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Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780.

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von Nizza nach Deutschland.
einen hohen Begriff von der Fruchtbarkeit des Landes
bekommt. Jeder Acker wird hier in demselben Jah-
re auf mehrere Arten genützt. Er trägt Getraide
oder Hanf, zugleich Wein, und Maulbeerbäume zur
Gewinnung der Seide, und Holz zur Feuerung. Denn
hier wird der Weinbau so getrieben, daß er dem Korn-
bau des Ackers keinen Abbruch thut.

Die Weinreben werden in schnurgeraden Reihen,
die 16, 20 bis 30 Fuß weit von einander stehen,
gepflanzet. Man läßt sie etwa auf 3 bis 4 Fuß hoch
einen dicken Stamm treiben, der sich selbst zu tragen
vermögend ist. Die jährlichen Ranken, an denen die
Trauben wachsen, werden in der Höhe von 5 bis 6
Fuß über dem Boden wie Festone gegen einander ge-
zogen, und so befestigt. Dadurch benehmen sie dem
Getraide weder die Luft noch den Sonnenschein, we-
der Thau noch Regen; und das Land bedarf des Wein-
baus halber keiner besondern Bearbeitung. Denn
indem der Acker gedüngt und gepflüget wird, wird
eben dadurch auch der Weinstock gepflegt. Auf diese
Weise sieht man auf einem Grunde gleichsam zwey
Felder übereinander, das untere für Getraide, das
obere in der Luft schwebende für Wein.

Man siehet überall in Piemont großes und schö-
nes Rindvieh, und nur selten trifft man einen mit
Pferden bespannten Bauerwagen an. Alle Dörfer,
die ich gesehen habe, und alle einzelne Bauerhäuser
sind groß und völlig massiv gebaut. Die Häuser ha-
ben große Höfe, die mit Wirthschaftsgebäuden umge-
ben sind. Die Scheunen sind gegen den Hof offene,
mit hohen auf gemauerten Pfeilern ruhenden Dächern

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von Nizza nach Deutſchland.
einen hohen Begriff von der Fruchtbarkeit des Landes
bekommt. Jeder Acker wird hier in demſelben Jah-
re auf mehrere Arten genuͤtzt. Er traͤgt Getraide
oder Hanf, zugleich Wein, und Maulbeerbaͤume zur
Gewinnung der Seide, und Holz zur Feuerung. Denn
hier wird der Weinbau ſo getrieben, daß er dem Korn-
bau des Ackers keinen Abbruch thut.

Die Weinreben werden in ſchnurgeraden Reihen,
die 16, 20 bis 30 Fuß weit von einander ſtehen,
gepflanzet. Man laͤßt ſie etwa auf 3 bis 4 Fuß hoch
einen dicken Stamm treiben, der ſich ſelbſt zu tragen
vermoͤgend iſt. Die jaͤhrlichen Ranken, an denen die
Trauben wachſen, werden in der Hoͤhe von 5 bis 6
Fuß uͤber dem Boden wie Feſtone gegen einander ge-
zogen, und ſo befeſtigt. Dadurch benehmen ſie dem
Getraide weder die Luft noch den Sonnenſchein, we-
der Thau noch Regen; und das Land bedarf des Wein-
baus halber keiner beſondern Bearbeitung. Denn
indem der Acker geduͤngt und gepfluͤget wird, wird
eben dadurch auch der Weinſtock gepflegt. Auf dieſe
Weiſe ſieht man auf einem Grunde gleichſam zwey
Felder uͤbereinander, das untere fuͤr Getraide, das
obere in der Luft ſchwebende fuͤr Wein.

Man ſiehet uͤberall in Piemont großes und ſchoͤ-
nes Rindvieh, und nur ſelten trifft man einen mit
Pferden beſpannten Bauerwagen an. Alle Doͤrfer,
die ich geſehen habe, und alle einzelne Bauerhaͤuſer
ſind groß und voͤllig maſſiv gebaut. Die Haͤuſer ha-
ben große Hoͤfe, die mit Wirthſchaftsgebaͤuden umge-
ben ſind. Die Scheunen ſind gegen den Hof offene,
mit hohen auf gemauerten Pfeilern ruhenden Daͤchern

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[293/0313] von Nizza nach Deutſchland. einen hohen Begriff von der Fruchtbarkeit des Landes bekommt. Jeder Acker wird hier in demſelben Jah- re auf mehrere Arten genuͤtzt. Er traͤgt Getraide oder Hanf, zugleich Wein, und Maulbeerbaͤume zur Gewinnung der Seide, und Holz zur Feuerung. Denn hier wird der Weinbau ſo getrieben, daß er dem Korn- bau des Ackers keinen Abbruch thut. Die Weinreben werden in ſchnurgeraden Reihen, die 16, 20 bis 30 Fuß weit von einander ſtehen, gepflanzet. Man laͤßt ſie etwa auf 3 bis 4 Fuß hoch einen dicken Stamm treiben, der ſich ſelbſt zu tragen vermoͤgend iſt. Die jaͤhrlichen Ranken, an denen die Trauben wachſen, werden in der Hoͤhe von 5 bis 6 Fuß uͤber dem Boden wie Feſtone gegen einander ge- zogen, und ſo befeſtigt. Dadurch benehmen ſie dem Getraide weder die Luft noch den Sonnenſchein, we- der Thau noch Regen; und das Land bedarf des Wein- baus halber keiner beſondern Bearbeitung. Denn indem der Acker geduͤngt und gepfluͤget wird, wird eben dadurch auch der Weinſtock gepflegt. Auf dieſe Weiſe ſieht man auf einem Grunde gleichſam zwey Felder uͤbereinander, das untere fuͤr Getraide, das obere in der Luft ſchwebende fuͤr Wein. Man ſiehet uͤberall in Piemont großes und ſchoͤ- nes Rindvieh, und nur ſelten trifft man einen mit Pferden beſpannten Bauerwagen an. Alle Doͤrfer, die ich geſehen habe, und alle einzelne Bauerhaͤuſer ſind groß und voͤllig maſſiv gebaut. Die Haͤuſer ha- ben große Hoͤfe, die mit Wirthſchaftsgebaͤuden umge- ben ſind. Die Scheunen ſind gegen den Hof offene, mit hohen auf gemauerten Pfeilern ruhenden Daͤchern bedeck- T 3

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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780, S. 293. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/313>, abgerufen am 24.11.2024.