Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 1. Leipzig, 1771.

Bild:
<< vorherige Seite

[Spaltenumbruch]

Har Hau
nicht die geringste Zerstreüung; die Würksamkeit der
Seele muß ganz und vollständig auf ihm vereiniget
seyn; denn durch die Zerstreuung der Gedanken wird
der Eindruk sehr merklich geschwächet. Wenn wir
uns an das Harte stoßen, so wird ein Theil der Auf-
merksamkeit von der innern Natur des Gegenstan-
des auf sein Aeusserliches gerichtet, und dadurch ver-
liehret er einen Theil seiner Kraft. Ein Werk der
Kunst würket nur alsdenn alles, was es würken
kann, wenn wir es so völlig allein gegenwärtig ha-
ben, wie ein in Gedanken vertiefter Mensch, der von
dem, was um ihn ist, nichts sieht und höret, seine
Gedanken gegenwärtig hat. Eine sanft fliessende
und wolklingende Rede wieget das Ohr in einen
leichten Schlaf ein, der alle Zerstreuung hemmet,
und alsdenn ist die Aufmerksamkeit blos auf die Ge-
danken gerichtet. So bald die Rede hart oder hol-
perig wird, so wacht das Ohr auf, hört mehr auf
den bloßen Klang, als auf den Sinn der Worte,
und dadurch wird der Eindruk geschwächt. Und so
geht es auch in andern Fällen. Wenn man also
dem Künstler die äusserste Sorgfalt empfiehlt, auch
die geringsten Fleken auszuwischen, so geschieht
es nicht aus Wollust, oder darum, daß wir gerne
das höchste Vergnügen daran haben wollen; son-
dern aus einer höhern Absicht, damit wir die Kraft
des Werks ganz empfinden. Dieses wird verständ-
licher werden, wenn man hier die Anmerkungen wie-
derholt, die an einem andern Orte von der Einför-
(*) S. Ein-
förmigkeit.
migkeit sind gemacht worden. (*)

Hauptgesims.
(Baukunst.)

Dieses Wort wird oft in der Bedeutung genom-
(*) S.
Gebälk.
men, die wir dem Wort Gebälk gegeben haben (*),
ob es gleich in dem genauesten Sinn blos von dem
obersten Theil desselben, oder dem Kranz sollte ge-
braucht werden. Denn ein Gesims ist allemal et-
was hervorstehendes, das zur Bedekung und zur Be-
gränzung dienet, folglich ist das Hauptgesims das
Gesims des ganzen Gebäudes, zum Unterschied der
kleinern Gesimse, die über einzelen Theilen dessel-
ben stehen.

Die Hauptgesimse werden auf dreyerley Art ge-
macht; 1. Als vollständige Gebälke, mit Unterbal-
ken, Fries und Kranz; 2. Mit bloßem Unterbalken
und Kranz, ohne Fries, welches französisch corniche
architravee
genennt wird, oder mit bloßem Fries und
[Spaltenumbruch]

Hau
Kranz ohne Unterbalken. 3. Ohne Unterbalken und
Fries mit einem bloßen Kranz. Die erste Art ist also
ein würkliches Gebälk. Die zweyte Art muß nie
gebraucht werden, wo Säulen oder Pilaster sind;
weil da, so wol der Unterbalken, als der Fries, ganz
wesentliche Theile sind. (*) Aber an gemeinen Häu-(*) S.
Gebälk.

sern, wo weder Säulen noch Pilaster sind, wird der
Unterbalken natürlicher Weise, als etwas, wozu kein
Grund vorhanden ist, weggelassen. Jn ganz ge-
meinen Häusern kann die dritte Art gebraucht
werden; alsdenn wird das Hauptgesims blos ein
Kranz, wodurch das ganze Gebäude sein oberes
End bekömmt. (*)

(*) S.
Ganz.
Eud.
Hauptnote.
(Musik.)

