Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 1. Leipzig, 1771.[Spaltenumbruch] Aus vornehmste ist die, welche gegen den besten Plaz vonaußen gestellt ist, und an der der Haupteingang zum Gebäude ist. Eine gute Außenseite trägt das mei- ste zu dem Ansehen eines Gebäudes bey. Die Maße desselben ist auch in den größten und präch- tigsten Gebäuden etwas so einfaches, daß das Auge bald davon abgelenkt, und auf die besondre Be- trachtung der Außenseite gerichtet wird. Dem Gebäude von außen ein gutes Ansehen zu Die meisten Regeln der Baukunst gehen auf die Von einer ihr angemessenen Entfernung, die Alle herunter laufende Linien, müssen genau Aus bestimmten Anfang und ihr bestimmtes Ende ha-ben, so daß keine sich mitten an der Außenseite ver- liehret. Alle Achsen der Säulen und Pfeiler, die über einander stehen, müssen eine einzige Linie aus- machen, so wie die Mittellinien aller waagerecht laufenden Glieder von einer Höhe. Jst die Außenseite von einer beträchtlichen Die Außenseiten leiden keine kleinen Zierrathen, Daß die Außenseite die Art und den Geschmak, man
[Spaltenumbruch] Aus vornehmſte iſt die, welche gegen den beſten Plaz vonaußen geſtellt iſt, und an der der Haupteingang zum Gebaͤude iſt. Eine gute Außenſeite traͤgt das mei- ſte zu dem Anſehen eines Gebaͤudes bey. Die Maße deſſelben iſt auch in den groͤßten und praͤch- tigſten Gebaͤuden etwas ſo einfaches, daß das Auge bald davon abgelenkt, und auf die beſondre Be- trachtung der Außenſeite gerichtet wird. Dem Gebaͤude von außen ein gutes Anſehen zu Die meiſten Regeln der Baukunſt gehen auf die Von einer ihr angemeſſenen Entfernung, die Alle herunter laufende Linien, muͤſſen genau Aus beſtimmten Anfang und ihr beſtimmtes Ende ha-ben, ſo daß keine ſich mitten an der Außenſeite ver- liehret. Alle Achſen der Saͤulen und Pfeiler, die uͤber einander ſtehen, muͤſſen eine einzige Linie aus- machen, ſo wie die Mittellinien aller waagerecht laufenden Glieder von einer Hoͤhe. Jſt die Außenſeite von einer betraͤchtlichen Die Außenſeiten leiden keine kleinen Zierrathen, Daß die Außenſeite die Art und den Geſchmak, man
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0128" n="116"/><cb/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Aus</hi></fw><lb/> vornehmſte iſt die, welche gegen den beſten Plaz von<lb/> außen geſtellt iſt, und an der der Haupteingang zum<lb/> Gebaͤude iſt. Eine gute Außenſeite traͤgt das mei-<lb/> ſte zu dem Anſehen eines Gebaͤudes bey. Die<lb/> Maße deſſelben iſt auch in den groͤßten und praͤch-<lb/> tigſten Gebaͤuden etwas ſo einfaches, daß das Auge<lb/> bald davon abgelenkt, und auf die beſondre Be-<lb/> trachtung der Außenſeite gerichtet wird.