Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 1. Leipzig, 1771.[Spaltenumbruch] Gru vor uns sehen, mehr, als eine auf einmal klar insGesicht zu fassen. Ein aus viel einzelen Gegen- ständen bestehendes Werk bekömmt dadurch, daß die sich zusammen schikende einzele Theile in wenige Massen gesammelt werden, eine Einfalt, die uns verstattet das Ganze zu fassen; so wie wir von den größten Zahlen, so bald sie Kunstmäßig durch we- nig Ziffern ausgedrukt werden, einen klaren Be- griff bekommen. Wenn wir z. B. die Zahl hun- dert in diesen drey Summen oder Gruppen sehen 60 + 30 + 10; so werden wir ohne Mühe eine klare Vorstellung von dieser Summe haben, wozu wir nicht ohne sehr große Mühe gelangen würden, wenn wir sie in sehr viel einzeln Theilen, wie z. E. so: 2 + 3 + 7 + 9 + 14 u. s. f. vor uns sehen. Dieses ist also der erste Vortheil, den wir vom Grup- piren haben, daß es die Hauptvorstellung des Gan- zen erleichtert, und ihm Klarheit, Einfalt, folglich Faßlichkeit giebt. Durch das Gruppiren wird das Viele als wenig vorgestellt, um auf einmal zu wür- ken; daher ofte der Charakter der Größe selbst, aus einer geschikten Gruppirung entsteht. Jn den Gegenständen, die man auf einmal über- Endlich dienet das Gruppiren auch überhaupt Gru Würkung, die sie haben soll, wenn jeder Theil indem ihm zukommenden Rang erscheinet. Dieses aber wird durch eine geschikte Gruppirung erhalten. Die wichtigsten Theile kommen in die Hauptgruppen; in jeder Gruppe aber kommen wieder die Haupt- theile an den sichtbaresten Ort, die Nebensachen aber dahin, wo sie die ihm zukommende Würkung am besten thun. Es giebt in jedem Werke der Kunst Theile, die nicht als Theile des Ganzen, sondern als Theile grösserer Haupttheile erscheinen; diese kleinen Theile müssen so angeordnet seyn, daß es dem Auge nicht möglich wird, sie gegen das Ganze zu halten; es muß sie nur gegen das kleinere Ganze der Gruppe, zu der sie gehören, stellen. Diesen Kunstgriff hat die Natur an dem Bau des mensch- lichen Körpers auf das Vollkommenste beobachtet. Es fällt Niemanden ein, die Nase oder den Mund in seinem Verhältniß gegen den ganzen Leib zu be- trachten, sondern blos in dem Verhältniß gegen das Gesicht; dieses aber wird, als ein Haupttheil, in seinem Verhältnis gegen den Rumpf abgemessen. So wissen geschikte Baumeister die Theile der Aussenseite eines Gebäudes geschikt zu gruppiren, daß es uns nicht einfallen kann, kleinere Theile, als Fenster, oder gar einzele Glieder, gegen das Ganze zu hal- ten, sondern allemal gegen die Haupttheile, von de- nen sie Theile sind. Also hat nicht nur der Mahler, sondern jeder Nicht nur die Gegenstände, die man auf einmal Die-
[Spaltenumbruch] Gru vor uns ſehen, mehr, als eine auf einmal klar insGeſicht zu faſſen. Ein aus viel einzelen Gegen- ſtaͤnden beſtehendes Werk bekoͤmmt dadurch, daß die ſich zuſammen ſchikende einzele Theile in wenige Maſſen geſammelt werden, eine Einfalt, die uns verſtattet das Ganze zu faſſen; ſo wie wir von den groͤßten Zahlen, ſo bald ſie Kunſtmaͤßig durch we- nig Ziffern ausgedrukt werden, einen klaren Be- griff bekommen. Wenn wir z. B. die Zahl hun- dert in dieſen drey Summen oder Gruppen ſehen 60 + 30 + 10; ſo werden wir ohne Muͤhe