So nennt man insgemein in den oberen Stimmen
von mehrern, zu einem Grundton angeschlagenen,
Noten, diejenigen, welche würklich zum Accord des
Baßtones gehören und die Harmonie bestimmen, um
sie von den blos durchgehenden zu unterscheiden: im
Baß sind es diejenigen, auf welche bey der Beglei-
tung eine besondere Harmonie angeschlagen wird.
Jn diesem Sinn ist jede Rote, die nicht durchgehend
ist, (*) eine Hauptnote. Man kann aber auch in der(*) S.
Durch-
gang.

Melodie von mehrern hinter einander folgenden,
und in der Harmonie von mehrern zugleich anzu-
schlagenden Noten, diejenigen die Hauptnoten nen-
nen, welche die vornehmsten sind; die dem Gesang,
oder der Harmonie den größten Nachdruk geben,
da die andern entweder blos zur Ausfüllung, oder
zur Zierlichkeit dienen. Jn der Melodie sind die
Noten, worauf der Accent liegt, und die auf die gu-
ten Zeiten des Takts kommen, Hauptnoten, die mit
mehr Nachdruk müssen angeschlagen werden, als die
andern. Es ist eine wesentliche Regel für den gu-
ten Vortrag des Gesanges, daß die Hauptnoten der
Melodie gegen die andern gehörig abstechen, und
durch Zierrathen nicht verdunkelt werden müssen.

Jn der Harmonie ist von den verschiedenen zum
Accord gehörigen Tönen der obern Stimmen, der
der vornehmste, der die Harmonie hauptsächlich be-
stimmt, und er liegt insgemein in der Hauptstimme,
die den Gesang hat, oder, wenn mehrere Haupt-
stimmen sind, insgemein in der obersten Simme.
Auf die Rote, die diesen Ton bezeichnet, muß der
Begleiter genau Acht haben, damit er sie in der Be-
gleitung niemal verdunkele. Es kommen hiebey

sehr
Erster Theil. U u u

[Spaltenumbruch]

Har Hau
nicht die geringſte Zerſtreuͤung; die Wuͤrkſamkeit der
Seele muß ganz und vollſtaͤndig auf ihm vereiniget
ſeyn; denn durch die Zerſtreuung der Gedanken wird
der Eindruk ſehr merklich geſchwaͤchet. Wenn wir
uns an das Harte ſtoßen, ſo wird ein Theil der Auf-
merkſamkeit von der innern Natur des Gegenſtan-
des auf ſein Aeuſſerliches gerichtet, und dadurch ver-
liehret er einen Theil ſeiner Kraft. Ein Werk der
Kunſt wuͤrket nur alsdenn alles, was es wuͤrken
kann, wenn wir es ſo voͤllig allein gegenwaͤrtig ha-
ben, wie ein in Gedanken vertiefter Menſch, der von
dem, was um ihn iſt, nichts ſieht und hoͤret, ſeine
Gedanken gegenwaͤrtig hat. Eine ſanft flieſſende
und wolklingende Rede wieget das Ohr in einen
leichten Schlaf ein, der alle Zerſtreuung hemmet,
und alsdenn iſt die Aufmerkſamkeit blos auf die Ge-
danken gerichtet. So bald die Rede hart oder hol-
perig wird, ſo wacht das Ohr auf, hoͤrt mehr auf
den bloßen Klang, als auf den Sinn der Worte,
und dadurch wird der Eindruk geſchwaͤcht. Und ſo
geht es auch in andern Faͤllen. Wenn man alſo
dem Kuͤnſtler die aͤuſſerſte Sorgfalt empfiehlt, auch
die geringſten Fleken auszuwiſchen, ſo geſchieht
es nicht aus Wolluſt, oder darum, daß wir gerne
das hoͤchſte Vergnuͤgen daran haben wollen; ſon-
dern aus einer hoͤhern Abſicht, damit wir die Kraft
des Werks ganz empfinden. Dieſes wird verſtaͤnd-
licher werden, wenn man hier die Anmerkungen wie-
derholt, die an einem andern Orte von der Einfoͤr-
(*) S. Ein-
foͤrmigkeit.
migkeit ſind gemacht worden. (*)

Hauptgeſims.
(Baukunſt.)