</p><lb/> <p>Dem Gebaͤude von außen ein gutes Anſehen zu<lb/> geben, iſt ein wichtiger Theil der Kunſt. Die Auſ-<lb/> ſenſeiten muͤſſen gleich den Charakter des Gebaͤudes<lb/> an ſich tragen, und außer der allgemeinen Empfin-<lb/> dung des Wolgefallens, welches aus der Regel-<lb/> maͤßigkeit, Ordnung, Uebereinſtimmung der Theile<lb/> entſteht, die beſondern Empfindungen der Groͤße<lb/> oder Pracht, des Reichthums, der Anmuthigkeit<lb/> erweken. Der Geſchmak, der in den Außenſeiten<lb/> herrſcht, muß den Stand deſſen, der das Haus be-<lb/> wohnt, oder die Beſtimmung des Gebaͤudes anzei-<lb/> gen. Ein Tempel muß ſich an ſeinen Außenſeiten<lb/> anders zeigen, als ein Zeughaus; dieſes anders<lb/> als ein Vorrathshaus, oder als ein Pallaſt, oder<lb/> als das Haus eines Privatmannes.</p><lb/> <p>Die meiſten Regeln der Baukunſt gehen auf die<lb/> Schoͤnheit der Außenſeiten, weil ſie vorzuͤglich<lb/> in die Augen fallen. Folgende Anmerkungen<lb/> koͤnnen als die erſten Grundſaͤtze angeſehen wer-<lb/> den, die man bey der Anordnung und Verzierung<lb/> der Außenſeiten zum beſtaͤndigen Leitfaden brauchen<lb/> muß.</p><lb/> <p>Von einer ihr angemeſſenen Entfernung, die<lb/> dem Auge noch verſtattet, auch die kleinern Theile<lb/> zu unterſcheiden, muß ſie auf einmal, als ein fe-<lb/> ſtes, regelmaͤßiges und wolgeordnetes Ganzes,<lb/> in die Augen fallen. Dieſem Grundſaz zufolge,<lb/> muß ſie einen der Hoͤhe angemeßenen Fuß, und ein<lb/> ſolches Gebaͤlke haben. (S. Ganz.) Ferner muß<lb/> alles ſeine angemeſſene Groͤße und Staͤrke haben;<lb/> das Gebaͤude muß weder zu viel noch zu wenig<lb/> mit Fenſtern durchgebrochen ſeyn, weil im erſten<lb/> Fall das Anſehen der Feſtigkeit geſchwaͤcht wird;<lb/> im andern aber das Ganze zu plump ſcheinet.<lb/> Dieſem zufolge muͤſſen auch die Saͤnlen, wenn man<lb/> ſie anbringt, weder zu enge, noch zu weit ausein-<lb/> ander ſtehen. (S. Saͤulenweite.)</p><lb/> <p>Alle herunter laufende Linien, muͤſſen genau<lb/> ſenkrecht, und alle queer uͤberlaufende genau<lb/> waagerecht gehen. Jede dieſer Linien muß ihren<lb/><cb/> <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Aus</hi></fw><lb/> beſtimmten Anfang und ihr beſtimmtes Ende ha-<lb/> ben, ſo daß keine ſich mitten an der Außenſeite ver-<lb/> liehret. Alle Achſen der Saͤulen und Pfeiler, die<lb/> uͤber einander ſtehen, muͤſſen eine einzige Linie aus-<lb/> machen, ſo wie die Mittellinien aller waagerecht<lb/> laufenden Glieder von einer Hoͤhe.</p><lb/> <p>Jſt die Außenſeite von einer betraͤchtlichen<lb/> Groͤße, ſo muß ſie in mehrere Haupttheile oder<lb/> Parthien eingetheilt ſeyn. Von dieſen muß eine ge-<lb/> rade in der Mitte, als die Hauptparthie ſeyn,<lb/> welche durch ihre vorzuͤgliche Schoͤnheit das Auge<lb/> gleich an ſich zieht. Auf dieſe Weiſe entſteht recht<lb/> in der Mitte der Außenſeite eine Mittellinie, von<lb/> welcher das Auge die uͤbrigen Theile durchſchauet,<lb/> und die Uebereinſtimmung, Symmetrie und<lb/> Eurythmie abmißt. Dieſe Haupttheile muͤſſen ein<lb/> gutes Verhaͤltniß gegen einander haben, welches<lb/> ſchweerlich das Verhaͤltniß von 1 zu 2 uͤberſchrei-<lb/> ten kann. Sind die Theile neben der Mitte zu<lb/> groß, ſo muß man ſie wieder in kleinere abtheilen.