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Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 1. Leipzig, 1771.

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Bog
man ohne wichtige, aus der Nothwendigkeit entste-
hende Ursachen, nicht abgehen soll.

Die Höhe der Oefnung a b von dem Fußboden
bis an den Scheitel des Bogens, soll der doppelten
Breite c d gleich seyn. Die Nebenpfeiler werden
ein Model breit gemacht, zum Bogen wird ein vol-
ler halber Zirkel genommen, und vom Scheitel
des Bogens bis an den Unterbalken, wird b e
zwey Model genommen. Diese Verhältnisse geben
den Bogenstellungen das schönste Ansehen, und da-
nach muß nun alles übrige bestimmt werden. Ein
einziges Beyspiel wird hinlänglich seyn, zu zeigen,
wie die Eintheilungen zu machen seyen.

Es soll eine Bogenstellung mit dorischen Pfeilern
gemacht werden. Weil die dorischen Pfeiler mit
(*) S. Do-
risch.
zwey Untersätzen 18 Model hoch sind, (*) vom
Unterbalken an bis auf den Scheitel des Bogens,
im Lichten aber zwey Model gerechnet werden, so
blieben für die Höhe der Oefnungen (a b in der Fi-
gur) 16 Model übrig; mithin würde die Weite
c d 8 Model seyn müssen. Nun muß an jeder
Seite ein Model für die Breite des Nebenpfeilers,
und ebenfalls ein Model für die halbe Dike des
Pfeilers gerechnet werden; daher entsteht die Pfei-
lerweite f g von 12 Modeln.

Doch können diese Verhältnisse nicht allemal be-
obachtet werden. An dem Colisaum in Rom, wo
drey Bogenstellungen übereinander stehen, sind fol-
gende Verhältnisse beobachtet worden: die unter-
ste ist von dorischer Ordnung, die Säulenweite 14
Model und 11 Minuten; die Breite der Neben-
pfeiler beynahe 2 Model; die weite der Oefnungen
9 Model 281/2 Min. die Höhe nur 16 Model 13 Min.
Die zweyte Ordnung ist jonisch mit Säulenstühlen, die
aber mit der Brüstung der Oefnung in einem fort-
laufen. Die Säulenweite und die Breite der Ne-
benpfeiler, und die Weite der Oefnungen, sind wie
vorher. Die Höhe ist nur 14 Model 28 Min. und
fast eben so ist auch die dritte Ordnung.

Der äusserste Pfeiler einer Bogenstellung muß
nothwendig stärker seyn, als die andern, damit er
die Spannung des Bogens aushalte. Deswegen
setzt man auch insgemein zwey Wandpfeiler oder
Säulen auf der Eke neben einander. Von den Ein-
fassungen
der Bogen, von den Kämpfern und Schluß-
steinen,
ist in besondern Artikeln gesprochen worden.

Eine gothische und ziemlich abgeschmakte Art von
Bogenstellungen sieht man an dem Herzoglichen
[Spaltenumbruch]

Bou Bra
Pallast in Venedig, wo die Bogen auf schlechten
vierekigten Pfeilern stehen, davon jeder mit zwey
elenden Säulchen verzieret ist, die bis an die Käm-
pfer der Bogen reichen.

Bourree.
(Musik.)

Eine besondre Gattung eines Tonstüks zum Tan-
zen. Sein Charakter ist mäßige Freude. Der
Takt ist von , und fängt mit einem Viertel im
Aufschlag an. Die Bouree hat, wie die meisten
Tänze zwey Theile, von 4 oder 8 Takten. Es
kommt dabey ofte vor, daß der zweyte Theil der
ersten Zeit des Takts, durch eine Bindung auf eine
halbe Taktnote, mit dem ersten Theil der zweyten
Zeit zusammen gezogen wird; als

[Abbildung]
Brabandische Schule.

Wird sonst auch die flamändische Schule genennt.
Sie begreift eine Folge von vielen fürtreflichen
Mahlern, die in Braband und Flandern die Kunst
gelernt und getrieben haben. Vermuthlich hat
der Reichthum und eine ziemlich ruhige Regierung
verursachet, daß in den Niederlanden und vornehm-
lich in den beyden bemeldeten Provinzen, die schönen
Künste sehr früh und mit grossem Eifer getrieben
worden. Schon im 14ten Jahrhundert haben sie
gute Mahler gehabt, denen man den gemeinen
Nachrichten zufolge, die Erfindung der Mahlerey
in Oelfarben zu danken hat. Von derselben Zeit
an hat es in diesen Ländern niemals an Mahlern ge-
fehlt, die, vornehmlich durch eine vorzügliche Voll-
kommenheit der Farbengebung, andern zum Mu-
ster dienen können. Gegenwärtig aber ist diese
Schule fast ganz eingegangen.

