Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 1. Leipzig, 1771.[Spaltenumbruch]
Geg Man kann aber den Gebrauch des Gegensatzes Also müssen Redner und Dichter mit der Figur, Dieser Gegensatz ist von dem beschriebenen fast so Mit Verstand und am rechten Ort angebracht, -- qui fragilem truci Man findet so gar, daß bisweilen eine ganze Reyhe Geg Conferte hanc pacem cum illo bello; hujus praetorisadventum cum illius imperatoris victoria; hujus cohortem impuram cum illius exercitu invicto; hujus libidines, cum illius continentia: ab illo, qui cepit, conditas, ab hoc, qui constitutas accepit, captas dicetis Syracusas. (*) Aber selbst Cicero ist(*) Cicero in Verrem Or. IV. hier nicht ohne Tadel. Bey einer so ernsthaften Sache, als die wovon hier geredet wird, sollte der Redner nicht Zeit haben, so viel Antithesen an ein- ander zu hängen. Es würde dem Tone, der hier herrschen sollte, weit angemessener gewesen seyn, wenn nicht das Einzele dem Einzeln, sondern das Ganze dem Ganzen wär entgegen gesetzt worden, wie hier: Quam (legem) non didicimus, accepi- mus, legimus, verum ex natura ipsa arripuimus, expressimus, hausimus. Gegensatz. Contrasubject. (Musik) Jst in der Fuge eine, währendem Gesang des Füh- [Abbildung]
So würde der Hauptgesang noch eher den Ton in K k k 2
[Spaltenumbruch]
Geg Man kann aber den Gebrauch des Gegenſatzes Alſo muͤſſen Redner und Dichter mit der Figur, Dieſer Gegenſatz iſt von dem beſchriebenen faſt ſo Mit Verſtand und am rechten Ort angebracht, — qui fragilem truci Man findet ſo gar, daß bisweilen eine ganze Reyhe Geg Conferte hanc pacem cum illo bello; hujus prætorisadventum cum illius imperatoris victoria; hujus cohortem impuram cum illius exercitu invicto; hujus libidines, cum illius continentia: ab illo, qui cepit, conditas, ab hoc, qui conſtitutas accepit, captas dicetis Syracuſas. (*) Aber ſelbſt Cicero iſt(*) Cicero in Verrem Or. IV. hier nicht ohne Tadel. Bey einer ſo ernſthaften Sache, als die wovon hier geredet wird, ſollte der Redner nicht Zeit haben, ſo viel Antitheſen an ein- ander zu haͤngen. Es wuͤrde dem Tone, der hier herrſchen ſollte, weit angemeſſener geweſen ſeyn, wenn nicht das Einzele dem Einzeln, ſondern das Ganze dem Ganzen waͤr entgegen geſetzt worden, wie hier: Quam (legem) non didicimus, accepi- mus, legimus, verum ex natura ipſa arripuimus, expreſſimus, hauſimus. Gegenſatz. Contraſubject. (Muſik) Jſt in der Fuge eine, waͤhrendem Geſang des Fuͤh- [Abbildung]
So wuͤrde der Hauptgeſang noch eher den Ton in K k k 2
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So wenig man Gleichniſſe und mahlende<lb/> Bilder haͤufen muß, ſo wenig ſoll dieſes mit dem<lb/> Gegenſatz der Gedanken und Begriffe geſchehen.<lb/> Er iſt nur da nuͤtzlich, wo viel darauf ankoͤmmt,<lb/> daß einzele Gedanken oder Begriffe vollkommen leb-<lb/> haft oder deutlich werden.</p><lb/> <p>Alſo muͤſſen Redner und Dichter mit der Figur,<lb/> die man <hi rendition="#aq">Antitheſis</hi> nennt, und die eine blos zur<lb/> Schreibart gehoͤrige Gattung des Gegenſatzes iſt,<lb/> behutſam umgehen.</p><lb/> <p>Dieſer Gegenſatz iſt von dem beſchriebenen faſt ſo<lb/> unterſchieden, wie die Metapher von dem Gleich-<lb/> niß. 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Geg
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Man kann aber den Gebrauch des Gegenſatzes
auch leicht uͤbertreiben, und dadurch ins Gezierte
fallen. Die Redner und Dichter, die in dem Wahn
ſtehen, man koͤnne keinen Charakter, und kaum ei-
nen einzeln Gedanken vortragen, ohne ihm einen
Gegenſatz zu geben, fallen dadurch leicht ins Abge-
ſchmakte. Man muß ihn mit eben der wirthſchaft-
lichen Klugheit gebrauchen, wie andre Wuͤrzen der
Rede. So wenig man Gleichniſſe und mahlende
Bilder haͤufen muß, ſo wenig ſoll dieſes mit dem
Gegenſatz der Gedanken und Begriffe geſchehen.