Dieſes Wort wird oft in der Bedeutung genom-
(*) S.
Gebaͤlk.
men, die wir dem Wort Gebaͤlk gegeben haben (*),
ob es gleich in dem genaueſten Sinn blos von dem
oberſten Theil deſſelben, oder dem Kranz ſollte ge-
braucht werden. Denn ein Geſims iſt allemal et-
was hervorſtehendes, das zur Bedekung und zur Be-
graͤnzung dienet, folglich iſt das Hauptgeſims das
Geſims des ganzen Gebaͤudes, zum Unterſchied der
kleinern Geſimſe, die uͤber einzelen Theilen deſſel-
ben ſtehen.

Die Hauptgeſimſe werden auf dreyerley Art ge-
macht; 1. Als vollſtaͤndige Gebaͤlke, mit Unterbal-
ken, Fries und Kranz; 2. Mit bloßem Unterbalken
und Kranz, ohne Fries, welches franzoͤſiſch corniche
architravée
genennt wird, oder mit bloßem Fries und
[Spaltenumbruch]

Hau
Kranz ohne Unterbalken. 3. Ohne Unterbalken und
Fries mit einem bloßen Kranz. Die erſte Art iſt alſo
ein wuͤrkliches Gebaͤlk. Die zweyte Art muß nie
gebraucht werden, wo Saͤulen oder Pilaſter ſind;
weil da, ſo wol der Unterbalken, als der Fries, ganz
weſentliche Theile ſind. (*) Aber an gemeinen Haͤu-(*) S.
Gebaͤlk.

ſern, wo weder Saͤulen noch Pilaſter ſind, wird der
Unterbalken natuͤrlicher Weiſe, als etwas, wozu kein
Grund vorhanden iſt, weggelaſſen. Jn ganz ge-
meinen Haͤuſern kann die dritte Art gebraucht
werden; alsdenn wird das Hauptgeſims blos ein
Kranz, wodurch das ganze Gebaͤude ſein oberes
End bekoͤmmt. (*)

(*) S.
Ganz.
Eud.
Hauptnote.
(Muſik.)

So nennt man insgemein in den oberen Stimmen
von mehrern, zu einem Grundton angeſchlagenen,
Noten, diejenigen, welche wuͤrklich zum Accord des
Baßtones gehoͤren und die Harmonie beſtimmen, um
ſie von den blos durchgehenden zu unterſcheiden: im
Baß ſind es diejenigen, auf welche bey der Beglei-
tung eine beſondere Harmonie angeſchlagen wird.
Jn dieſem Sinn iſt jede Rote, die nicht durchgehend
iſt, (*) eine Hauptnote. Man kann aber auch in der(*) S.
Durch-
gang.

Melodie von mehrern hinter einander folgenden,
und in der Harmonie von mehrern zugleich anzu-
ſchlagenden Noten, diejenigen die Hauptnoten nen-
nen, welche die vornehmſten ſind; die dem Geſang,
oder der Harmonie den groͤßten Nachdruk geben,
da die andern entweder blos zur Ausfuͤllung, oder
zur Zierlichkeit dienen. Jn der Melodie ſind die
Noten, worauf der Accent liegt, und die auf die gu-
ten Zeiten des Takts kommen, Hauptnoten, die mit
mehr Nachdruk muͤſſen angeſchlagen werden, als die
andern. Es iſt eine weſentliche Regel fuͤr den gu-
ten Vortrag des Geſanges, daß die Hauptnoten der
Melodie gegen die andern gehoͤrig abſtechen, und
durch Zierrathen nicht verdunkelt werden muͤſſen.