Es ist unnöthig hier ein Verzeichniß der zu die-
ser Schule gehörigen Künstler zu geben. Wer von
dem Werth der Künstler aus dieser Schule, beson-
ders der zwey grossen Lichter derselben, Rubens
und van Dyk, richtig urtheilen will, muß noth-
wendig in dem Lande selbst gewesen seyn; denn
wer blos die, ausser den Niederlanden zerstreute
Gemählde derselben, gesehen hat, der kann sich
nur einen sehr unvollkommenen Begriff von der
Stärke dieser Künstler machen.

C.
Z 3

[Spaltenumbruch]

Bog
man ohne wichtige, aus der Nothwendigkeit entſte-
hende Urſachen, nicht abgehen ſoll.

Die Hoͤhe der Oefnung a b von dem Fußboden
bis an den Scheitel des Bogens, ſoll der doppelten
Breite c d gleich ſeyn. Die Nebenpfeiler werden
ein Model breit gemacht, zum Bogen wird ein vol-
ler halber Zirkel genommen, und vom Scheitel
des Bogens bis an den Unterbalken, wird b e
zwey Model genommen. Dieſe Verhaͤltniſſe geben
den Bogenſtellungen das ſchoͤnſte Anſehen, und da-
nach muß nun alles uͤbrige beſtimmt werden. Ein
einziges Beyſpiel wird hinlaͤnglich ſeyn, zu zeigen,
wie die Eintheilungen zu machen ſeyen.

Es ſoll eine Bogenſtellung mit doriſchen Pfeilern
gemacht werden. Weil die doriſchen Pfeiler mit
(*) S. Do-
riſch.
zwey Unterſaͤtzen 18 Model hoch ſind, (*) vom
Unterbalken an bis auf den Scheitel des Bogens,
im Lichten aber zwey Model gerechnet werden, ſo
blieben fuͤr die Hoͤhe der Oefnungen (a b in der Fi-
gur) 16 Model uͤbrig; mithin wuͤrde die Weite
c d 8 Model ſeyn muͤſſen. Nun muß an jeder
Seite ein Model fuͤr die Breite des Nebenpfeilers,
und ebenfalls ein Model fuͤr die halbe Dike des
Pfeilers gerechnet werden; daher entſteht die Pfei-
lerweite f g von 12 Modeln.

Doch koͤnnen dieſe Verhaͤltniſſe nicht allemal be-
obachtet werden. An dem Coliſaum in Rom, wo
drey Bogenſtellungen uͤbereinander ſtehen, ſind fol-
gende Verhaͤltniſſe beobachtet worden: die unter-
ſte iſt von doriſcher Ordnung, die Saͤulenweite 14
Model und 11 Minuten; die Breite der Neben-
pfeiler beynahe 2 Model; die weite der Oefnungen
9 Model 28½ Min. die Hoͤhe nur 16 Model 13 Min.
Die zweyte Ordnung iſt joniſch mit Saͤulenſtuͤhlen, die
aber mit der Bruͤſtung der Oefnung in einem fort-
laufen. Die Saͤulenweite und die Breite der Ne-
benpfeiler, und die Weite der Oefnungen, ſind wie
vorher. Die Hoͤhe iſt nur 14 Model 28 Min. und
faſt eben ſo iſt auch die dritte Ordnung.

Der aͤuſſerſte Pfeiler einer Bogenſtellung muß
nothwendig ſtaͤrker ſeyn, als die andern, damit er
die Spannung des Bogens aushalte. Deswegen
ſetzt man auch insgemein zwey Wandpfeiler oder
Saͤulen auf der Eke neben einander. Von den Ein-
faſſungen
der Bogen, von den Kaͤmpfern und Schluß-
ſteinen,
iſt in beſondern Artikeln geſprochen worden.

