Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 1. Leipzig, 1771.[Spaltenumbruch] Car gemacht werden (S. frische Kalkmahl.) Jn demandern Fall, werden die Cartone hinter oder unter den Einschlag der Tapete gelegt, damit alles nach der Zeichnung derselben könne verfertiget werden, deswegen auch diese Cartone mit Farben ausge- führt seyn müssen. Jn England werden noch einige Originalcartone aufbehalten, welche Ra- phael für Tapeten gemacht hat. Diese berühmte Stüke, welche sieben Geschichten aus dem N. Test. vorstellen, sind von dem König Carl I. gekauft, und nachher in dem Pallast von Hamptoncourt aufbewahrt worden, wo sie noch zu sehen sind. Sie gehören unter die vollkommensten Arbeiten des Raphaels, folglich unter die vollkommensten Werke der Mahlerkunst. Eine umständliche histori- sche und critische Beschreibung derselben giebt Ki- chardson. Dorigny hat sie nach den Originalen gezeichnet und gestochen. Von diesen Stüken sind auch verschiedene Nachstiche gemacht worden. Cartusche. (Zeichnende Künste.) Eine gemahlte oder geschnitzte Zierrath, welche Car Cha Caryatiden. (Baukunst.) Sind in der Baukunst Säulen oder Stützen nach Charakter. (Schöne Künste.) Das eigenthümliche oder unterscheidende in einer Die schönen Künste, welche Gegenstände aus der in
[Spaltenumbruch] Car gemacht werden (S. friſche Kalkmahl.) Jn demandern Fall, werden die Cartone hinter oder unter den Einſchlag der Tapete gelegt, damit alles nach der Zeichnung derſelben koͤnne verfertiget werden, deswegen auch dieſe Cartone mit Farben ausge- fuͤhrt ſeyn muͤſſen. Jn England werden noch einige Originalcartone aufbehalten, welche Ra- phael fuͤr Tapeten gemacht hat. Dieſe beruͤhmte Stuͤke, welche ſieben Geſchichten aus dem N. Teſt. vorſtellen, ſind von dem Koͤnig Carl I. gekauft, und nachher in dem Pallaſt von Hamptoncourt aufbewahrt worden, wo ſie noch zu ſehen ſind. Sie gehoͤren unter die vollkommenſten Arbeiten des Raphaels, folglich unter die vollkommenſten Werke der Mahlerkunſt. Eine umſtaͤndliche hiſtori- ſche und critiſche Beſchreibung derſelben giebt Ki- chardſon. Dorigny hat ſie nach den Originalen gezeichnet und geſtochen. Von dieſen Stuͤken ſind auch verſchiedene Nachſtiche gemacht worden. Cartuſche. (Zeichnende Kuͤnſte.) Eine gemahlte oder geſchnitzte Zierrath, welche Car Cha Caryatiden. (Baukunſt.) Sind in der Baukunſt Saͤulen oder Stuͤtzen nach Charakter. (Schoͤne Kuͤnſte.) Das eigenthuͤmliche oder unterſcheidende in einer Die ſchoͤnen Kuͤnſte, welche Gegenſtaͤnde aus der in
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Car
Car Cha
gemacht werden (S. friſche Kalkmahl.) Jn dem
andern Fall, werden die Cartone hinter oder unter
den Einſchlag der Tapete gelegt, damit alles nach
der Zeichnung derſelben koͤnne verfertiget werden,
deswegen auch dieſe Cartone mit Farben ausge-
fuͤhrt ſeyn muͤſſen. Jn England werden noch
einige Originalcartone aufbehalten, welche Ra-
phael fuͤr Tapeten gemacht hat. Dieſe beruͤhmte
Stuͤke, welche ſieben Geſchichten aus dem N. Teſt.
vorſtellen, ſind von dem Koͤnig Carl I. gekauft,
und nachher in dem Pallaſt von Hamptoncourt
aufbewahrt worden, wo ſie noch zu ſehen ſind.
Sie gehoͤren unter die vollkommenſten Arbeiten
des Raphaels, folglich unter die vollkommenſten
Werke der Mahlerkunſt. Eine umſtaͤndliche hiſtori-
ſche und critiſche Beſchreibung derſelben giebt Ki-
chardſon. Dorigny hat ſie nach den Originalen
gezeichnet und geſtochen. Von dieſen Stuͤken ſind
auch verſchiedene Nachſtiche gemacht worden.
Cartuſche.
(Zeichnende Kuͤnſte.)