Jn der Harmonie iſt von den verſchiedenen zum
Accord gehoͤrigen Toͤnen der obern Stimmen, der
der vornehmſte, der die Harmonie hauptſaͤchlich be-
ſtimmt, und er liegt insgemein in der Hauptſtimme,
die den Geſang hat, oder, wenn mehrere Haupt-
ſtimmen ſind, insgemein in der oberſten Simme.
Auf die Rote, die dieſen Ton bezeichnet, muß der
Begleiter genau Acht haben, damit er ſie in der Be-
gleitung niemal verdunkele. Es kommen hiebey

ſehr
Erſter Theil. U u u
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0533" n="521"/><cb/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Har Hau</hi></fw><lb/>
nicht die gering&#x017F;te Zer&#x017F;treu&#x0364;ung; die Wu&#x0364;rk&#x017F;amkeit der<lb/>
Seele muß ganz und voll&#x017F;ta&#x0364;ndig auf ihm vereiniget<lb/>
&#x017F;eyn; denn durch die Zer&#x017F;treuung der Gedanken wird<lb/>
der Eindruk &#x017F;ehr merklich ge&#x017F;chwa&#x0364;chet. Wenn wir<lb/>
uns an das Harte &#x017F;toßen, &#x017F;o wird ein Theil der Auf-<lb/>
merk&#x017F;amkeit von der innern Natur des Gegen&#x017F;tan-<lb/>
des auf &#x017F;ein Aeu&#x017F;&#x017F;erliches gerichtet, und dadurch ver-<lb/>
liehret er einen Theil &#x017F;einer Kraft. Ein Werk der<lb/>
Kun&#x017F;t wu&#x0364;rket nur alsdenn alles, was es wu&#x0364;rken<lb/>
kann, wenn wir es &#x017F;o vo&#x0364;llig allein gegenwa&#x0364;rtig ha-<lb/>
ben, wie ein in Gedanken vertiefter Men&#x017F;ch, der von<lb/>
dem, was um ihn i&#x017F;t, nichts &#x017F;ieht und ho&#x0364;ret, &#x017F;eine<lb/>
Gedanken gegenwa&#x0364;rtig hat. Eine &#x017F;anft flie&#x017F;&#x017F;ende<lb/>
und wolklingende Rede wieget das Ohr in einen<lb/>
leichten Schlaf ein, der alle Zer&#x017F;treuung hemmet,<lb/>
und alsdenn i&#x017F;t die Aufmerk&#x017F;amkeit blos auf die Ge-<lb/>
danken gerichtet. So bald die Rede hart oder hol-<lb/>
perig wird, &#x017F;o wacht das Ohr auf, ho&#x0364;rt mehr auf<lb/>
den bloßen Klang, als auf den Sinn der Worte,<lb/>
und dadurch wird der Eindruk ge&#x017F;chwa&#x0364;cht. Und &#x017F;o<lb/>
geht es auch in andern Fa&#x0364;llen. Wenn man al&#x017F;o<lb/>
dem Ku&#x0364;n&#x017F;tler die a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;er&#x017F;te Sorgfalt empfiehlt, auch<lb/>
die gering&#x017F;ten Fleken auszuwi&#x017F;chen, &#x017F;o ge&#x017F;chieht<lb/>
es nicht aus Wollu&#x017F;t, oder darum, daß wir gerne<lb/>
das ho&#x0364;ch&#x017F;te Vergnu&#x0364;gen daran haben wollen; &#x017F;on-<lb/>
dern aus einer ho&#x0364;hern Ab&#x017F;icht, damit wir die Kraft<lb/>
des Werks ganz empfinden. Die&#x017F;es wird ver&#x017F;ta&#x0364;nd-<lb/>
licher werden, wenn man hier die Anmerkungen wie-<lb/>
derholt, die an einem andern Orte von der Einfo&#x0364;r-<lb/><note place="left">(*) S. Ein-<lb/>
fo&#x0364;rmigkeit.</note>migkeit &#x017F;ind gemacht worden. (*)</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#g">Hauptge&#x017F;ims.</hi><lb/>
(Baukun&#x017F;t.)</head><lb/>
          <p><hi rendition="#in">D</hi>ie&#x017F;es Wort wird oft in der Bedeutung genom-<lb/><note place="left">(*) S.<lb/>
Geba&#x0364;lk.</note>men, die wir dem Wort Geba&#x0364;lk gegeben haben (*),<lb/>