Eine gothiſche und ziemlich abgeſchmakte Art von
Bogenſtellungen ſieht man an dem Herzoglichen
[Spaltenumbruch]

Bou Bra
Pallaſt in Venedig, wo die Bogen auf ſchlechten
vierekigten Pfeilern ſtehen, davon jeder mit zwey
elenden Saͤulchen verzieret iſt, die bis an die Kaͤm-
pfer der Bogen reichen.

Bourree.
(Muſik.)

Eine beſondre Gattung eines Tonſtuͤks zum Tan-
zen. Sein Charakter iſt maͤßige Freude. Der
Takt iſt von , und faͤngt mit einem Viertel im
Aufſchlag an. Die Bouree hat, wie die meiſten
Taͤnze zwey Theile, von 4 oder 8 Takten. Es
kommt dabey ofte vor, daß der zweyte Theil der
erſten Zeit des Takts, durch eine Bindung auf eine
halbe Taktnote, mit dem erſten Theil der zweyten
Zeit zuſammen gezogen wird; als

[Abbildung]
Brabandiſche Schule.

Wird ſonſt auch die flamaͤndiſche Schule genennt.
Sie begreift eine Folge von vielen fuͤrtreflichen
Mahlern, die in Braband und Flandern die Kunſt
gelernt und getrieben haben. Vermuthlich hat
der Reichthum und eine ziemlich ruhige Regierung
verurſachet, daß in den Niederlanden und vornehm-
lich in den beyden bemeldeten Provinzen, die ſchoͤnen
Kuͤnſte ſehr fruͤh und mit groſſem Eifer getrieben
worden. Schon im 14ten Jahrhundert haben ſie
gute Mahler gehabt, denen man den gemeinen
Nachrichten zufolge, die Erfindung der Mahlerey
in Oelfarben zu danken hat. Von derſelben Zeit
an hat es in dieſen Laͤndern niemals an Mahlern ge-
fehlt, die, vornehmlich durch eine vorzuͤgliche Voll-
kommenheit der Farbengebung, andern zum Mu-
ſter dienen koͤnnen. Gegenwaͤrtig aber iſt dieſe
Schule faſt ganz eingegangen.

Es iſt unnoͤthig hier ein Verzeichniß der zu die-
ſer Schule gehoͤrigen Kuͤnſtler zu geben. Wer von
dem Werth der Kuͤnſtler aus dieſer Schule, beſon-
ders der zwey groſſen Lichter derſelben, Rubens
und van Dyk, richtig urtheilen will, muß noth-
wendig in dem Lande ſelbſt geweſen ſeyn; denn
wer blos die, auſſer den Niederlanden zerſtreute
Gemaͤhlde derſelben, geſehen hat, der kann ſich
nur einen ſehr unvollkommenen Begriff von der
Staͤrke dieſer Kuͤnſtler machen.

