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Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 1. Leipzig, 1771.

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All
stärker zu machen. Gemählde von dieser Art, die
von einigem Werth wären, sind zwar, wie schon ange-
merkt worden, sehr selten, und dieser höchst wichti-
ge Theil der Kunst ist noch zu unvollkommen, und
erwartet Künstler von besonders glüklichem Genie,
um sich empor zu heben.

Die Einmischung der Allegorie in historische Ge-
mählde ist von zweyerley Art. Entweder eine bloße
symbolische Bezeichnung der Personen, der Oerter,
der Zeiten, oder eine Einführung allegorischer Per-
sonen unter die historischen. Ueber die erstere Gat-
tung ist bereits kurz hiebevor gesprochen worden.
Wir merken hier noch dieses an, daß es allemal bes-
ser ist, den Mangel guter symbolischer Zeichen lie-
ber durch eine wol angebrachte Schrift, als durch
erzwungene Hieroglyphen zu ersetzen. So haben
es Raphael und Poußin gemacht; jener in einem
Gemählde der farnesischen Gallerie, wo man die
Hauptperson, und folglich den Jnhalt des Gemähl-
des hätte verkennen können, wenn nicht der Mahler
durch Anbringung der Schrift: genus unde lati-
num;
deutlich angezeiget hätte, daß das Gemählde
die Venus mit dem Anchises vorstellt. Eben so
vortheilhaft hat der französische Mahler den eigentli-
chen Geist eines seiner Gemählde durch diese, auf ein
vorgestelltes Grabmal geschriebene Worte: Auch
(*) S. du
Bos Refl.
sur la poe-
sie et la-
peint. T. I.
sect.
6.
ich war in Arcadia, angezeiget. (*) Die andere
Gattung wird von einem feinen Kunstrichter, (*)
als etwas widersinnisches und unnatürliches, gänz-
lich verworfen. Man kann seine Gründe an dem
(*) Du
Bos.
angeführten Orte nachlesen. Sie sind so stark, daß
man ihm schwerlich den Beyfall versagen kann. Jn-
dessen ist dieses, so wie die Einmischung der Mytho-
(*) S. My-
thologie.
logie in die heutigen Oden, (*) eine Sache des Ge-
fühls, die man denen lassen kann, die sich daran
vergnügen.

Doch scheinet dieses auf der andern Seite eine
gegründete Foderung zu seyn, daß allegorische Per-
sonen nicht sollten Antheil an der Handlung neh-
men. Es scheinet, daß das, was oben von dem
Gebrauche der allegorischen Wesen in dem Ge-
dichte ist erinnert worden, auch dem Mahler zur
Regel dienen könnte. Wie nun ein Dichter, der
einen schlauen Liebesstreich beschrieben hat, gar wol
hinzu setzen könnte, daß Venus und die Liebesgöt-
ter sich darüber gefreuet haben; so könnte auch ein
Mahler, wenn er einen solchen Streich historisch
und von bekannten Personen vorgestellt hätte, wie
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All
es scheinet, ohne Anstoß den geistreichen Einfall da-
bey anbringen, wodurch Alban seinem Gemälde von
dem Raub der Proserpina ein großes Leben gege-
ben hat. Man sieht auf diesem Gemählde den
Pluto mit der entführten Proserpina davon eilen.
Jn der Luft sieht man einige Liebesgötter, die durch
Tanzen und allerhand kindischen Muthwillen eine
große Freude zu erkennen geben. Auf der andern
Seite sieht man die Venus, zu welcher Amor voll
Freude hinfliegt, um sie glükwünschend zu küssen. (*)(*) S.
Gemählde.
der königl.
Gallerie zu
Dresden.

Dieses ist gewiß eine der artigsten Einmischungen al-
legorischer Personen in ein historisches Gemählde,
welche wol schwerlich von irgend einem Kenner wird
gemißbilliget werden. Sie kann zum Muster die-
nen, wie eine so schlüpfrige Sache, mit vollkomme-
nem Beyfalle könne behandelt werden. Hätte Ru-
bens
in der Gallerie von Luxenburg die Einmischung
der Allegorie mit so viel Geist behandelt, als Alban
gezeiget hat, so würde dü Bos vermuthlich weniger
Abneigung gegen diese Gattung der Gemählde ge-
äußert haben.

