lb/>
gegen die Stadt kommt man ganz in die Ebene, und<lb/>
auf eine ſchoͤne breite Straße, die zu beyden Seiten<lb/>
mit einigen Reihen ſchoͤner und großer Maulbeerbaͤu-<lb/>
me beſetzt iſt. Endlich kommt man zwiſchen vielen<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Gaͤr-</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[240/0260]
Tagebuch von einer nach Nizza
Haus mit etwas Acker und Baͤumen umgeben, wel-
ches gegen die ſonſt meiſt kahle felſige Kuͤſte ſehr an-
genehm abſticht.
Wir hatten auf dieſem Wege ein artiges Schau-
ſpiel vor uns, das uns lange in Ungewißheit ließ,
was wir daraus machen ſollten. Die See war ganz
glatt; in einer ziemlichen Entfernung von der Kuͤſte
ſah man von Zeit zu Zeit ploͤtzlich einen hellen Schein,
als wenn von einem Spiegel die volle Sonne ins Auge
blitzte. Dieſer blitzende Schein entſtund und vergieng
ploͤtzlich, und immer an andern Stellen. Durch ein
Fernglas entdeckte ich endlich, daß dieſes Blitzen von
ſpielenden Delphinen herkam.
Eine kleine Stunde vorher, ehe man nach Menton
kommt, faͤngt die hohe Kuͤſte an etwas niedriger zu
werden; die kahlen Berge entfernen ſich etwas von
dem Meer, und laſſen da ein kleines Gelaͤnde, das
einen unebenen, aber ſehr fruchtbaren Boden hat. Man
faͤhrt durch einen Wald von Olivenbaͤumen, die er-
ſtaunlich groß ſind; gar viele davon ſind unten am
Stamm ſechs Fuß dick und daruͤber; inwendig aber
ſind die meiſten hohl. Sie muͤſſen von ſehr hohem
Alter ſeyn, denn dieſer Baum waͤchſt ſehr langſam.
Gleich neben dem Wege ſieht man da ein Gemaͤuer,
das ohne Zweifel ein Ueberbleibſel eines alten, von
den roͤmiſchen Coloniſten hier aufgefuͤhrten Gebaͤudes
iſt. Man trifft hier auch etwas gutes Ackerland an,
das reichlich mit Maulbeerbaͤumen beſetzt iſt. Naͤher
gegen die Stadt kommt man ganz in die Ebene, und
auf eine ſchoͤne breite Straße, die zu beyden Seiten
mit einigen Reihen ſchoͤner und großer Maulbeerbaͤu-
me beſetzt iſt. Endlich kommt man zwiſchen vielen
Gaͤr-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/260>, abgerufen am 28.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.