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Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780.

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Tagebuch von der Rückreise
wunden, und sind dadurch für allen Schaden, den
das Vieh daran thun könnte, gesichert. Dieses ge-
schieht mit der Sorgfalt und Artigkeit, wie an eini-
gen Orten die gläsernen Flaschen mit Stroh umwun-
den werden. Nichts siehet artiger aus, als eine Rei-
he frisch geköpfter Weiden, wie man sie auf dieser
Straße antrifft. Sie werden alle vollkommen gleich-
hoch abgeschnitten; alle Schnitte der Aeste sind hori-
zontal, und, wie es scheint, mit scharfen Messern
glatt gemacht. Man glaubt von weitem Reihen von
freystehenden Säulen mit ihren Capitälen zu sehen;
denn alle sind auch gleichdicke. Und die Bäume, die
nach dem Köpfen die ersten Zweige treiben, haben von
weitem das Ansehen der Palmbäume. Man muß
aber dieses gesehen haben, um zu begreifen, was für
große Annehmlichkeit solche Bäume dem Lande geben.
Man kann in der That sagen, daß hier das Land mit
der Zierlichkeit aufgeputzt werde, die sonst nur auf
Lustgärten gewendet wird; und man müßte ganz un-
empfindlich seyn, wenn man den Fleiß des Land-
manns, der sich darin zeiget, und die glückliche Wir-
kung desselben, ohne inniges Vergnügen sehen könnte.
Was für ein erstaunlicher Abstand von einem solchen
Volke auf andere, deren Ländereyen so vernachläßiget,
ich möchte bald sagen, so schmuzig aussehen, als die
ekelhaften Hütten, die sie bewohnen! Jch habe hier
auch bemerkt, daß der Landmann keine ganz jungen
Bäume setzet; er läßt sie in der Baumschule so stark
werden, daß sie ohngefähr die Dicke einer Faust ha-
ben, ehe er sie verpflanzet.

Aecker und Wiesen sind durchaus mit dem schön-
sten Getraide und Gras so dicht bewachsen, daß man

einen

Tagebuch von der Ruͤckreiſe
wunden, und ſind dadurch fuͤr allen Schaden, den
das Vieh daran thun koͤnnte, geſichert. Dieſes ge-
ſchieht mit der Sorgfalt und Artigkeit, wie an eini-
gen Orten die glaͤſernen Flaſchen mit Stroh umwun-
den werden. Nichts ſiehet artiger aus, als eine Rei-
he friſch gekoͤpfter Weiden, wie man ſie auf dieſer
Straße antrifft. Sie werden alle vollkommen gleich-
hoch abgeſchnitten; alle Schnitte der Aeſte ſind hori-
zontal, und, wie es ſcheint, mit ſcharfen Meſſern
glatt gemacht. Man glaubt von weitem Reihen von
freyſtehenden Saͤulen mit ihren Capitaͤlen zu ſehen;
denn alle ſind auch gleichdicke. Und die Baͤume, die
nach dem Koͤpfen die erſten Zweige treiben, haben von
weitem das Anſehen der Palmbaͤume. Man muß
aber dieſes geſehen haben, um zu begreifen, was fuͤr
große Annehmlichkeit ſolche Baͤume dem Lande geben.
Man kann in der That ſagen, daß hier das Land mit
der Zierlichkeit aufgeputzt werde, die ſonſt nur auf
Luſtgaͤrten gewendet wird; und man muͤßte ganz un-
empfindlich ſeyn, wenn man den Fleiß des Land-
manns, der ſich darin zeiget, und die gluͤckliche Wir-
kung deſſelben, ohne inniges Vergnuͤgen ſehen koͤnnte.
Was fuͤr ein erſtaunlicher Abſtand von einem ſolchen
Volke auf andere, deren Laͤndereyen ſo vernachlaͤßiget,
ich moͤchte bald ſagen, ſo ſchmuzig ausſehen, als die
ekelhaften Huͤtten, die ſie bewohnen! Jch habe hier
auch bemerkt, daß der Landmann keine ganz jungen
Baͤume ſetzet; er laͤßt ſie in der Baumſchule ſo ſtark
werden, daß ſie ohngefaͤhr die Dicke einer Fauſt ha-
ben, ehe er ſie verpflanzet.

Aecker und Wieſen ſind durchaus mit dem ſchoͤn-
ſten Getraide und Gras ſo dicht bewachſen, daß man

einen
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[292/0312] Tagebuch von der Ruͤckreiſe wunden, und ſind dadurch fuͤr allen Schaden, den das Vieh daran thun koͤnnte, geſichert. Dieſes ge- ſchieht mit der Sorgfalt und Artigkeit, wie an eini- gen Orten die glaͤſernen Flaſchen mit Stroh umwun- den werden. Nichts ſiehet artiger aus, als eine Rei- he friſch gekoͤpfter Weiden, wie man ſie auf dieſer Straße antrifft. Sie werden alle vollkommen gleich- hoch abgeſchnitten; alle Schnitte der Aeſte ſind hori- zontal, und, wie es ſcheint, mit ſcharfen Meſſern glatt gemacht. Man glaubt von weitem Reihen von freyſtehenden Saͤulen mit ihren Capitaͤlen zu ſehen; denn alle ſind auch gleichdicke. Und die Baͤume, die nach dem Koͤpfen die erſten Zweige treiben, haben von weitem das Anſehen der Palmbaͤume. Man muß aber dieſes geſehen haben, um zu begreifen, was fuͤr große Annehmlichkeit ſolche Baͤume dem Lande geben. Man kann in der That ſagen, daß hier das Land mit der Zierlichkeit aufgeputzt werde, die ſonſt nur auf Luſtgaͤrten gewendet wird; und man muͤßte ganz un- empfindlich ſeyn, wenn man den Fleiß des Land- manns, der ſich darin zeiget, und die gluͤckliche Wir- kung deſſelben, ohne inniges Vergnuͤgen ſehen koͤnnte. Was fuͤr ein erſtaunlicher Abſtand von einem ſolchen Volke auf andere, deren Laͤndereyen ſo vernachlaͤßiget, ich moͤchte bald ſagen, ſo ſchmuzig ausſehen, als die ekelhaften Huͤtten, die ſie bewohnen! Jch habe hier auch bemerkt, daß der Landmann keine ganz jungen Baͤume ſetzet; er laͤßt ſie in der Baumſchule ſo ſtark werden, daß ſie ohngefaͤhr die Dicke einer Fauſt ha- ben, ehe er ſie verpflanzet. Aecker und Wieſen ſind durchaus mit dem ſchoͤn- ſten Getraide und Gras ſo dicht bewachſen, daß man einen

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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780, S. 292. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/312>, abgerufen am 24.11.2024.