Er iſt nur da nuͤtzlich, wo viel darauf ankoͤmmt,
daß einzele Gedanken oder Begriffe vollkommen leb-
haft oder deutlich werden.
Alſo muͤſſen Redner und Dichter mit der Figur,
die man Antitheſis nennt, und die eine blos zur
Schreibart gehoͤrige Gattung des Gegenſatzes iſt,
behutſam umgehen.
Dieſer Gegenſatz iſt von dem beſchriebenen faſt ſo
unterſchieden, wie die Metapher von dem Gleich-
niß. Denn wie in dem Gleichniß, ſo wol das Bild,
als das Gegenbild, jedes beſonder beſchrieben, in
der Metapher aber beyde in einen Gegenſtand ver-
einiget werden, ſo werden im Gegenſatz, den wir
beſchrieben haben, beyde Gegenſtaͤnde beſonders dar-
geſtellt, in der Antitheſe aber werden ſie in einen
einzigen Gedanken verbunden, oder der Gegenſatz
wird gleichſam nur im Vorbeygang beruͤhrt. Ein
ſolcher Gegenſatz liegt in folgenden Worten: Vol-
vitur ille vomens calidum de pectore flumen fri-
gidus, (*) da die Woͤrter calidum und frigidus
einander entgegengeſetzt werden. Die ganze Schreib-
art mit ſolchen kleinen Gegenſaͤtzen gleichſam zu ver-
braͤmen, wie ſo viele franzoͤſiſche Schriftſteller thun,
iſt eine dem guten Geſchmak ganz zuwiderlaufende
Sache. Die Menge kleiner Gegenſaͤtze macht, daß
man nicht Zeit hat, auf den Zuſammenhang der Ge-
danken Achtung zu geben; indem die Aufmerkſam-
keit offenbar von der Hauptſach abgezogen, und nur
auf einzele Redensarten gelenkt wird.
(*) Aen.
IX. 414.
Mit Verſtand und am rechten Ort angebracht,
thut dieſe Figur fuͤrtreffliche Wuͤrkung, wie z. B.
in dieſer Stelle des Horaz
— qui fragilem truci
Commiſit pelago ratem.
Man findet ſo gar, daß bisweilen eine ganze Reyhe
ſolcher Gegenſaͤtze von großen Meiſtern gebraucht
werden, wovon folgendes zum Beyſpiel dienen kann.
Conferte hanc pacem cum illo bello; hujus prætoris
adventum cum illius imperatoris victoria; hujus
cohortem impuram cum illius exercitu invicto;
hujus libidines, cum illius continentia: ab illo, qui
cepit, conditas, ab hoc, qui conſtitutas accepit,
captas dicetis Syracuſas. (*) Aber ſelbſt Cicero iſt
hier nicht ohne Tadel. Bey einer ſo ernſthaften
Sache, als die wovon hier geredet wird, ſollte der
Redner nicht Zeit haben, ſo viel Antitheſen an ein-
ander zu haͤngen. Es wuͤrde dem Tone, der hier
herrſchen ſollte, weit angemeſſener geweſen ſeyn,
wenn nicht das Einzele dem Einzeln, ſondern das
Ganze dem Ganzen waͤr entgegen geſetzt worden,
wie hier: Quam (legem) non didicimus, accepi-
mus, legimus, verum ex natura ipſa arripuimus,
expreſſimus, hauſimus.
(*) Cicero
in Verrem
Or. IV.
Gegenſatz. Contraſubject.
(Muſik)
Jſt in der Fuge eine, waͤhrendem Geſang des Fuͤh-
rers eintretende Zwiſchenſtimme, wovon in dem Ar-
tikel Fuge ein Beyſpiel zu ſehen iſt. Es iſt eben
nicht allemal nothwendig, ſolche Gegenſaͤtze in den
Fugen anzubringen, bisweilen aber werden ſie noth-
wendig. Dieſes geſchieht 1. wenn das Hauptthema
oder der Fuͤhrer ſo beſchaffen iſt, daß er den Ton
nicht hinlaͤnglich beſtimmt, welches bisweilen ge-
ſchieht, wenn er in der Dominante eines dur Tons
anfaͤngt und ſeinen Umfang eine Octave aufwaͤrts
nihmt. Wenn z. E. eine Fuge in C dur ſo
anfienge:
[Abbildung]
So wuͤrde der Hauptgeſang noch eher den Ton
G dur, als C dur beſtimmen. Dieſes zu verhin-
dern dienet der gleich von Anfang eintretende Gegen-
ſatz, da die Toͤne e und c im erſten Takt, und der
Ton f im zweyten, ſo gleich den Ton beſtimmen.
2. Auch iſt ein Gegenſatz noͤthig, oder doch ſehr gut,
wenn eine Fuge mit ganzen Takten und ſehr lang-
ſam anfaͤngt, da denn ein ſolches Zwiſchenſpiel das
Langweilige des Geſanges unterbricht. 3. Wenn
in
K k k 2
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