Zeichner Geßner zu Originalen seiner poetischen Schilderungen und malerischen Zeichnungen gedient haben.
Je näher man gegen Zürich kommt, je lebhaf- ter wird die Straße. Auf der letzten Stunde des Weges ist sie zu beyden Seiten fast durchaus mit Häu- sern besetzt, deren schöne Lage, Bauart, Reinlichkeit und ganze Einrichtung etwas mehr als Wohnungen des Landmanns anzeigen. Man bemerkt nicht nur Wohlstand, sondern Reichthum an vielen dieser Häu- ser. Eben so sind auch die Dörfer, die längst an den beyden Ufern des Sees liegen. An keinem Orte ha- be ich Landvolk angetroffen, dem man den Wohlstand und sogar den Reichthum und Ueberfluß deutlicher an- gesehen hätte, als diesem. Und dadurch wird die ganze Gegend um Zürich herum, wenigstens auf ei- ne Stunde Weges weit, gegen jede Seite hin, zu ei- ner der herrlichsten, die man sich in der Einbildungs- kraft vorstellen kann. Um Genf herum ist die Ge- gend an Gärten und Gebäuden prächtiger; aber diese Gebäude sind da Landsitze reicher Bürger der Stadt. Hier aber ist es der Landmann, der Unterthan der Re- publik selbst, der so wohnet und in solchem Wohlstan- de lebt.
Man kann auch dieses Landvolk eigentlich nicht für Bauren halten. Denn ob sie gleich sich etwas mit dem Landbau abgeben, so beschäfftigen sich die mei- sten überdem noch mit Fabrikarbeiten für die Hand- lungshäuser der Stadt; andere sind Factoren dersel- ben; noch andere treiben für sich selbst eine Art Han- del, indem sie gesponnenes baumwollen Garn im Lan- de aufkaufen u. s. f. obgleich das eigentliche Fabrici-
ren
Tagebuch von der Ruͤckreiſe
Zeichner Geßner zu Originalen ſeiner poetiſchen Schilderungen und maleriſchen Zeichnungen gedient haben.
Je naͤher man gegen Zuͤrich kommt, je lebhaf- ter wird die Straße. Auf der letzten Stunde des Weges iſt ſie zu beyden Seiten faſt durchaus mit Haͤu- ſern beſetzt, deren ſchoͤne Lage, Bauart, Reinlichkeit und ganze Einrichtung etwas mehr als Wohnungen des Landmanns anzeigen. Man bemerkt nicht nur Wohlſtand, ſondern Reichthum an vielen dieſer Haͤu- ſer. Eben ſo ſind auch die Doͤrfer, die laͤngſt an den beyden Ufern des Sees liegen. An keinem Orte ha- be ich Landvolk angetroffen, dem man den Wohlſtand und ſogar den Reichthum und Ueberfluß deutlicher an- geſehen haͤtte, als dieſem. Und dadurch wird die ganze Gegend um Zuͤrich herum, wenigſtens auf ei- ne Stunde Weges weit, gegen jede Seite hin, zu ei- ner der herrlichſten, die man ſich in der Einbildungs- kraft vorſtellen kann. Um Genf herum iſt die Ge- gend an Gaͤrten und Gebaͤuden praͤchtiger; aber dieſe Gebaͤude ſind da Landſitze reicher Buͤrger der Stadt. Hier aber iſt es der Landmann, der Unterthan der Re- publik ſelbſt, der ſo wohnet und in ſolchem Wohlſtan- de lebt.