</p><lb/> <p>Die Außenſeiten leiden keine kleinen Zierrathen,<lb/> zumal, wenn ſie nicht als Theile andrer Theile, als<lb/> der Saͤulen oder Pfeiler, betrachtet werden. Denn<lb/> zu geſchweigen, daß ſie in der Entfernung, aus<lb/> welcher das Gebaͤude muß angeſehen werden, ver-<lb/> ſchwinden, ſo thun ſie noch die ſchaͤdliche Wuͤrkung,<lb/> daß ſie das Aug zerſtreuen, vom Ganzen abfuͤhren,<lb/> und auf einzele Theile richten, mit denen man das<lb/> Ganze nicht mehr vergleichen kann. Es iſt uͤber-<lb/> haupt ein hoͤchſtwichtiger Grundſatz, daß kein klei-<lb/> ner Theil, keine einzele Saͤule, kein Fenſter, kein<lb/> angehaͤngtes Schnitzwerk, ſo hervor ſtehe, daß man<lb/> verfuͤhrt werden koͤnnte, die Betrachtung des Gan-<lb/> zen fahren zu laſſen, um ſeine Aufmerkſamkeit auf<lb/> das einzele zu richten. Wenn an einer Außen-<lb/> ſeite die Haupttheile ſich die Waage ſo halten, daß<lb/> keiner davon das Auge auf ſich zieht, bis es den<lb/> Eindruk des Ganzen genoſſen hat; wenn denn auch<lb/> die kleinen Theile das Auge an ſich loken, bis die<lb/> Haupttheile gefaßt ſind, ſo iſt ſie in ihrer Art voll-<lb/> kommen.</p><lb/> <p>Daß die Außenſeite die Art und den Geſchmak,<lb/> auch die beſondre Beſtimmung des ganzen Gebaͤu-<lb/> des anzeigen muͤſſe, iſt ſchon erinnert worden. Die<lb/> Ueberlegung dieſes Punkts iſt den Baumeiſtern um ſo<lb/> mehr zu empfehlen, als die Fehler, die man gegen dieſen<lb/> Grundſatz des guten Geſchmaks begeht, gar nicht<lb/> ſelten ſind. Ueberhaupt aber iſt zu wuͤnſchen, daß<lb/> <fw place="bottom" type="catch">man</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [116/0128]
Aus
Aus
vornehmſte iſt die, welche gegen den beſten Plaz von
außen geſtellt iſt, und an der der Haupteingang zum
Gebaͤude iſt. Eine gute Außenſeite traͤgt das mei-
ſte zu dem Anſehen eines Gebaͤudes bey. Die
Maße deſſelben iſt auch in den groͤßten und praͤch-
tigſten Gebaͤuden etwas ſo einfaches, daß das Auge
bald davon abgelenkt, und auf die beſondre Be-
trachtung der Außenſeite gerichtet wird.
Dem Gebaͤude von außen ein gutes Anſehen zu
geben, iſt ein wichtiger Theil der Kunſt. Die Auſ-
ſenſeiten muͤſſen gleich den Charakter des Gebaͤudes
an ſich tragen, und außer der allgemeinen Empfin-
dung des Wolgefallens, welches aus der Regel-
maͤßigkeit, Ordnung, Uebereinſtimmung der Theile
entſteht, die beſondern Empfindungen der Groͤße
oder Pracht, des Reichthums, der Anmuthigkeit
erweken. Der Geſchmak, der in den Außenſeiten
herrſcht, muß den Stand deſſen, der das Haus be-
wohnt, oder die Beſtimmung des Gebaͤudes anzei-
gen. Ein Tempel muß ſich an ſeinen Außenſeiten
anders zeigen, als ein Zeughaus; dieſes anders
als ein Vorrathshaus, oder als ein Pallaſt, oder
als das Haus eines Privatmannes.
Die meiſten Regeln der Baukunſt gehen auf die
Schoͤnheit der Außenſeiten, weil ſie vorzuͤglich
in die Augen fallen. Folgende Anmerkungen
koͤnnen als die erſten Grundſaͤtze angeſehen wer-
den, die man bey der Anordnung und Verzierung
der Außenſeiten zum beſtaͤndigen Leitfaden brauchen
muß.