eine klare Vorſtellung von dieſer Summe haben, wozu wir nicht ohne ſehr große Muͤhe gelangen wuͤrden, wenn wir ſie in ſehr viel einzeln Theilen, wie z. E. ſo: 2 + 3 + 7 + 9 + 14 u. ſ. f. vor uns ſehen. Dieſes iſt alſo der erſte Vortheil, den wir vom Grup- piren haben, daß es die Hauptvorſtellung des Gan- zen erleichtert, und ihm Klarheit, Einfalt, folglich Faßlichkeit giebt. Durch das Gruppiren wird das Viele als wenig vorgeſtellt, um auf einmal zu wuͤr- ken; daher ofte der Charakter der Groͤße ſelbſt, aus einer geſchikten Gruppirung entſteht. Jn den Gegenſtaͤnden, die man auf einmal uͤber- Endlich dienet das Gruppiren auch uͤberhaupt Gru Wuͤrkung, die ſie haben ſoll, wenn jeder Theil indem ihm zukommenden Rang erſcheinet. Dieſes aber wird durch eine geſchikte Gruppirung erhalten. Die wichtigſten Theile kommen in die Hauptgruppen; in jeder Gruppe aber kommen wieder die Haupt- theile an den ſichtbareſten Ort, die Nebenſachen aber dahin, wo ſie die ihm zukommende Wuͤrkung am beſten thun. Es giebt in jedem Werke der Kunſt Theile, die nicht als Theile des Ganzen, ſondern als Theile groͤſſerer Haupttheile erſcheinen; dieſe kleinen Theile muͤſſen ſo angeordnet ſeyn, daß es dem Auge nicht moͤglich wird, ſie gegen das Ganze zu halten; es muß ſie nur gegen das kleinere Ganze der Gruppe, zu der ſie gehoͤren, ſtellen. Dieſen Kunſtgriff hat die Natur an dem Bau des menſch- lichen Koͤrpers auf das Vollkommenſte beobachtet. Es faͤllt Niemanden ein, die Naſe oder den Mund in ſeinem Verhaͤltniß gegen den ganzen Leib zu be- trachten, ſondern blos in dem Verhaͤltniß gegen das Geſicht; dieſes aber wird, als ein Haupttheil, in ſeinem Verhaͤltnis gegen den Rumpf abgemeſſen. So wiſſen geſchikte Baumeiſter die Theile der Auſſenſeite eines Gebaͤudes geſchikt zu gruppiren, daß es uns nicht einfallen kann, kleinere Theile, als Fenſter, oder gar einzele Glieder, gegen das Ganze zu hal- ten, ſondern allemal gegen die Haupttheile, von de- nen ſie Theile ſind. Alſo hat nicht nur der Mahler, ſondern jeder Nicht nur die Gegenſtaͤnde, die man auf einmal Die-
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Gru
Gru
vor uns ſehen, mehr, als eine auf einmal klar ins
Geſicht zu faſſen. Ein aus viel einzelen Gegen-
ſtaͤnden beſtehendes Werk bekoͤmmt dadurch, daß
die ſich zuſammen ſchikende einzele Theile in wenige
Maſſen geſammelt werden, eine Einfalt, die uns
verſtattet das Ganze zu faſſen; ſo wie wir von den
groͤßten Zahlen, ſo bald ſie Kunſtmaͤßig durch we-
nig Ziffern ausgedrukt werden, einen klaren Be-
griff bekommen. Wenn wir z. B. die Zahl hun-
dert in dieſen drey Summen oder Gruppen ſehen
60 + 30 + 10; ſo werden wir ohne Muͤhe eine
klare Vorſtellung von dieſer Summe haben, wozu
wir nicht ohne ſehr große Muͤhe gelangen wuͤrden,
wenn wir ſie in ſehr viel einzeln Theilen, wie z. E.
ſo: 2 + 3 + 7 + 9 + 14 u. ſ. f. vor uns ſehen.
Dieſes iſt alſo der erſte Vortheil, den wir vom Grup-
piren haben, daß es die Hauptvorſtellung des Gan-
zen erleichtert, und ihm Klarheit, Einfalt, folglich
Faßlichkeit giebt. Durch das Gruppiren wird das
Viele als wenig vorgeſtellt, um auf einmal zu wuͤr-
ken; daher ofte der Charakter der Groͤße ſelbſt,
aus einer geſchikten Gruppirung entſteht.
