Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780.gethanen Reise. vorbey mußte, stieg ich ab, um ihm einen Besuch zumachen. Er nöthigte mich sehr freundschaftlich, einige Tage bey ihm zu verweilen; aber ich sah mich durch das heraneilende Ende der guten Jahrszeit genöthiget, meine Reise ohne Aufhaltung fortzusetzen, weil ich einmal fest entschlossen war, mich in Lausanne eine Zeit lang aufzuhalten, um dem berühmten Tissot Zeit zu lassen, meinen Zustand kennen zu lernen. Bald darauf kam ich durch Avanches, das ehe-Avanches. Den 18 Sept. von Payerne über Moudon nach Lausanne. Man kommt meistentheils durch ein schmales und Ein- C 4
gethanen Reiſe. vorbey mußte, ſtieg ich ab, um ihm einen Beſuch zumachen. Er noͤthigte mich ſehr freundſchaftlich, einige Tage bey ihm zu verweilen; aber ich ſah mich durch das heraneilende Ende der guten Jahrszeit genoͤthiget, meine Reiſe ohne Aufhaltung fortzuſetzen, weil ich einmal feſt entſchloſſen war, mich in Lauſanne eine Zeit lang aufzuhalten, um dem beruͤhmten Tiſſot Zeit zu laſſen, meinen Zuſtand kennen zu lernen. Bald darauf kam ich durch Avanches, das ehe-Avanches. Den 18 Sept. von Payerne uͤber Moudon nach Lauſanne. Man kommt meiſtentheils durch ein ſchmales und Ein- C 4
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gethanen Reiſe.
vorbey mußte, ſtieg ich ab, um ihm einen Beſuch zu
machen. Er noͤthigte mich ſehr freundſchaftlich, einige
Tage bey ihm zu verweilen; aber ich ſah mich durch
das heraneilende Ende der guten Jahrszeit genoͤthiget,
meine Reiſe ohne Aufhaltung fortzuſetzen, weil ich
einmal feſt entſchloſſen war, mich in Lauſanne eine
Zeit lang aufzuhalten, um dem beruͤhmten Tiſſot
Zeit zu laſſen, meinen Zuſtand kennen zu lernen.
Bald darauf kam ich durch Avanches, das ehe-
malige Averticum, welches eine betraͤchtliche roͤmi-
ſche Colonie und die Hauptſtadt dieſes Landes geweſen.
Von ſeiner ehemaligen Groͤße zeiget der Ort nur noch
wenige Spuren, da der groͤßte Theil der ehemaligen
Stadt jetzt mit dem Pfluge bearbeitet wird. Des
Abends kam ich nach Payerne, einer artigen kleinen,
auch ſehr alten Stadt des ehemaligen burgundiſchen
Koͤnigreichs. Es war hier ehedem ein beruͤhmtes Be-
nedictinerkloſter, welches die Koͤniginn Bertha im
zehnten Jahrhunderte geſtiftet hat. Dieſe Koͤniginn,
ihr Gemahl Koͤnig Rudolf und verſchiedene Prinzen
des alten burgundiſchen Hauſes ſind hier begraben.
Avanches.
Payerne.
Den 18 Sept. von Payerne uͤber Moudon nach
Lauſanne.
Man kommt meiſtentheils durch ein ſchmales und
ſehr angenehmes Thal nach Moudon, einer artigen
und volkreichen kleinen Stadt am Ende des Thales.
Die nicht hohen Berge, die dieſes Thal einſchließen,
ſind meiſtentheils unbebaut. Die Hoͤhen ſcheinen
uͤberhaupt in dieſer Gegend rauh und unfruchtbar.
Viele kleine Berge ſind zu ſteil, um angebaut zu wer-
den. Jndeſſen iſt gewiß, daß ſie, wo es nicht an
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