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Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780.

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gethanen Reise.
einzuschränken, daß sie bey einem geringen jährlichen
Einkommen doch ohne Dürftigkeit leben.

Die hiesige Akademie ist im Grunde blos ein
Seminarium, zur Bildung junger Geistlichen für
das Pais de Vaud. Fremde, die hier studiren,
müssen besondern Unterricht von den hiesigen Gelehr-
ten nehmen, und denselben ziemlich theuer bezahlen.
Es halten sich aber immer junge deutsche Fürsten und
reiche Edelleute hier auf, die außer den gewöhnlichen
Leibesübungen im Reiten, Fechten, Tanzen, auch
in Wissenschaften Unterricht genießen. Außer diesen
kommen auch viel junge Engländer in gleicher Absicht
hieher, so daß der Ort allezeit ziemlich lebhaft ist.

Um die Stadt herum sind sehr viele Landhäuser,
auf denen die Eigenthümer sich entweder das ganze
Jahr oder den Sommer über aufhalten. Sie sind
durchgehends gut und fest gebaut, auch wohl einge-
richtet, haben aber selten Lustgärten von einigem Be-
lang. Das Land ist hier zu kostbar, als daß man be-
trächtliche Stücke blos zur Annnehmlichkeit widmen
sollte; zumal da die ganze umliegende Gegend selbst
als ein Lustgarten kann angesehen werden. Ein gutes
bequemes Wohnhaus mit einem kleinen Blumengar-
ten, in oder an einer schönen mit vielen Obstbäumen be-
setzten Wiese, oder an einem Weinberge, ist das ge-
wöhnliche Landhaus der Lausanner. Man siehet
übrigens in der ganzen Gegend herum überall Proben
einer ungemein fleißigen und guten Cultur, wodurch
jeder Fuß breit Landes auf das beste genutzt wird.

Da mein Zustand mir nicht erlaubte, in Gesell-
schaften zu gehen und Besuche zu machen, so brachte
ich meine Zeit mit Spazieren sowohl zu Fuß als zu

Pfer-

gethanen Reiſe.
einzuſchraͤnken, daß ſie bey einem geringen jaͤhrlichen
Einkommen doch ohne Duͤrftigkeit leben.

Die hieſige Akademie iſt im Grunde blos ein
Seminarium, zur Bildung junger Geiſtlichen fuͤr
das Pais de Vaud. Fremde, die hier ſtudiren,
muͤſſen beſondern Unterricht von den hieſigen Gelehr-
ten nehmen, und denſelben ziemlich theuer bezahlen.
Es halten ſich aber immer junge deutſche Fuͤrſten und
reiche Edelleute hier auf, die außer den gewoͤhnlichen
Leibesuͤbungen im Reiten, Fechten, Tanzen, auch
in Wiſſenſchaften Unterricht genießen. Außer dieſen
kommen auch viel junge Englaͤnder in gleicher Abſicht
hieher, ſo daß der Ort allezeit ziemlich lebhaft iſt.

Um die Stadt herum ſind ſehr viele Landhaͤuſer,
auf denen die Eigenthuͤmer ſich entweder das ganze
Jahr oder den Sommer uͤber aufhalten. Sie ſind
durchgehends gut und feſt gebaut, auch wohl einge-
richtet, haben aber ſelten Luſtgaͤrten von einigem Be-
lang. Das Land iſt hier zu koſtbar, als daß man be-
traͤchtliche Stuͤcke blos zur Annnehmlichkeit widmen
ſollte; zumal da die ganze umliegende Gegend ſelbſt
als ein Luſtgarten kann angeſehen werden. Ein gutes
bequemes Wohnhaus mit einem kleinen Blumengar-
ten, in oder an einer ſchoͤnen mit vielen Obſtbaͤumen be-
ſetzten Wieſe, oder an einem Weinberge, iſt das ge-
woͤhnliche Landhaus der Lauſanner. Man ſiehet
uͤbrigens in der ganzen Gegend herum uͤberall Proben
einer ungemein fleißigen und guten Cultur, wodurch
jeder Fuß breit Landes auf das beſte genutzt wird.

Da mein Zuſtand mir nicht erlaubte, in Geſell-
ſchaften zu gehen und Beſuche zu machen, ſo brachte
ich meine Zeit mit Spazieren ſowohl zu Fuß als zu

Pfer-
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[47/0065] gethanen Reiſe. einzuſchraͤnken, daß ſie bey einem geringen jaͤhrlichen Einkommen doch ohne Duͤrftigkeit leben. Die hieſige Akademie iſt im Grunde blos ein Seminarium, zur Bildung junger Geiſtlichen fuͤr das Pais de Vaud. Fremde, die hier ſtudiren, muͤſſen beſondern Unterricht von den hieſigen Gelehr- ten nehmen, und denſelben ziemlich theuer bezahlen. Es halten ſich aber immer junge deutſche Fuͤrſten und reiche Edelleute hier auf, die außer den gewoͤhnlichen Leibesuͤbungen im Reiten, Fechten, Tanzen, auch in Wiſſenſchaften Unterricht genießen. Außer dieſen kommen auch viel junge Englaͤnder in gleicher Abſicht hieher, ſo daß der Ort allezeit ziemlich lebhaft iſt. Um die Stadt herum ſind ſehr viele Landhaͤuſer, auf denen die Eigenthuͤmer ſich entweder das ganze Jahr oder den Sommer uͤber aufhalten. Sie ſind durchgehends gut und feſt gebaut, auch wohl einge- richtet, haben aber ſelten Luſtgaͤrten von einigem Be- lang. Das Land iſt hier zu koſtbar, als daß man be- traͤchtliche Stuͤcke blos zur Annnehmlichkeit widmen ſollte; zumal da die ganze umliegende Gegend ſelbſt als ein Luſtgarten kann angeſehen werden. Ein gutes bequemes Wohnhaus mit einem kleinen Blumengar- ten, in oder an einer ſchoͤnen mit vielen Obſtbaͤumen be- ſetzten Wieſe, oder an einem Weinberge, iſt das ge- woͤhnliche Landhaus der Lauſanner. Man ſiehet uͤbrigens in der ganzen Gegend herum uͤberall Proben einer ungemein fleißigen und guten Cultur, wodurch jeder Fuß breit Landes auf das beſte genutzt wird. Da mein Zuſtand mir nicht erlaubte, in Geſell- ſchaften zu gehen und Beſuche zu machen, ſo brachte ich meine Zeit mit Spazieren ſowohl zu Fuß als zu Pfer-

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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/65>, abgerufen am 23.11.2024.