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Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 2. Leipzig, 1774.

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Lei
den größten Antheil haben. So oft also der Künst-
ler in menschlichen Handlungen das Große wahr-
nihmt, soll er sein äußerstes thun zu versuchen, sich
selbst in die Empfindung zu sezen, in der er die Mög-
lichkeit so zu handeln fühlet. Es giebt Fälle, wo
man mehrere Tage lang zu thun hat, um sich in die
wahre Lage der Sachen, in die Denkungsart, und
in die Empfindungen zu sezen, deren Aeußerungen
man an andern wahrgenommen hat und ehe man
in sich selbst nur die Möglichkeit derselben empfindet.
Darum halten so viele Menschen gewisse Thaten,
die man von andern erzählt, für unmöglich; weil
sie selbst die Kräfte, wodurch sie bewürkt worden,
nicht zu fühlen vermögend sind. Darum werden
auch nur ausserordentliche Genie, dergleichen Homer,
die uns übrig gebliedenen tragischen Dichter von
Athen, Milton, Shakespear, Klopstok sind, die mit
der äußersten Anstrengung der Kräfte sich in alle Ge-
müthsfassungen sezen können, die alles empfinden
wollen, was Menschen empfinden können, die sich
von Stufe zu Stufe zu jeder Größe, sie sey gut oder
döse zu erheben suchen, um ihren Ursprung in sich
selbst zu empfinden, -- nur solche Männer werden
im Ausdruk aller Leidenschaften groß seyn.

Wir wollen das, was dem Künstler über den Aus-
druk der Leidenschaften zu sagen ist, in eine einzige
Regel zusammenfassen. Er übe sich mit dem hart-
näkigsten Fleis, alles, was er auszudrüken hat,
selbst wol zu empfinden, und wage sich an keine
Schildrung der Leidenschaft, bis es ihm gelungen
ist, sich selbst in dieselbe zu sezen. Denn es ist un-
möglich Empfindungen auszudrüken, die man selbst
nicht hat. (*) Nun ist es Zeit die Anwendung der
seltenen Gabe jede Leidenschaft zu schildern, in Be-
trachtung zu ziehen.

Hier entstehet also die Frage, wie der Künstler
seine Fertigkeit in lebhafter Schilderung der Leiden-
schaften zum besten Gebrauch anwenden, und wie
er überhaupt die Werke von leidenschaftlichem Jnhalt
in dieser Absicht behandeln soll.

Jch kenne nur dreyerley Würkungen, die von
dergleichen Werken zu erwarten sind. Sie können
erstlich sehr unterhaltend und angenehm seyn; her-
nach auch dazu dienen, daß wir alle Leidenschaften,
ihre Würkungen und Folgen kennen lernen; und
endlich kann es auch geschehen, daß wir dadurch
für einige Leidenschaften eingenommen, für andern
aber gewarnet, oder davon abgeschrekt werden.
[Spaltenumbruch]

Lei
Diese dreyfache Würkung muß der Künstler allemal
bey Behandlung der Leidenschaften vor Augen haben.
Wir wollen jeden dieser drey Punkte besonders be-
trachten.

Daß es für Menschen von einiger Empfindsam-
keit eine angenehme Unterhaltung sey, Zeugen von
Handlungen und Begebenheiten zu seyn, wobey die
verschiedenen Leidenschaften in Würksamkeit kommen,
ist eine durchgehends bekannte Sache. Selbst die
Scenen, wobey die mitwürkenden Personen blos wie-
drige, oder schmerzhafte Leidenschaften fühlen, gefal-
len uns, wenn wir außer aller Verbindung damit,
bloße Zuschauer derselben sind. Die Beschreibung,
oder Abbildung eines fürchterlichen Sturms; eines
gefährlichen Auflaufs; einer hizigen Slacht und der-
gleichen mehr, haben für jeden Menschen etwas an-
ziehendes, ob er gleich dabey Empfindungen hat, die
denen ähnlich sind, welche die handelnden Personen
erfahren. Es ist der Absicht dieses Werks gemäß,
daß wir vor allen Dingen hier den wahren Grund
dieser würklich seltsamen Erscheinung aufsuchen.

Warum sehen wir so gerne Abbildungen von
Scenen, die uns höchst unangenehm wären, wenn
wir uns selbst darin verwikelt fänden? Jedermann
weiß, wie Lukretius dieses erkläret.

Suave mari magno turbantibus aequora ventis
A terra magnum alterius spectare laborem.
Non quia vexari quemquam est jucunda voluptas,
Sed quibus ipse malis careas quia cernere suave est.
(*)

D. i. Es ist angenehm bey hohem Meere, wenn
die Winde in die Gewässer stürmen, vom Lande die
Noth der Menschen anzusehen. Nicht darum, daß
es ein Vergnügen wäre, wenn andre geängstiget wer-
den; sondern weil es überhaupt ergözt Ungemach
zu sehen, davon wir selbst frey sind.

Jm Grund erklärt der Dichter die Sache nicht.
Denn es ist eben die Frage, warum das Anschauen
des Ungemachs, das uns selbst nicht trift, uns ver-
gnüge. Jch erinnere mich vom Land einen Sturm
gesehen zu haben, der zwey unweit der Küste in
der See befindliche Schiffe in große Noth sezte, wo-
bey ich selbst viel Angst und Furcht empfunden,
und doch lag es nur an mir, die Augen davon
abzuwenden. Man geht bisweilen Scenen der Furcht
und des Schrekens zu sehen, ob man gleich voraus-
sieht, daß man selbst dabey leiden werde. Doch wird
nicht leicht ein empfindsamer Mensch zum zwey-
tenmale solche Scenen zu sehen verlangen, die würk-

lich
(*) Dar-
aus folget,
daß man
den sittli-
chen Cha-
rakter eines
Dichters
sicherer
aus dem
beurtheilen
könne, was
er nicht
auszudrü-
ken im
Stand ist
(*) Lucret.
L. II. vs. [unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]
seq.