Man kann auch dieſes Landvolk eigentlich nicht fuͤr Bauren halten. Denn ob ſie gleich ſich etwas mit dem Landbau abgeben, ſo beſchaͤfftigen ſich die mei- ſten uͤberdem noch mit Fabrikarbeiten fuͤr die Hand- lungshaͤuſer der Stadt; andere ſind Factoren derſel- ben; noch andere treiben fuͤr ſich ſelbſt eine Art Han- del, indem ſie geſponnenes baumwollen Garn im Lan- de aufkaufen u. ſ. f. obgleich das eigentliche Fabrici-
ren
<TEI><text><body><divn="1"><divtype="diaryEntry"n="2"><p><pbfacs="#f0410"n="390"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Tagebuch von der Ruͤckreiſe</hi></fw><lb/>
Zeichner <hirendition="#fr">Geßner</hi> zu Originalen ſeiner poetiſchen<lb/>
Schilderungen und maleriſchen Zeichnungen gedient<lb/>
haben.</p><lb/><p>Je naͤher man gegen <hirendition="#fr">Zuͤrich</hi> kommt, je lebhaf-<lb/>
ter wird die Straße. Auf der letzten Stunde des<lb/>
Weges iſt ſie zu beyden Seiten faſt durchaus mit Haͤu-<lb/>ſern beſetzt, deren ſchoͤne Lage, Bauart, Reinlichkeit<lb/>
und ganze Einrichtung etwas mehr als Wohnungen<lb/>
des Landmanns anzeigen. Man bemerkt nicht nur<lb/>
Wohlſtand, ſondern Reichthum an vielen dieſer Haͤu-<lb/>ſer. Eben ſo ſind auch die Doͤrfer, die laͤngſt an den<lb/>
beyden Ufern des Sees liegen. An keinem Orte ha-<lb/>
be ich Landvolk angetroffen, dem man den Wohlſtand<lb/>
und ſogar den Reichthum und Ueberfluß deutlicher an-<lb/>
geſehen haͤtte, als dieſem. Und dadurch wird die<lb/>
ganze Gegend um <hirendition="#fr">Zuͤrich</hi> herum, wenigſtens auf ei-<lb/>
ne Stunde Weges weit, gegen jede Seite hin, zu ei-<lb/>
ner der herrlichſten, die man ſich in der Einbildungs-<lb/>
kraft vorſtellen kann. Um <hirendition="#fr">Genf</hi> herum iſt die Ge-<lb/>
gend an Gaͤrten und Gebaͤuden praͤchtiger; aber dieſe<lb/>
Gebaͤude ſind da Landſitze reicher Buͤrger der Stadt.<lb/>
Hier aber iſt es der Landmann, der Unterthan der Re-<lb/>
publik ſelbſt, der ſo wohnet und in ſolchem Wohlſtan-<lb/>
de lebt.</p><lb/><p>Man kann auch dieſes Landvolk eigentlich nicht fuͤr<lb/>
Bauren halten. Denn ob ſie gleich ſich etwas mit<lb/>
dem Landbau abgeben, ſo beſchaͤfftigen ſich die mei-<lb/>ſten uͤberdem noch mit Fabrikarbeiten fuͤr die Hand-<lb/>
lungshaͤuſer der Stadt; andere ſind Factoren derſel-<lb/>
ben; noch andere treiben fuͤr ſich ſelbſt eine Art Han-<lb/>
del, indem ſie geſponnenes baumwollen Garn im Lan-<lb/>
de aufkaufen u. ſ. f. obgleich das eigentliche Fabrici-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ren</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[390/0410]
Tagebuch von der Ruͤckreiſe
Zeichner Geßner zu Originalen ſeiner poetiſchen
Schilderungen und maleriſchen Zeichnungen gedient
haben.
Je naͤher man gegen Zuͤrich kommt, je lebhaf-
ter wird die Straße. Auf der letzten Stunde des
Weges iſt ſie zu beyden Seiten faſt durchaus mit Haͤu-
ſern beſetzt, deren ſchoͤne Lage, Bauart, Reinlichkeit
und ganze Einrichtung etwas mehr als Wohnungen
des Landmanns anzeigen. Man bemerkt nicht nur
Wohlſtand, ſondern Reichthum an vielen dieſer Haͤu-
ſer. Eben ſo ſind auch die Doͤrfer, die laͤngſt an den
beyden Ufern des Sees liegen. An keinem Orte ha-
be ich Landvolk angetroffen, dem man den Wohlſtand
und ſogar den Reichthum und Ueberfluß deutlicher an-
geſehen haͤtte, als dieſem. Und dadurch wird die
ganze Gegend um Zuͤrich herum, wenigſtens auf ei-
ne Stunde Weges weit, gegen jede Seite hin, zu ei-
ner der herrlichſten, die man ſich in der Einbildungs-
kraft vorſtellen kann. Um Genf herum iſt die Ge-
gend an Gaͤrten und Gebaͤuden praͤchtiger; aber dieſe
Gebaͤude ſind da Landſitze reicher Buͤrger der Stadt.
Hier aber iſt es der Landmann, der Unterthan der Re-
publik ſelbſt, der ſo wohnet und in ſolchem Wohlſtan-
de lebt.
Man kann auch dieſes Landvolk eigentlich nicht fuͤr
Bauren halten. Denn ob ſie gleich ſich etwas mit
dem Landbau abgeben, ſo beſchaͤfftigen ſich die mei-
ſten uͤberdem noch mit Fabrikarbeiten fuͤr die Hand-
lungshaͤuſer der Stadt; andere ſind Factoren derſel-
ben; noch andere treiben fuͤr ſich ſelbſt eine Art Han-
del, indem ſie geſponnenes baumwollen Garn im Lan-
de aufkaufen u. ſ. f. obgleich das eigentliche Fabrici-
ren
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780, S. 390. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/410>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.