ob es gleich in dem genaue&#x017F;ten Sinn blos von dem<lb/>
ober&#x017F;ten Theil de&#x017F;&#x017F;elben, oder dem Kranz &#x017F;ollte ge-<lb/>
braucht werden. Denn ein Ge&#x017F;ims i&#x017F;t allemal et-<lb/>
was hervor&#x017F;tehendes, das zur Bedekung und zur Be-<lb/>
gra&#x0364;nzung dienet, folglich i&#x017F;t das Hauptge&#x017F;ims das<lb/>
Ge&#x017F;ims des ganzen Geba&#x0364;udes, zum Unter&#x017F;chied der<lb/>
kleinern Ge&#x017F;im&#x017F;e, die u&#x0364;ber einzelen Theilen de&#x017F;&#x017F;el-<lb/>
ben &#x017F;tehen.</p><lb/>
          <p>Die Hauptge&#x017F;im&#x017F;e werden auf dreyerley Art ge-<lb/>
macht; 1. Als voll&#x017F;ta&#x0364;ndige Geba&#x0364;lke, mit Unterbal-<lb/>
ken, Fries und Kranz; 2. Mit bloßem Unterbalken<lb/>
und Kranz, ohne Fries, welches franzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;ch <hi rendition="#aq">corniche<lb/>
architravée</hi> genennt wird, oder mit bloßem Fries und<lb/><cb/>
<fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Hau</hi></fw><lb/>
Kranz ohne Unterbalken. 3. Ohne Unterbalken und<lb/>
Fries mit einem bloßen Kranz. Die er&#x017F;te Art i&#x017F;t al&#x017F;o<lb/>
ein wu&#x0364;rkliches Geba&#x0364;lk. Die zweyte Art muß nie<lb/>
gebraucht werden, wo Sa&#x0364;ulen oder Pila&#x017F;ter &#x017F;ind;<lb/>
weil da, &#x017F;o wol der Unterbalken, als der Fries, ganz<lb/>
we&#x017F;entliche Theile &#x017F;ind. (*) Aber an gemeinen Ha&#x0364;u-<note place="right">(*) S.<lb/>
Geba&#x0364;lk.</note><lb/>
&#x017F;ern, wo weder Sa&#x0364;ulen noch Pila&#x017F;ter &#x017F;ind, wird der<lb/>
Unterbalken natu&#x0364;rlicher Wei&#x017F;e, als etwas, wozu kein<lb/>
Grund vorhanden i&#x017F;t, weggela&#x017F;&#x017F;en. Jn ganz ge-<lb/>
meinen Ha&#x0364;u&#x017F;ern kann die dritte Art gebraucht<lb/>
werden; alsdenn wird das Hauptge&#x017F;ims blos ein<lb/>
Kranz, wodurch das ganze Geba&#x0364;ude &#x017F;ein oberes<lb/>
End beko&#x0364;mmt. (*)</p>
          <note place="right">(*) S.<lb/>
Ganz.<lb/>
Eud.</note>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#g">Hauptnote.</hi><lb/>
(Mu&#x017F;ik.)</head><lb/>
          <p><hi rendition="#in">S</hi>o nennt man insgemein in den oberen Stimmen<lb/>
von mehrern, zu einem Grundton ange&#x017F;chlagenen,<lb/>
Noten, diejenigen, welche wu&#x0364;rklich zum Accord des<lb/>
Baßtones geho&#x0364;ren und die Harmonie be&#x017F;timmen, um<lb/>
&#x017F;ie von den blos durchgehenden zu unter&#x017F;cheiden: im<lb/>
Baß &#x017F;ind es diejenigen, auf welche bey der Beglei-<lb/>
tung eine be&#x017F;ondere Harmonie ange&#x017F;chlagen wird.<lb/>
Jn die&#x017F;em Sinn i&#x017F;t jede Rote, die nicht durchgehend<lb/>
i&#x017F;t, (*) eine Hauptnote. Man kann aber auch in der<note place="right">(*) S.<lb/>
Durch-<lb/>
gang.</note><lb/>
Melodie von mehrern hinter einander folgenden,<lb/>
und in der Harmonie von mehrern zugleich anzu-<lb/>
&#x017F;chlagenden Noten, diejenigen die Hauptnoten nen-<lb/>
nen, welche die vornehm&#x017F;ten &#x017F;ind; die dem Ge&#x017F;ang,<lb/>
oder der Harmonie den gro&#x0364;ßten Nachdruk geben,<lb/>
da die andern entweder blos zur Ausfu&#x0364;llung, oder<lb/>