C.
Z 3
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[181/0193] Bog Bou Bra man ohne wichtige, aus der Nothwendigkeit entſte- hende Urſachen, nicht abgehen ſoll. Die Hoͤhe der Oefnung a b von dem Fußboden bis an den Scheitel des Bogens, ſoll der doppelten Breite c d gleich ſeyn. Die Nebenpfeiler werden ein Model breit gemacht, zum Bogen wird ein vol- ler halber Zirkel genommen, und vom Scheitel des Bogens bis an den Unterbalken, wird b e zwey Model genommen. Dieſe Verhaͤltniſſe geben den Bogenſtellungen das ſchoͤnſte Anſehen, und da- nach muß nun alles uͤbrige beſtimmt werden. Ein einziges Beyſpiel wird hinlaͤnglich ſeyn, zu zeigen, wie die Eintheilungen zu machen ſeyen. Es ſoll eine Bogenſtellung mit doriſchen Pfeilern gemacht werden. Weil die doriſchen Pfeiler mit zwey Unterſaͤtzen 18 Model hoch ſind, (*) vom Unterbalken an bis auf den Scheitel des Bogens, im Lichten aber zwey Model gerechnet werden, ſo blieben fuͤr die Hoͤhe der Oefnungen (a b in der Fi- gur) 16 Model uͤbrig; mithin wuͤrde die Weite c d 8 Model ſeyn muͤſſen. Nun muß an jeder Seite ein Model fuͤr die Breite des Nebenpfeilers, und ebenfalls ein Model fuͤr die halbe Dike des Pfeilers gerechnet werden; daher entſteht die Pfei- lerweite f g von 12 Modeln. (*) S. Do- riſch. Doch koͤnnen dieſe Verhaͤltniſſe nicht allemal be- obachtet werden. An dem Coliſaum in Rom, wo drey Bogenſtellungen uͤbereinander ſtehen, ſind fol- gende Verhaͤltniſſe beobachtet worden: die unter- ſte iſt von doriſcher Ordnung, die Saͤulenweite 14 Model und 11 Minuten; die Breite der Neben- pfeiler beynahe 2 Model; die weite der Oefnungen 9 Model 28½ Min. die Hoͤhe nur 16 Model 13 Min. Die zweyte Ordnung iſt joniſch mit Saͤulenſtuͤhlen, die aber mit der Bruͤſtung der Oefnung in einem fort- laufen. Die Saͤulenweite und die Breite der Ne- benpfeiler, und die Weite der Oefnungen, ſind wie vorher. Die Hoͤhe iſt nur 14 Model 28 Min. und faſt eben ſo iſt auch die dritte Ordnung. Der aͤuſſerſte Pfeiler einer Bogenſtellung muß nothwendig ſtaͤrker ſeyn, als die andern, damit er die Spannung des Bogens aushalte. Deswegen ſetzt man auch insgemein zwey Wandpfeiler oder Saͤulen auf der Eke neben einander. Von den Ein- faſſungen der Bogen, von den Kaͤmpfern und Schluß- ſteinen, iſt in beſondern Artikeln geſprochen worden. Eine gothiſche und ziemlich abgeſchmakte Art von Bogenſtellungen ſieht man an dem Herzoglichen Pallaſt in Venedig, wo die Bogen auf ſchlechten vierekigten Pfeilern ſtehen, davon jeder mit zwey elenden Saͤulchen verzieret iſt, die bis an die Kaͤm- pfer der Bogen reichen. Bourree. (Muſik.) Eine beſondre Gattung eines Tonſtuͤks zum Tan- zen. Sein Charakter iſt maͤßige Freude. Der Takt iſt von [FORMEL], und faͤngt mit einem Viertel im Aufſchlag an. Die Bouree hat, wie die meiſten Taͤnze zwey Theile, von 4 oder 8 Takten. Es kommt dabey ofte vor, daß der zweyte Theil der erſten Zeit des Takts, durch eine Bindung auf eine halbe Taktnote, mit dem erſten Theil der zweyten Zeit zuſammen gezogen wird; als [Abbildung] Brabandiſche Schule. Wird ſonſt auch die flamaͤndiſche Schule genennt. Sie begreift eine Folge von vielen fuͤrtreflichen Mahlern, die in Braband und Flandern die Kunſt gelernt und getrieben haben. Vermuthlich hat der Reichthum und eine ziemlich ruhige Regierung verurſachet, daß in den Niederlanden und vornehm- lich in den beyden bemeldeten Provinzen, die ſchoͤnen Kuͤnſte ſehr fruͤh und mit groſſem Eifer getrieben worden. Schon im 14ten Jahrhundert haben ſie gute Mahler gehabt, denen man den gemeinen Nachrichten zufolge, die Erfindung der Mahlerey in Oelfarben zu danken hat. Von derſelben Zeit an hat es in dieſen Laͤndern niemals an Mahlern ge- fehlt, die, vornehmlich durch eine vorzuͤgliche Voll- kommenheit der Farbengebung, andern zum Mu- ſter dienen koͤnnen. Gegenwaͤrtig aber iſt dieſe Schule faſt ganz eingegangen. Es iſt unnoͤthig hier ein Verzeichniß der zu die- ſer Schule gehoͤrigen Kuͤnſtler zu geben. Wer von dem Werth der Kuͤnſtler aus dieſer Schule, beſon- ders der zwey groſſen Lichter derſelben, Rubens und van Dyk, richtig urtheilen will, muß noth- wendig in dem Lande ſelbſt geweſen ſeyn; denn wer blos die, auſſer den Niederlanden zerſtreute Gemaͤhlde derſelben, geſehen hat, der kann ſich nur einen ſehr unvollkommenen Begriff von der Staͤrke dieſer Kuͤnſtler machen. C. Z 3

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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 1. Leipzig, 1771, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie01_1771/193>, abgerufen am 27.11.2024.