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Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780.

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Tagebuch von der Rückreise
Empfindung der sanftesten Ruhe erwecket. Achtzig
Schritte weiter befindet man sich in einer engen und
tiefen, dazu grausenvollen Kluft, zwischen ho-
hen, überall gespaltenen und den Einsturz drohenden
Felsen. Man wird von dem tobenden Geräusche des
in gewaltigen Cascaden sich in den Abgrund stürzenden
Flusses ganz betäubt. Der Weg ist hoch über dem
wütenden Strom an den Felsen ausgehauen, und eine
wie in der Luft schwebende schmale steinerne Brücke füh-
ret von einer Felsenwand zu der andern herüber. Die-
ses ist die sogenannte Teufelsbrücke. Das Fürch-
terliche der Scene, in der man sich beym Uebergange
über diese Brücke befindet, übertrifft alle Beschrei-
bung. Wo man das Auge hinwendet, fühlt man
Gefahr. Die erstaunliche Gewalt, womit der
Fluß beym Herabstürzen die Fundamente der
Felsen bestürmt, erwecket die Furcht, daß sie ein-
stürzen möchten. Siehet man in die Höhe, so dro-
hen die überhangenden und gespaltenen Felsen den Ein-
sturz. Das gewaltige Brausen des Wassers, die
schwindelnde Höhe auf der man steht, der Staubregen
von dem man bedeckt wird, alles dieses zusammen
macht einen wunderbaren Eindruck auf das Gemüth;
und hernach begreift man nicht, wie Menschen sich ha-
ben unterstehen können, sich hier einen Weg zu bahnen.

Von hier aus hat man noch ohngefähr fünf Stun-
den fast in gerader Linie und meistentheils ziemlich
steil herunterzusteigen, ehe man auf die Ebene an
dem Fuß des Berges kommt. Der Weg geht durch
eine Kluft, die der Fluß mit der Länge der Zeit sich
durch diese Berge ausgehöhlt hat. Denn nur das
Bett des Flusses trennet die einander gegenüber liegen-

den

Tagebuch von der Ruͤckreiſe
Empfindung der ſanfteſten Ruhe erwecket. Achtzig
Schritte weiter befindet man ſich in einer engen und
tiefen, dazu grauſenvollen Kluft, zwiſchen ho-
hen, uͤberall geſpaltenen und den Einſturz drohenden
Felſen. Man wird von dem tobenden Geraͤuſche des
in gewaltigen Caſcaden ſich in den Abgrund ſtuͤrzenden
Fluſſes ganz betaͤubt. Der Weg iſt hoch uͤber dem
wuͤtenden Strom an den Felſen ausgehauen, und eine
wie in der Luft ſchwebende ſchmale ſteinerne Bruͤcke fuͤh-
ret von einer Felſenwand zu der andern heruͤber. Die-
ſes iſt die ſogenannte Teufelsbruͤcke. Das Fuͤrch-
terliche der Scene, in der man ſich beym Uebergange
uͤber dieſe Bruͤcke befindet, uͤbertrifft alle Beſchrei-
bung. Wo man das Auge hinwendet, fuͤhlt man
Gefahr. Die erſtaunliche Gewalt, womit der
Fluß beym Herabſtuͤrzen die Fundamente der
Felſen beſtuͤrmt, erwecket die Furcht, daß ſie ein-
ſtuͤrzen moͤchten. Siehet man in die Hoͤhe, ſo dro-
hen die uͤberhangenden und geſpaltenen Felſen den Ein-
ſturz. Das gewaltige Brauſen des Waſſers, die
ſchwindelnde Hoͤhe auf der man ſteht, der Staubregen
von dem man bedeckt wird, alles dieſes zuſammen
macht einen wunderbaren Eindruck auf das Gemuͤth;
und hernach begreift man nicht, wie Menſchen ſich ha-
ben unterſtehen koͤnnen, ſich hier einen Weg zu bahnen.

Von hier aus hat man noch ohngefaͤhr fuͤnf Stun-
den faſt in gerader Linie und meiſtentheils ziemlich
ſteil herunterzuſteigen, ehe man auf die Ebene an
dem Fuß des Berges kommt. Der Weg geht durch
eine Kluft, die der Fluß mit der Laͤnge der Zeit ſich
durch dieſe Berge ausgehoͤhlt hat. Denn nur das
Bett des Fluſſes trennet die einander gegenuͤber liegen-

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[370/0390] Tagebuch von der Ruͤckreiſe Empfindung der ſanfteſten Ruhe erwecket. Achtzig Schritte weiter befindet man ſich in einer engen und tiefen, dazu grauſenvollen Kluft, zwiſchen ho- hen, uͤberall geſpaltenen und den Einſturz drohenden Felſen. Man wird von dem tobenden Geraͤuſche des in gewaltigen Caſcaden ſich in den Abgrund ſtuͤrzenden Fluſſes ganz betaͤubt. Der Weg iſt hoch uͤber dem wuͤtenden Strom an den Felſen ausgehauen, und eine wie in der Luft ſchwebende ſchmale ſteinerne Bruͤcke fuͤh- ret von einer Felſenwand zu der andern heruͤber. Die- ſes iſt die ſogenannte Teufelsbruͤcke. Das Fuͤrch- terliche der Scene, in der man ſich beym Uebergange uͤber dieſe Bruͤcke befindet, uͤbertrifft alle Beſchrei- bung. Wo man das Auge hinwendet, fuͤhlt man Gefahr. Die erſtaunliche Gewalt, womit der Fluß beym Herabſtuͤrzen die Fundamente der Felſen beſtuͤrmt, erwecket die Furcht, daß ſie ein- ſtuͤrzen moͤchten. Siehet man in die Hoͤhe, ſo dro- hen die uͤberhangenden und geſpaltenen Felſen den Ein- ſturz. Das gewaltige Brauſen des Waſſers, die ſchwindelnde Hoͤhe auf der man ſteht, der Staubregen von dem man bedeckt wird, alles dieſes zuſammen macht einen wunderbaren Eindruck auf das Gemuͤth; und hernach begreift man nicht, wie Menſchen ſich ha- ben unterſtehen koͤnnen, ſich hier einen Weg zu bahnen. Von hier aus hat man noch ohngefaͤhr fuͤnf Stun- den faſt in gerader Linie und meiſtentheils ziemlich ſteil herunterzuſteigen, ehe man auf die Ebene an dem Fuß des Berges kommt. Der Weg geht durch eine Kluft, die der Fluß mit der Laͤnge der Zeit ſich durch dieſe Berge ausgehoͤhlt hat. Denn nur das Bett des Fluſſes trennet die einander gegenuͤber liegen- den

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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780, S. 370. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/390>, abgerufen am 22.11.2024.