Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780.Tagebuch von einer nach Nizza reinlichen und guten Ansehen. Alles lacht und flößthier Vergnügen ein. Dies wäre nach meinem Ge- schmack der Ort im Pais de Vaud, den ich vorzüg- lich zu meinem Aufenthalt wählen würde. Ohngefähr eine Stunde unterhalb Morges ver- Aus *) Dieser fürtreffliche Mann, von dessen Einsichten,
warmem Eifer für alles Gute und großer Betriebsam- keit die Republik Bern die wichtigsten Dienste erwar- ten konnte, ist das vorige Jahr in der Blühte des Alters gestorben. Tagebuch von einer nach Nizza reinlichen und guten Anſehen. Alles lacht und floͤßthier Vergnuͤgen ein. Dies waͤre nach meinem Ge- ſchmack der Ort im Pais de Vaud, den ich vorzuͤg- lich zu meinem Aufenthalt waͤhlen wuͤrde. Ohngefaͤhr eine Stunde unterhalb Morges ver- Aus *) Dieſer fuͤrtreffliche Mann, von deſſen Einſichten,
warmem Eifer fuͤr alles Gute und großer Betriebſam- keit die Republik Bern die wichtigſten Dienſte erwar- ten konnte, iſt das vorige Jahr in der Bluͤhte des Alters geſtorben. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div type="diaryEntry" n="2"> <p><pb facs="#f0076" n="58"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Tagebuch von einer nach Nizza</hi></fw><lb/> reinlichen und guten Anſehen. Alles lacht und floͤßt<lb/> hier Vergnuͤgen ein. Dies waͤre nach meinem Ge-<lb/> ſchmack der Ort im <hi rendition="#fr">Pais de Vaud,</hi> den ich vorzuͤg-<lb/> lich zu meinem Aufenthalt waͤhlen wuͤrde.</p><lb/> <note place="left">Aubonne.</note> <p>Ohngefaͤhr eine Stunde unterhalb <hi rendition="#fr">Morges</hi> ver-<lb/> ließ ich die Landſtraße, um gerade gegen die Hoͤhe her-<lb/> auf nach <hi rendition="#fr">Aubonne</hi> zu fahren, um daſelbſt dem Hrn.<lb/> von <hi rendition="#fr">Tſcharner,</hi> der gegenwaͤrtig Landvogt von <hi rendition="#fr">Au-<lb/> bonne</hi> iſt, zu beſuchen<note place="foot" n="*)">Dieſer fuͤrtreffliche Mann, von deſſen Einſichten,<lb/> warmem Eifer fuͤr alles Gute und großer Betriebſam-<lb/> keit die Republik Bern die wichtigſten Dienſte erwar-<lb/> ten konnte, iſt das vorige Jahr in der Bluͤhte des<lb/> Alters geſtorben.</note>. Man kann ſich von der<lb/> bezaubernden Lage des Staͤdtchens und des daruͤber lie-<lb/> genden Schloſſes daraus einen Begriff machen, daß<lb/> der beruͤhmte <hi rendition="#fr">Tavernier,</hi> der durch ſo viele Laͤnder<lb/> des Erdbodens gereiſt war, als er ſich zur Ruhe be-<lb/> geben wollte, dieſen Ort, als den ſchoͤnſten, den er<lb/> geſehen, zu ſeinem Aufenthalt gewaͤhlt hat. Er hat-<lb/> te die Herrſchaft <hi rendition="#fr">Aubonne</hi> kaͤuflich an ſich gebracht,<lb/> und an dem Schloſſe viel gebaut. Der mit einem<lb/> Saͤulengang umgebene Vorhof des Schloſſes iſt von<lb/> ihm angelegt worden. Jetzt gehoͤrt die Herrſchaft dem<lb/> Stande <hi rendition="#fr">Bern,</hi> der ſie durch einen Landvogt, der auf<lb/> dieſem Schloſſe ſeinen Sitz hat, regieren laͤßt. Der<lb/> jetzige Landvogt, Hr. von <hi rendition="#fr">Tſcharner,</hi> ein Mann von<lb/> großen Verdienſten und einem verehrungswuͤrdigen<lb/> Charakter der Großmuth und Menſchenliebe, und<lb/> ſeine, eines ſolchen Mannes wuͤrdige Gemahlinn, ei-<lb/> ne geborne von <hi rendition="#fr">Bonſtaͤtten,</hi> empfiengen mich mit<lb/> ausnehmender Freundſchaft und Guͤte.</p><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Aus</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [58/0076]
Tagebuch von einer nach Nizza
reinlichen und guten Anſehen. Alles lacht und floͤßt
hier Vergnuͤgen ein. Dies waͤre nach meinem Ge-
ſchmack der Ort im Pais de Vaud, den ich vorzuͤg-
lich zu meinem Aufenthalt waͤhlen wuͤrde.
Ohngefaͤhr eine Stunde unterhalb Morges ver-
ließ ich die Landſtraße, um gerade gegen die Hoͤhe her-
auf nach Aubonne zu fahren, um daſelbſt dem Hrn.
von Tſcharner, der gegenwaͤrtig Landvogt von Au-
bonne iſt, zu beſuchen *). Man kann ſich von der
bezaubernden Lage des Staͤdtchens und des daruͤber lie-
genden Schloſſes daraus einen Begriff machen, daß
der beruͤhmte Tavernier, der durch ſo viele Laͤnder
des Erdbodens gereiſt war, als er ſich zur Ruhe be-
geben wollte, dieſen Ort, als den ſchoͤnſten, den er
geſehen, zu ſeinem Aufenthalt gewaͤhlt hat. Er hat-
te die Herrſchaft Aubonne kaͤuflich an ſich gebracht,
und an dem Schloſſe viel gebaut. Der mit einem
Saͤulengang umgebene Vorhof des Schloſſes iſt von
ihm angelegt worden. Jetzt gehoͤrt die Herrſchaft dem
Stande Bern, der ſie durch einen Landvogt, der auf
dieſem Schloſſe ſeinen Sitz hat, regieren laͤßt. Der
jetzige Landvogt, Hr. von Tſcharner, ein Mann von
großen Verdienſten und einem verehrungswuͤrdigen
Charakter der Großmuth und Menſchenliebe, und
ſeine, eines ſolchen Mannes wuͤrdige Gemahlinn, ei-
ne geborne von Bonſtaͤtten, empfiengen mich mit
ausnehmender Freundſchaft und Guͤte.
Aus
*) Dieſer fuͤrtreffliche Mann, von deſſen Einſichten,
warmem Eifer fuͤr alles Gute und großer Betriebſam-
keit die Republik Bern die wichtigſten Dienſte erwar-
ten konnte, iſt das vorige Jahr in der Bluͤhte des
Alters geſtorben.
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