zur Zierlichkeit dienen. Jn der Melodie &#x017F;ind die<lb/>
Noten, worauf der Accent liegt, und die auf die gu-<lb/>
ten Zeiten des Takts kommen, Hauptnoten, die mit<lb/>
mehr Nachdruk mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en ange&#x017F;chlagen werden, als die<lb/>
andern. Es i&#x017F;t eine we&#x017F;entliche Regel fu&#x0364;r den gu-<lb/>
ten Vortrag des Ge&#x017F;anges, daß die Hauptnoten der<lb/>
Melodie gegen die andern geho&#x0364;rig ab&#x017F;techen, und<lb/>
durch Zierrathen nicht verdunkelt werden mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
          <p>Jn der Harmonie i&#x017F;t von den ver&#x017F;chiedenen zum<lb/>
Accord geho&#x0364;rigen To&#x0364;nen der obern Stimmen, der<lb/>
der vornehm&#x017F;te, der die Harmonie haupt&#x017F;a&#x0364;chlich be-<lb/>
&#x017F;timmt, und er liegt insgemein in der Haupt&#x017F;timme,<lb/>
die den Ge&#x017F;ang hat, oder, wenn mehrere Haupt-<lb/>
&#x017F;timmen &#x017F;ind, insgemein in der ober&#x017F;ten Simme.<lb/>
Auf die Rote, die die&#x017F;en Ton bezeichnet, muß der<lb/>
Begleiter genau Acht haben, damit er &#x017F;ie in der Be-<lb/>
gleitung niemal verdunkele. Es kommen hiebey<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#fr">Er&#x017F;ter Theil.</hi> U u u</fw><fw place="bottom" type="catch">&#x017F;ehr</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[521/0533] Har Hau Hau nicht die geringſte Zerſtreuͤung; die Wuͤrkſamkeit der Seele muß ganz und vollſtaͤndig auf ihm vereiniget ſeyn; denn durch die Zerſtreuung der Gedanken wird der Eindruk ſehr merklich geſchwaͤchet. Wenn wir uns an das Harte ſtoßen, ſo wird ein Theil der Auf- merkſamkeit von der innern Natur des Gegenſtan- des auf ſein Aeuſſerliches gerichtet, und dadurch ver- liehret er einen Theil ſeiner Kraft. Ein Werk der Kunſt wuͤrket nur alsdenn alles, was es wuͤrken kann, wenn wir es ſo voͤllig allein gegenwaͤrtig ha- ben, wie ein in Gedanken vertiefter Menſch, der von dem, was um ihn iſt, nichts ſieht und hoͤret, ſeine Gedanken gegenwaͤrtig hat. Eine ſanft flieſſende und wolklingende Rede wieget das Ohr in einen leichten Schlaf ein, der alle Zerſtreuung hemmet, und alsdenn iſt die Aufmerkſamkeit blos auf die Ge- danken gerichtet. So bald die Rede hart oder hol- perig wird, ſo wacht das Ohr auf, hoͤrt mehr auf den bloßen Klang, als auf den Sinn der Worte, und dadurch wird der Eindruk geſchwaͤcht. Und ſo geht es auch in andern Faͤllen. Wenn man alſo dem Kuͤnſtler die aͤuſſerſte Sorgfalt empfiehlt, auch die geringſten Fleken auszuwiſchen, ſo geſchieht es nicht aus Wolluſt, oder darum, daß wir gerne das hoͤchſte Vergnuͤgen daran haben wollen; ſon- dern aus einer hoͤhern Abſicht, damit wir die Kraft des Werks ganz empfinden. Dieſes wird verſtaͤnd- licher werden, wenn man hier die Anmerkungen wie- derholt, die an einem andern Orte von der Einfoͤr- migkeit ſind gemacht worden. (*) (*) S. Ein- foͤrmigkeit. Hauptgeſims. (Baukunſt.) Dieſes Wort wird oft in der Bedeutung genom- men, die wir dem Wort Gebaͤlk gegeben haben (*), ob es gleich in dem genaueſten Sinn blos von dem oberſten Theil deſſelben, oder