Allegro.
(Musik.)

Bedeutet hurtig, und wird den Tonstüken vorgesetzt,
welche etwas geschwinde und mit Munterkeit sollen
vorgetragen werden. Weil aber verschiedene Gra-
de des hurtigen sind, ehe man auf das ganz schnelle
kommt, so werden dieselben noch durch andere Be-
stimmungen dieses Worts angezeiget. Allegro di
molto
oder allegro assai bezeichnet das ganz hurtige,
das dem schnellen oder Presto nahe kommt, und alle-
gretto
das weniger hurtige.

Das Allegro oder der hurtige Gesang schiket sich
zu dem Ausdruke der munteren Leidenschaften, der
noch nicht ganz ausgelassenen Freude, eines mäßi-
gen Zornes, des Spottes, und allenfalls zu der blos-
sen Schwatzhaftigkeit, zum fröhlichen Scherz. Es
findet sich aber unter den verschiedenen Arten des
Allegro nicht blos in Ansehung der Geschwindig-
keit, sondern des Ausdruks, ein merklicher Unter-
schied; in dem ein Stük mit derselbigen Geschwin-
digkeit lustig, dreiste, prächtig oder schmeichelnd
kann vorgetragen werden.

Man braucht dieses Wort auch als ein Haupt-
wort, indem man ein Stük, das in hurtiger Bewe-
gung soll gespielt werden, ein Allegro nennt.

Allemande.
F 2

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All
ſtaͤrker zu machen. Gemaͤhlde von dieſer Art, die
von einigem Werth waͤren, ſind zwar, wie ſchon ange-
merkt worden, ſehr ſelten, und dieſer hoͤchſt wichti-
ge Theil der Kunſt iſt noch zu unvollkommen, und
erwartet Kuͤnſtler von beſonders gluͤklichem Genie,
um ſich empor zu heben.

Die Einmiſchung der Allegorie in hiſtoriſche Ge-
maͤhlde iſt von zweyerley Art. Entweder eine bloße
ſymboliſche Bezeichnung der Perſonen, der Oerter,
der Zeiten, oder eine Einfuͤhrung allegoriſcher Per-
ſonen unter die hiſtoriſchen. Ueber die erſtere Gat-
tung iſt bereits kurz hiebevor geſprochen worden.
Wir merken hier noch dieſes an, daß es allemal beſ-
ſer iſt, den Mangel guter ſymboliſcher Zeichen lie-
ber durch eine wol angebrachte Schrift, als durch
erzwungene Hieroglyphen zu erſetzen. So haben
es Raphael und Poußin gemacht; jener in einem
Gemaͤhlde der farneſiſchen Gallerie, wo man die
Hauptperſon, und folglich den Jnhalt des Gemaͤhl-
des haͤtte verkennen koͤnnen, wenn nicht der Mahler
durch Anbringung der Schrift: genus unde lati-
num;
deutlich angezeiget haͤtte, daß das Gemaͤhlde
die Venus mit dem Anchiſes vorſtellt. Eben ſo
vortheilhaft hat der franzoͤſiſche Mahler den eigentli-
chen Geiſt eines ſeiner Gemaͤhlde durch dieſe, auf ein
vorgeſtelltes Grabmal geſchriebene Worte: Auch
(*) S. du
Bos Refl.
ſur la poe-
ſie et la-
peint. T. I.
ſect.
6.
ich war in Arcadia, angezeiget. (*) Die andere
Gattung wird von einem feinen Kunſtrichter, (*)
als etwas widerſinniſches und unnatuͤrliches, gaͤnz-
lich verworfen. Man kann ſeine Gruͤnde an dem
(*) Du
Bos.
angefuͤhrten Orte nachleſen. Sie ſind ſo ſtark, daß
man ihm ſchwerlich den Beyfall verſagen kann. Jn-
deſſen iſt dieſes, ſo wie die Einmiſchung der Mytho-
(*) S. My-
thologie.
logie in die heutigen Oden, (*) eine Sache des Ge-
fuͤhls, die man denen laſſen kann, die ſich daran
vergnuͤgen.