Jn den Gegenſtaͤnden, die man auf einmal uͤber-
ſieht, dienen die Gruppen auch, der Menge der auf
einmal vorſchwebenden Gegenſtaͤnde Ordnung zu ge-
ben, und die Aufmerkſamkeit des Beobachters bey
der naͤheren Betrachtung derſelben zu lenken. Es
iſt gar nicht gleichguͤltig, auf welchen Theil eines Ge-
maͤhldes man das Aug zuerſt richte. (*) Man muß
die Hauptſache, das wovon das uͤbrige abhaͤngt,
eher, als das andre ſehen, und von dieſem allmaͤh-
lig auf die mit ihm verbundenen Theile, in der Ord-
nung, welche die Natur der Sachen erfodert, fort-
ſchreiten. Dieſe Ordnung aber kann durch die
Gruppen angezeiget werden. Das Aug faͤllt alle-
mal eher auf das Große, als auf das Kleine, eher
auf das wo ſtarkes Licht iſt, als auf das ſchwaͤcher
Erleuchtete. Dadurch kann der Mahler das Aug
gleichſam zwingen, die Theile des Gemaͤhldes in der
Ordnung, die er ihm ſelbſt vorſchreiben will, zu be-
trachten.
(*) S.
Groͤße. S.
492.
Endlich dienet das Gruppiren auch uͤberhaupt
dazu, daß jedes Einzele des Werks in ſeinem Rang,
in ſeiner Abhaͤnglichkeit und in ſeinem wahren Ver-
haͤltnis zu den uͤbrigen erſcheine. Jn jedem Werke
kommen kleinere und groͤſſere, wichtigere und unbe-
traͤchtlichere Dinge vor; die Vorſtellung des Ganzen
hat nur alsdenn ihre Richtigkeit, Wahrheit und die
Wuͤrkung, die ſie haben ſoll, wenn jeder Theil in
dem ihm zukommenden Rang erſcheinet. Dieſes
aber wird durch eine geſchikte Gruppirung erhalten.
Die wichtigſten Theile kommen in die Hauptgruppen;
in jeder Gruppe aber kommen wieder die Haupt-
theile an den ſichtbareſten Ort, die Nebenſachen aber
dahin, wo ſie die ihm zukommende Wuͤrkung am
beſten thun. Es giebt in jedem Werke der Kunſt
Theile, die nicht als Theile des Ganzen, ſondern
als Theile groͤſſerer Haupttheile erſcheinen; dieſe
kleinen Theile muͤſſen ſo angeordnet ſeyn, daß es
dem Auge nicht moͤglich wird, ſie gegen das Ganze
zu halten; es muß ſie nur gegen das kleinere Ganze
der Gruppe, zu der ſie gehoͤren, ſtellen. Dieſen
Kunſtgriff hat die Natur an dem Bau des menſch-
lichen Koͤrpers auf das Vollkommenſte beobachtet.
Es faͤllt Niemanden ein, die Naſe oder den Mund
in ſeinem Verhaͤltniß gegen den ganzen Leib zu be-
trachten, ſondern blos in dem Verhaͤltniß gegen das
Geſicht; dieſes aber wird, als ein Haupttheil, in
ſeinem Verhaͤltnis gegen den Rumpf abgemeſſen. So
wiſſen geſchikte Baumeiſter die Theile der Auſſenſeite
eines Gebaͤudes geſchikt zu gruppiren, daß es uns
nicht einfallen kann, kleinere Theile, als Fenſter,
oder gar einzele Glieder, gegen das Ganze zu hal-
ten, ſondern allemal gegen die Haupttheile, von de-
nen ſie Theile ſind.
Alſo hat nicht nur der Mahler, ſondern jeder
andrer Kuͤnſtler die vollkommene Gruppirung der
Vorſtellungen genau zu ſtudiren; denn je gluͤklicher
er darin iſt, je vollkommener wird auch ſein Werk
ſeyn.
Nicht nur die Gegenſtaͤnde, die man auf einmal
uͤberſieht, ſondern auch die, die ſich nach und nach
darſtellen, muͤſſen gruppirt ſeyn, und haben dieſes
um ſo mehr noͤthig, je groͤßer die Menge und die
Mannigfaltigkeit der Dinge, die dazu gehoͤren, iſt.
Daher muͤſſen epiſche Dichter, Geſchichtſchreiber und
Redner die Kunſt zu gruppiren von dem Mahler
lernen. Wer eine an einzeln Vorfaͤllen reiche
Handlung oder Begebenheit ſchreiben will, muß
ſeine Materie nothwendig gut gruppiren, wenn der
Zuhoͤrer fuͤr der Verwirrung der Vorſtellungen ge-
ſichert ſeyn ſoll. Er muß kurz die Hauptparthien,
die zuſammen genommen das Ganze ausmachen, vor-
ſtellen, als wenn man auf einmal die Begebenheit
im Ganzen uͤberſaͤhe, und hernach muß er jede
Hauptgruppe nach und nach beſonders entwikeln.
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