Von einer ihr angemeſſenen Entfernung, die
dem Auge noch verſtattet, auch die kleinern Theile
zu unterſcheiden, muß ſie auf einmal, als ein fe-
ſtes, regelmaͤßiges und wolgeordnetes Ganzes,
in die Augen fallen. Dieſem Grundſaz zufolge,
muß ſie einen der Hoͤhe angemeßenen Fuß, und ein
ſolches Gebaͤlke haben. (S. Ganz.) Ferner muß
alles ſeine angemeſſene Groͤße und Staͤrke haben;
das Gebaͤude muß weder zu viel noch zu wenig
mit Fenſtern durchgebrochen ſeyn, weil im erſten
Fall das Anſehen der Feſtigkeit geſchwaͤcht wird;
im andern aber das Ganze zu plump ſcheinet.
Dieſem zufolge muͤſſen auch die Saͤnlen, wenn man
ſie anbringt, weder zu enge, noch zu weit ausein-
ander ſtehen. (S. Saͤulenweite.)
Alle herunter laufende Linien, muͤſſen genau
ſenkrecht, und alle queer uͤberlaufende genau
waagerecht gehen. Jede dieſer Linien muß ihren
beſtimmten Anfang und ihr beſtimmtes Ende ha-
ben, ſo daß keine ſich mitten an der Außenſeite ver-
liehret. Alle Achſen der Saͤulen und Pfeiler, die
uͤber einander ſtehen, muͤſſen eine einzige Linie aus-
machen, ſo wie die Mittellinien aller waagerecht
laufenden Glieder von einer Hoͤhe.
Jſt die Außenſeite von einer betraͤchtlichen
Groͤße, ſo muß ſie in mehrere Haupttheile oder
Parthien eingetheilt ſeyn. Von dieſen muß eine ge-
rade in der Mitte, als die Hauptparthie ſeyn,
welche durch ihre vorzuͤgliche Schoͤnheit das Auge
gleich an ſich zieht. Auf dieſe Weiſe entſteht recht
in der Mitte der Außenſeite eine Mittellinie, von
welcher das Auge die uͤbrigen Theile durchſchauet,
und die Uebereinſtimmung, Symmetrie und
Eurythmie abmißt. Dieſe Haupttheile muͤſſen ein
gutes Verhaͤltniß gegen einander haben, welches
ſchweerlich das Verhaͤltniß von 1 zu 2 uͤberſchrei-
ten kann. Sind die Theile neben der Mitte zu
groß, ſo muß man ſie wieder in kleinere abtheilen.
Die Außenſeiten leiden keine kleinen Zierrathen,
zumal, wenn ſie nicht als Theile andrer Theile, als
der Saͤulen oder Pfeiler, betrachtet werden. Denn
zu geſchweigen, daß ſie in der Entfernung, aus
welcher das Gebaͤude muß angeſehen werden, ver-
ſchwinden, ſo thun ſie noch die ſchaͤdliche Wuͤrkung,
daß ſie das Aug zerſtreuen, vom Ganzen abfuͤhren,
und auf einzele Theile richten, mit denen man das
Ganze nicht mehr vergleichen kann. Es iſt uͤber-
haupt ein hoͤchſtwichtiger Grundſatz, daß kein klei-
ner Theil, keine einzele Saͤule, kein Fenſter, kein
angehaͤngtes Schnitzwerk, ſo hervor ſtehe, daß man
verfuͤhrt werden koͤnnte, die Betrachtung des Gan-
zen fahren zu laſſen, um ſeine Aufmerkſamkeit auf
das einzele zu richten. Wenn an einer Außen-
ſeite die Haupttheile ſich die Waage ſo halten, daß
keiner davon das Auge auf ſich zieht, bis es den
Eindruk des Ganzen genoſſen hat; wenn denn auch
die kleinen Theile das Auge an ſich loken, bis die
Haupttheile gefaßt ſind, ſo iſt ſie in ihrer Art voll-
kommen.
Daß die Außenſeite die Art und den Geſchmak,
auch die beſondre Beſtimmung des ganzen Gebaͤu-
des anzeigen muͤſſe, iſt ſchon erinnert worden. Die
Ueberlegung dieſes Punkts iſt den Baumeiſtern um ſo
mehr zu empfehlen, als die Fehler, die man gegen dieſen
Grundſatz des guten Geſchmaks begeht, gar nicht
ſelten ſind. Ueberhaupt aber iſt zu wuͤnſchen, daß
man
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |