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Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780.

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Tagebuch von einer nach Nizza
Einwohnern und an Fleiß fehlte, gar leicht in Terras-
sen abgetheilet und bebaut werden könnten. Aber es
ist auf diesem Wege von Payerne bis Lausanne ziem-
lich sichtbar, daß das Land weder so gut bevölkert,
noch so fruchtbar ist, als in dem deutschen Theil des
Anmerkung
über das
Landvolk im
Pais de
Väud.
Cantons Bern. Das Landvolk sieht hier etwas arm-
selig aus, und man entdeckt ohne Mühe, daß es bey
weitem nicht so arbeitsam und so ordentlich ist, als sei-
ne deutsche Nachbarn. Vielleicht trägt auch der
Hang des jungen Landvolks, außer Landes sein Glück
zu suchen, gar viel zur Vernachläßigung des Landbaus
bey. Die jungen Bauern lieben fremde Kriegsdien-
ste; andre von beyden Geschlechtern vermiethen sich in
den größern Städten, wo man gern welsche Bediente
hat; gar viele geben nach England, um ihr Glück
zu suchen, und man findet sie fast in allen vornehmen
Häusern in London, wo sie den einheimischen Be-
dienten wegen ihres biegsamern Charakters und ihrer
Sprache weit vorgezogen werden.

Auch ist überhaupt in dem Pais de Vaud das
Geblüt bey weitem nicht so schön noch so gesund, als
in dem deutschen Theil des Cantons, wo man unter
dem Landvolk die schönsten Manns- und Weibsperso-
nen antrifft. Jch zweifle, daß irgend eine Stadt in
Europa sey, wo man so viel schöne, und dabey einen
weit über ihren Stand und ihre Geburt erhabenen An-
stand besitzende Dienstmädchen siehet, als in Bern.
Ein Fremder möchte in Versuchung gerathen, sie für
verkleidete Damen von Stande zu halten*).

Von
*) Der geschickte Landschaftmaler Aberli aus Winter-
thur, der sich in Bern aufhält, hat vor ein paar
Jah-

Tagebuch von einer nach Nizza
Einwohnern und an Fleiß fehlte, gar leicht in Terraſ-
ſen abgetheilet und bebaut werden koͤnnten. Aber es
iſt auf dieſem Wege von Payerne bis Lauſanne ziem-
lich ſichtbar, daß das Land weder ſo gut bevoͤlkert,
noch ſo fruchtbar iſt, als in dem deutſchen Theil des
Anmerkung
uͤber das
Landvolk im
Pais de
Vaͤud.
Cantons Bern. Das Landvolk ſieht hier etwas arm-
ſelig aus, und man entdeckt ohne Muͤhe, daß es bey
weitem nicht ſo arbeitſam und ſo ordentlich iſt, als ſei-
ne deutſche Nachbarn. Vielleicht traͤgt auch der
Hang des jungen Landvolks, außer Landes ſein Gluͤck
zu ſuchen, gar viel zur Vernachlaͤßigung des Landbaus
bey. Die jungen Bauern lieben fremde Kriegsdien-
ſte; andre von beyden Geſchlechtern vermiethen ſich in
den groͤßern Staͤdten, wo man gern welſche Bediente
hat; gar viele geben nach England, um ihr Gluͤck
zu ſuchen, und man findet ſie faſt in allen vornehmen
Haͤuſern in London, wo ſie den einheimiſchen Be-
dienten wegen ihres biegſamern Charakters und ihrer
Sprache weit vorgezogen werden.

Auch iſt uͤberhaupt in dem Pais de Vaud das
Gebluͤt bey weitem nicht ſo ſchoͤn noch ſo geſund, als
in dem deutſchen Theil des Cantons, wo man unter
dem Landvolk die ſchoͤnſten Manns- und Weibsperſo-
nen antrifft. Jch zweifle, daß irgend eine Stadt in
Europa ſey, wo man ſo viel ſchoͤne, und dabey einen
weit uͤber ihren Stand und ihre Geburt erhabenen An-
ſtand beſitzende Dienſtmaͤdchen ſiehet, als in Bern.
Ein Fremder moͤchte in Verſuchung gerathen, ſie fuͤr
verkleidete Damen von Stande zu halten*).

Von
*) Der geſchickte Landſchaftmaler Aberli aus Winter-
thur, der ſich in Bern aufhaͤlt, hat vor ein paar
Jah-
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[40/0058] Tagebuch von einer nach Nizza Einwohnern und an Fleiß fehlte, gar leicht in Terraſ- ſen abgetheilet und bebaut werden koͤnnten. Aber es iſt auf dieſem Wege von Payerne bis Lauſanne ziem- lich ſichtbar, daß das Land weder ſo gut bevoͤlkert, noch ſo fruchtbar iſt, als in dem deutſchen Theil des Cantons Bern. Das Landvolk ſieht hier etwas arm- ſelig aus, und man entdeckt ohne Muͤhe, daß es bey weitem nicht ſo arbeitſam und ſo ordentlich iſt, als ſei- ne deutſche Nachbarn. Vielleicht traͤgt auch der Hang des jungen Landvolks, außer Landes ſein Gluͤck zu ſuchen, gar viel zur Vernachlaͤßigung des Landbaus bey. Die jungen Bauern lieben fremde Kriegsdien- ſte; andre von beyden Geſchlechtern vermiethen ſich in den groͤßern Staͤdten, wo man gern welſche Bediente hat; gar viele geben nach England, um ihr Gluͤck zu ſuchen, und man findet ſie faſt in allen vornehmen Haͤuſern in London, wo ſie den einheimiſchen Be- dienten wegen ihres biegſamern Charakters und ihrer Sprache weit vorgezogen werden. Anmerkung uͤber das Landvolk im Pais de Vaͤud. Auch iſt uͤberhaupt in dem Pais de Vaud das Gebluͤt bey weitem nicht ſo ſchoͤn noch ſo geſund, als in dem deutſchen Theil des Cantons, wo man unter dem Landvolk die ſchoͤnſten Manns- und Weibsperſo- nen antrifft. Jch zweifle, daß irgend eine Stadt in Europa ſey, wo man ſo viel ſchoͤne, und dabey einen weit uͤber ihren Stand und ihre Geburt erhabenen An- ſtand beſitzende Dienſtmaͤdchen ſiehet, als in Bern. Ein Fremder moͤchte in Verſuchung gerathen, ſie fuͤr verkleidete Damen von Stande zu halten *). Von *) Der geſchickte Landſchaftmaler Aberli aus Winter- thur, der ſich in Bern aufhaͤlt, hat vor ein paar Jah-

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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/58>, abgerufen am 27.11.2024.