Eine gemahlte oder geſchnitzte Zierrath, welche
einen angehefteten Wapenſchild vorſtellt, darin ein
Wapen, oder ein Sinnbild, oder eine Schrift kann
geſetzt werden. Vermuthlich ſind ſie zuerſt in der
Baukunſt aufgekommen, da man uͤber Thuͤren,
oder an den Giebeln der Haͤuſer, ſolche Schilde mit
dem Wapen des Eigenthuͤmers hingeſetzt hat. Von
da hat ſich ihr Gebrauch weiter erſtrekt, ſo daß man
ſie jetzo an ſehr verſchiedenen Oertern, uͤber Thuͤren,
Fenſtern, an den Stuͤrzen der Camine, und an allen
Arten der Einfaſſungen, ingleichen uͤberall, wo
Aufſchriften ſollen oder koͤnnten geſetzt werden, an-
bringt. Jhre Form hat nichts beſtimmtes. Die
Kuͤnſtler ſchweiffen in keiner Sache mehr aus als
in dieſer Zierrath, wo ſie ihrer Phantaſie vollen
Lauf laſſen. Jhr Gebrauch wird ſehr uͤbertrieben;
denn unwiſſende Verzierer und Bildhauer bringen
ſie uͤberall an, um nur nichts unverziert zu laſſen.
Jn ihrer Form ſind ſie ſo ausſchweiffend, daß man
ofte nicht errathen kann, was es ſeyn ſoll; viele
halten es vor eine Schoͤnheit der Cartuſche Fluͤgel
anzuhaͤngen, daß es ſcheinen ſoll, als wenn ſie da-
von fliegen wolle. So weit kommt man in der
Ausſchweiffung, wenn man einmal von dem wah-
ren Gebrauch und den Abſichten der Verzierungen
abgewichen iſt.
Caryatiden.
(Baukunſt.)
Sind in der Baukunſt Saͤulen oder Stuͤtzen nach
der Geſtalt weiblicher Figuren ausgehauen, denen
man eigentlich den Namen der Bildſaͤulen geben
ſollte, weil ſie zugleich Bilder und Saͤulen ſind.
Sie ſind bey folgender Gelegenheit in die Baukunſt
eingefuͤhrt worden. Weil die Stadt Carya in dem
Peloponneſus ſich zu den Perſern geſchlagen, da
dieſe gekommen Griechenland zuerobern, ſo wurde
nach der Niederlage der Perſer dieſe abtruͤnnige
Stadt von den Griechen eingenommen; alle Maͤn-
ner wurden umgebracht, und das weibliche Ge-
ſchlecht in die Sclaverey verurtheilt. Das Anden-
ken dieſer Sache wollten die griechiſchen Baumeiſter
dadurch verewigen, daß ſie Bildſaͤulen in der Tracht
der caryatiſchen Frauen in den Gebaͤuden anbrach-
ten, und ſie als Sclaven vorſtellten, welche die
ſchweereſten Laſten tragen muͤſſen. Sie werden zu
Unterſtuͤtzung hervorſtehender Theile, (dergleichen die
Balkone oder die Choͤre in Muſik- und Tanzſaͤlen,
erhabenen Gallerien — ſind) oder auch wol der Ge-
baͤlke gebraucht. Jnsgemein werden ſie ohne Aerme,
mit einem beſondern Putz von geflochtenen Haaren,
mit langem dichte an dem Leib anliegenden Gewand
vorgeſtellt. Einige Baumeiſter ſetzen ſie auf ordent-
liche Saͤulenfuͤße, und legen doriſche Capitaͤle dar-
auf. Das unnatuͤrliche dieſer Bildſaͤulen wird ofte
durch die Schoͤnheit der Figuren ertraͤglich gemacht,
und nur die edle Liebe zur Freyheit, welche die
Griechen belebt hat, kann die Art von Wuth ent-
ſchuldigen, welche dieſe Zierrathen eingefuͤhrt hat.
Eine Nachahmung der Caryatiden ſind die Perſer,
eine andre Art Bildſaͤulen.
Charakter.
(Schoͤne Kuͤnſte.)
Das eigenthuͤmliche oder unterſcheidende in einer
Sache, wodurch ſie ſich von andern ihrer Art aus-
zeichnet.
Die ſchoͤnen Kuͤnſte, welche Gegenſtaͤnde aus der
ſichtbaren und unſichtbaren Natur zur Betrachtung
darſtellen, muͤſſen jeden ſo bezeichnen, daß die Gat-
tung, zu der er gehoͤrt, oder auch das beſondre,
wodurch er von jedem andern ſeiner Art unterſchie-
den wird, kann erkennt werden. Demnach iſt die
genaue Bemerkung des Charakteriſtiſchen, ein Haupt-
theil der Kunſt. Der Mahler muß jedem Gegenſtand
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