Die Berge, zwischen denen man durchkommt, sind, wie alle andre dieses Landes, meist kahle Felsen von Kalk- und Gipssteinen. Vom untersten Fuß an, bis auf den sechsten, vierten, auch wohl den dritten Theil der Höhe sind sie in Terrassen abgetheilet; die schmalen, mit trockenen Mauren unterstützten Terras- sen sind überall mit Olivenbäumen besetzt; das Land darunter wird mit Korn besäet. Ohne diese mit er- staunlicher Arbeit getroffene Anstalten, würde das ganze Land eine Wüste seyn. Was die Ansicht dieser Berge noch trauriger macht, ist die fast gänzliche Dürre derselben. Ueberaus selten sieht man hier Wasserquellen, oder herabfallende Bäche, die sonst solchen gebürgigen Wildnissen ein Leben mittheilen.
Auf halbem Wege nach Scarena kommt man durch den Flecken Drappo, der dem bischöflichen Sitz von Nizza gehöret, und dem Bischof den Titel eines Grafen von Drappo giebt. Die letzte halbe Stunde dieses Weges steiget man längst dem Fuße eines Ber- ges etwas in die Höhe. Der ganze Fuß des Berges ist rechts und links des Weges mit einem Walde von Olivenbäumen bepflanzet.
Scarena ist ein ziemlich großer Flecken auf ei-Scarena. ner mäßigen, mitten in einem engen und sehr einsamen Thal liegenden Anhöhe. Dieses ist eines von den we- nigen kleinen Thälern, die zwischen den Gebürgen die- ses Landes liegen. Es ist einige hundert Schritte breit, und man siehet von Scarena aus eine gute halbe Stunde weit in dasselbe hinein. Es besteht meistens aus schönen Wiesen, und die Terrassen an den daran stoßenden Bergen schienen mit fetter Saat bekleidet. Man siehet aber durch das ganze Thal
hin-
R 4
Tagebuch von der Ruͤckreiſe nach ꝛc.
Die Berge, zwiſchen denen man durchkommt, ſind, wie alle andre dieſes Landes, meiſt kahle Felſen von Kalk- und Gipsſteinen. Vom unterſten Fuß an, bis auf den ſechsten, vierten, auch wohl den dritten Theil der Hoͤhe ſind ſie in Terraſſen abgetheilet; die ſchmalen, mit trockenen Mauren unterſtuͤtzten Terraſ- ſen ſind uͤberall mit Olivenbaͤumen beſetzt; das Land darunter wird mit Korn beſaͤet. Ohne dieſe mit er- ſtaunlicher Arbeit getroffene Anſtalten, wuͤrde das ganze Land eine Wuͤſte ſeyn. Was die Anſicht dieſer Berge noch trauriger macht, iſt die faſt gaͤnzliche Duͤrre derſelben. Ueberaus ſelten ſieht man hier Waſſerquellen, oder herabfallende Baͤche, die ſonſt ſolchen gebuͤrgigen Wildniſſen ein Leben mittheilen.
Auf halbem Wege nach Scarena kommt man durch den Flecken Drappo, der dem biſchoͤflichen Sitz von Nizza gehoͤret, und dem Biſchof den Titel eines Grafen von Drappo giebt. Die letzte halbe Stunde dieſes Weges ſteiget man laͤngſt dem Fuße eines Ber- ges etwas in die Hoͤhe. Der ganze Fuß des Berges iſt rechts und links des Weges mit einem Walde von Olivenbaͤumen bepflanzet.