Doch ſcheinet dieſes auf der andern Seite eine
gegruͤndete Foderung zu ſeyn, daß allegoriſche Per-
ſonen nicht ſollten Antheil an der Handlung neh-
men. Es ſcheinet, daß das, was oben von dem
Gebrauche der allegoriſchen Weſen in dem Ge-
dichte iſt erinnert worden, auch dem Mahler zur
Regel dienen koͤnnte. Wie nun ein Dichter, der
einen ſchlauen Liebesſtreich beſchrieben hat, gar wol
hinzu ſetzen koͤnnte, daß Venus und die Liebesgoͤt-
ter ſich daruͤber gefreuet haben; ſo koͤnnte auch ein
Mahler, wenn er einen ſolchen Streich hiſtoriſch
und von bekannten Perſonen vorgeſtellt haͤtte, wie
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All
es ſcheinet, ohne Anſtoß den geiſtreichen Einfall da-
bey anbringen, wodurch Alban ſeinem Gemaͤlde von
dem Raub der Proſerpina ein großes Leben gege-
ben hat. Man ſieht auf dieſem Gemaͤhlde den
Pluto mit der entfuͤhrten Proſerpina davon eilen.
Jn der Luft ſieht man einige Liebesgoͤtter, die durch
Tanzen und allerhand kindiſchen Muthwillen eine
große Freude zu erkennen geben. Auf der andern
Seite ſieht man die Venus, zu welcher Amor voll
Freude hinfliegt, um ſie gluͤkwuͤnſchend zu kuͤſſen. (*)(*) S.
Gemaͤhlde.
der koͤnigl.
Gallerie zu
Dresden.

Dieſes iſt gewiß eine der artigſten Einmiſchungen al-
legoriſcher Perſonen in ein hiſtoriſches Gemaͤhlde,
welche wol ſchwerlich von irgend einem Kenner wird
gemißbilliget werden. Sie kann zum Muſter die-
nen, wie eine ſo ſchluͤpfrige Sache, mit vollkomme-
nem Beyfalle koͤnne behandelt werden. Haͤtte Ru-
bens
in der Gallerie von Luxenburg die Einmiſchung
der Allegorie mit ſo viel Geiſt behandelt, als Alban
gezeiget hat, ſo wuͤrde duͤ Bos vermuthlich weniger
Abneigung gegen dieſe Gattung der Gemaͤhlde ge-
aͤußert haben.

Allegro.
(Muſik.)

Bedeutet hurtig, und wird den Tonſtuͤken vorgeſetzt,
welche etwas geſchwinde und mit Munterkeit ſollen
vorgetragen werden. Weil aber verſchiedene Gra-
de des hurtigen ſind, ehe man auf das ganz ſchnelle
kommt, ſo werden dieſelben noch durch andere Be-
ſtimmungen dieſes Worts angezeiget. Allegro di
molto
oder allegro aſſai bezeichnet das ganz hurtige,
das dem ſchnellen oder Preſto nahe kommt, und alle-
gretto
das weniger hurtige.

Das Allegro oder der hurtige Geſang ſchiket ſich
zu dem Ausdruke der munteren Leidenſchaften, der
noch nicht ganz ausgelaſſenen Freude, eines maͤßi-
gen Zornes, des Spottes, und allenfalls zu der bloſ-
ſen Schwatzhaftigkeit, zum froͤhlichen Scherz. Es
findet ſich aber unter den verſchiedenen Arten des
Allegro nicht blos in Anſehung der Geſchwindig-
keit, ſondern des Ausdruks, ein merklicher Unter-
ſchied; in dem ein Stuͤk mit derſelbigen Geſchwin-
digkeit luſtig, dreiſte, praͤchtig oder ſchmeichelnd
kann vorgetragen werden.

Man braucht dieſes Wort auch als ein Haupt-
wort, indem man ein Stuͤk, das in hurtiger Bewe-
gung ſoll geſpielt werden, ein Allegro nennt.

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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 1. Leipzig, 1771, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie01_1771/55>, abgerufen am 21.11.2024.