dem Kranz ſollte ge- braucht werden. Denn ein Geſims iſt allemal et- was hervorſtehendes, das zur Bedekung und zur Be- graͤnzung dienet, folglich iſt das Hauptgeſims das Geſims des ganzen Gebaͤudes, zum Unterſchied der kleinern Geſimſe, die uͤber einzelen Theilen deſſel- ben ſtehen. (*) S. Gebaͤlk. Die Hauptgeſimſe werden auf dreyerley Art ge- macht; 1. Als vollſtaͤndige Gebaͤlke, mit Unterbal- ken, Fries und Kranz; 2. Mit bloßem Unterbalken und Kranz, ohne Fries, welches franzoͤſiſch corniche architravée genennt wird, oder mit bloßem Fries und Kranz ohne Unterbalken. 3. Ohne Unterbalken und Fries mit einem bloßen Kranz. Die erſte Art iſt alſo ein wuͤrkliches Gebaͤlk. Die zweyte Art muß nie gebraucht werden, wo Saͤulen oder Pilaſter ſind; weil da, ſo wol der Unterbalken, als der Fries, ganz weſentliche Theile ſind. (*) Aber an gemeinen Haͤu- ſern, wo weder Saͤulen noch Pilaſter ſind, wird der Unterbalken natuͤrlicher Weiſe, als etwas, wozu kein Grund vorhanden iſt, weggelaſſen. Jn ganz ge- meinen Haͤuſern kann die dritte Art gebraucht werden; alsdenn wird das Hauptgeſims blos ein Kranz, wodurch das ganze Gebaͤude ſein oberes End bekoͤmmt. (*) (*) S. Gebaͤlk. Hauptnote. (Muſik.) So nennt man insgemein in den oberen Stimmen von mehrern, zu einem Grundton angeſchlagenen, Noten, diejenigen, welche wuͤrklich zum Accord des Baßtones gehoͤren und die Harmonie beſtimmen, um ſie von den blos durchgehenden zu unterſcheiden: im Baß ſind es diejenigen, auf welche bey der Beglei- tung eine beſondere Harmonie angeſchlagen wird. Jn dieſem Sinn iſt jede Rote, die nicht durchgehend iſt, (*) eine Hauptnote. Man kann aber auch in der Melodie von mehrern hinter einander folgenden, und in der Harmonie von mehrern zugleich anzu- ſchlagenden Noten, diejenigen die Hauptnoten nen- nen, welche die vornehmſten ſind; die dem Geſang, oder der Harmonie den groͤßten Nachdruk geben, da die andern entweder blos zur Ausfuͤllung, oder zur Zierlichkeit dienen. Jn der Melodie ſind die Noten, worauf der Accent liegt, und die auf die gu- ten Zeiten des Takts kommen, Hauptnoten, die mit mehr Nachdruk muͤſſen angeſchlagen werden, als die andern. Es iſt eine weſentliche Regel fuͤr den gu- ten Vortrag des Geſanges, daß die Hauptnoten der Melodie gegen die andern gehoͤrig abſtechen, und durch Zierrathen nicht verdunkelt werden muͤſſen. (*) S. Durch- gang. Jn der Harmonie iſt von den verſchiedenen zum Accord gehoͤrigen Toͤnen der obern Stimmen, der der vornehmſte, der die Harmonie hauptſaͤchlich be- ſtimmt, und er liegt insgemein in der Hauptſtimme, die den Geſang hat, oder, wenn mehrere Haupt- ſtimmen ſind, insgemein in der oberſten Simme. Auf die Rote, die dieſen Ton bezeichnet, muß der Begleiter genau Acht haben, damit er ſie in der Be- gleitung niemal verdunkele. Es kommen hiebey ſehr Erſter Theil. U u u

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie01_1771
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie01_1771/533
Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 1. Leipzig, 1771, S. 521. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie01_1771/533>, abgerufen am 15.05.2024.