Scarena iſt ein ziemlich großer Flecken auf ei-Scarena. ner maͤßigen, mitten in einem engen und ſehr einſamen Thal liegenden Anhoͤhe. Dieſes iſt eines von den we- nigen kleinen Thaͤlern, die zwiſchen den Gebuͤrgen die- ſes Landes liegen. Es iſt einige hundert Schritte breit, und man ſiehet von Scarena aus eine gute halbe Stunde weit in daſſelbe hinein. Es beſteht meiſtens aus ſchoͤnen Wieſen, und die Terraſſen an den daran ſtoßenden Bergen ſchienen mit fetter Saat bekleidet. Man ſiehet aber durch das ganze Thal
hin-
R 4
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0283"n="263"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Tagebuch von der Ruͤckreiſe nach ꝛc.</hi></fw><lb/><p>Die Berge, zwiſchen denen man durchkommt,<lb/>ſind, wie alle andre dieſes Landes, meiſt kahle Felſen<lb/>
von Kalk- und Gipsſteinen. Vom unterſten Fuß an,<lb/>
bis auf den ſechsten, vierten, auch wohl den dritten<lb/>
Theil der Hoͤhe ſind ſie in Terraſſen abgetheilet; die<lb/>ſchmalen, mit trockenen Mauren unterſtuͤtzten Terraſ-<lb/>ſen ſind uͤberall mit Olivenbaͤumen beſetzt; das Land<lb/>
darunter wird mit Korn beſaͤet. Ohne dieſe mit er-<lb/>ſtaunlicher Arbeit getroffene Anſtalten, wuͤrde das<lb/>
ganze Land eine Wuͤſte ſeyn. Was die Anſicht dieſer<lb/>
Berge noch trauriger macht, iſt die faſt gaͤnzliche<lb/>
Duͤrre derſelben. Ueberaus ſelten ſieht man hier<lb/>
Waſſerquellen, oder herabfallende Baͤche, die ſonſt<lb/>ſolchen gebuͤrgigen Wildniſſen ein Leben mittheilen.</p><lb/><p>Auf halbem Wege nach <hirendition="#fr">Scarena</hi> kommt man<lb/>
durch den Flecken <hirendition="#fr">Drappo,</hi> der dem biſchoͤflichen Sitz<lb/>
von <hirendition="#fr">Nizza</hi> gehoͤret, und dem Biſchof den Titel eines<lb/>
Grafen von <hirendition="#fr">Drappo</hi> giebt. Die letzte halbe Stunde<lb/>
dieſes Weges ſteiget man laͤngſt dem Fuße eines Ber-<lb/>
ges etwas in die Hoͤhe. Der ganze Fuß des Berges<lb/>
iſt rechts und links des Weges mit einem Walde von<lb/>
Olivenbaͤumen bepflanzet.</p><lb/><p><hirendition="#fr">Scarena</hi> iſt ein ziemlich großer Flecken auf ei-<noteplace="right">Scarena.</note><lb/>
ner maͤßigen, mitten in einem engen und ſehr einſamen<lb/>
Thal liegenden Anhoͤhe. Dieſes iſt eines von den we-<lb/>
nigen kleinen Thaͤlern, die zwiſchen den Gebuͤrgen die-<lb/>ſes Landes liegen. Es iſt einige hundert Schritte<lb/>
breit, und man ſiehet von <hirendition="#fr">Scarena</hi> aus eine gute<lb/>
halbe Stunde weit in daſſelbe hinein. Es beſteht<lb/>
meiſtens aus ſchoͤnen Wieſen, und die Terraſſen an<lb/>
den daran ſtoßenden Bergen ſchienen mit fetter Saat<lb/>
bekleidet. Man ſiehet aber durch das ganze Thal<lb/><fwplace="bottom"type="sig">R 4</fw><fwplace="bottom"type="catch">hin-</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[263/0283]
Tagebuch von der Ruͤckreiſe nach ꝛc.
Die Berge, zwiſchen denen man durchkommt,
ſind, wie alle andre dieſes Landes, meiſt kahle Felſen
von Kalk- und Gipsſteinen. Vom unterſten Fuß an,
bis auf den ſechsten, vierten, auch wohl den dritten
Theil der Hoͤhe ſind ſie in Terraſſen abgetheilet; die
ſchmalen, mit trockenen Mauren unterſtuͤtzten Terraſ-
ſen ſind uͤberall mit Olivenbaͤumen beſetzt; das Land
darunter wird mit Korn beſaͤet. Ohne dieſe mit er-
ſtaunlicher Arbeit getroffene Anſtalten, wuͤrde das
ganze Land eine Wuͤſte ſeyn. Was die Anſicht dieſer
Berge noch trauriger macht, iſt die faſt gaͤnzliche
Duͤrre derſelben. Ueberaus ſelten ſieht man hier
Waſſerquellen, oder herabfallende Baͤche, die ſonſt
ſolchen gebuͤrgigen Wildniſſen ein Leben mittheilen.
Auf halbem Wege nach Scarena kommt man
durch den Flecken Drappo, der dem biſchoͤflichen Sitz
von Nizza gehoͤret, und dem Biſchof den Titel eines
Grafen von Drappo giebt. Die letzte halbe Stunde
dieſes Weges ſteiget man laͤngſt dem Fuße eines Ber-
ges etwas in die Hoͤhe. Der ganze Fuß des Berges
iſt rechts und links des Weges mit einem Walde von
Olivenbaͤumen bepflanzet.
Scarena iſt ein ziemlich großer Flecken auf ei-
ner maͤßigen, mitten in einem engen und ſehr einſamen
Thal liegenden Anhoͤhe. Dieſes iſt eines von den we-
nigen kleinen Thaͤlern, die zwiſchen den Gebuͤrgen die-
ſes Landes liegen. Es iſt einige hundert Schritte
breit, und man ſiehet von Scarena aus eine gute
halbe Stunde weit in daſſelbe hinein. Es beſteht
meiſtens aus ſchoͤnen Wieſen, und die Terraſſen an
den daran ſtoßenden Bergen ſchienen mit fetter Saat
bekleidet. Man ſiehet aber durch das ganze Thal
hin-
Scarena.
R 4
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/283>, abgerufen am 26.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.