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Lei
den groͤßten Antheil haben. So oft alſo der Kuͤnſt-
ler in menſchlichen Handlungen das Große wahr-
nihmt, ſoll er ſein aͤußerſtes thun zu verſuchen, ſich
ſelbſt in die Empfindung zu ſezen, in der er die Moͤg-
lichkeit ſo zu handeln fuͤhlet. Es giebt Faͤlle, wo
man mehrere Tage lang zu thun hat, um ſich in die
wahre Lage der Sachen, in die Denkungsart, und
in die Empfindungen zu ſezen, deren Aeußerungen
man an andern wahrgenommen hat und ehe man
in ſich ſelbſt nur die Moͤglichkeit derſelben empfindet.
Darum halten ſo viele Menſchen gewiſſe Thaten,
die man von andern erzaͤhlt, fuͤr unmoͤglich; weil
ſie ſelbſt die Kraͤfte, wodurch ſie bewuͤrkt worden,
nicht zu fuͤhlen vermoͤgend ſind. Darum werden
auch nur auſſerordentliche Genie, dergleichen Homer,
die uns uͤbrig gebliedenen tragiſchen Dichter von
Athen, Milton, Shakespear, Klopſtok ſind, die mit
der aͤußerſten Anſtrengung der Kraͤfte ſich in alle Ge-
muͤthsfaſſungen ſezen koͤnnen, die alles empfinden
wollen, was Menſchen empfinden koͤnnen, die ſich
von Stufe zu Stufe zu jeder Groͤße, ſie ſey gut oder
doͤſe zu erheben ſuchen, um ihren Urſprung in ſich
ſelbſt zu empfinden, — nur ſolche Maͤnner werden
im Ausdruk aller Leidenſchaften groß ſeyn.

Wir wollen das, was dem Kuͤnſtler uͤber den Aus-
druk der Leidenſchaften zu ſagen iſt, in eine einzige
Regel zuſammenfaſſen. Er uͤbe ſich mit dem hart-
naͤkigſten Fleis, alles, was er auszudruͤken hat,
ſelbſt wol zu empfinden, und wage ſich an keine
Schildrung der Leidenſchaft, bis es ihm gelungen
iſt, ſich ſelbſt in dieſelbe zu ſezen. Denn es iſt un-
moͤglich Empfindungen auszudruͤken, die man ſelbſt
nicht hat. (*) Nun iſt es Zeit die Anwendung der
ſeltenen Gabe jede Leidenſchaft zu ſchildern, in Be-
trachtung zu ziehen.

Hier entſtehet alſo die Frage, wie der Kuͤnſtler
ſeine Fertigkeit in lebhafter Schilderung der Leiden-
ſchaften zum beſten Gebrauch anwenden, und wie
er uͤberhaupt die Werke von leidenſchaftlichem Jnhalt
in dieſer Abſicht behandeln ſoll.

Jch kenne nur dreyerley Wuͤrkungen, die von
dergleichen Werken zu erwarten ſind. Sie koͤnnen
erſtlich ſehr unterhaltend und angenehm ſeyn; her-
nach auch dazu dienen, daß wir alle Leidenſchaften,
ihre Wuͤrkungen und Folgen kennen lernen; und
endlich kann es auch geſchehen, daß wir dadurch
fuͤr einige Leidenſchaften eingenommen, fuͤr andern
aber gewarnet, oder davon abgeſchrekt werden.
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Lei
Dieſe dreyfache Wuͤrkung muß der Kuͤnſtler allemal
bey Behandlung der Leidenſchaften vor Augen haben.
Wir wollen jeden dieſer drey Punkte beſonders be-
trachten.

Daß es fuͤr Menſchen von einiger Empfindſam-
keit eine angenehme Unterhaltung ſey, Zeugen von
Handlungen und Begebenheiten zu ſeyn, wobey die
verſchiedenen Leidenſchaften in Wuͤrkſamkeit kommen,
iſt eine durchgehends bekannte Sache. Selbſt die
Scenen, wobey die mitwuͤrkenden Perſonen blos wie-
drige, oder ſchmerzhafte Leidenſchaften fuͤhlen, gefal-
len uns, wenn wir außer aller Verbindung damit,
bloße Zuſchauer derſelben ſind. Die Beſchreibung,
oder Abbildung eines fuͤrchterlichen Sturms; eines
gefaͤhrlichen Auflaufs; einer hizigen Slacht und der-
gleichen mehr, haben fuͤr jeden Menſchen etwas an-
ziehendes, ob er gleich dabey Empfindungen hat, die
denen aͤhnlich ſind, welche die handelnden Perſonen
erfahren. Es iſt der Abſicht dieſes Werks gemaͤß,
daß wir vor allen Dingen hier den wahren Grund
dieſer wuͤrklich ſeltſamen Erſcheinung aufſuchen.

Warum ſehen wir ſo gerne Abbildungen von
Scenen, die uns hoͤchſt unangenehm waͤren, wenn
wir uns ſelbſt darin verwikelt faͤnden? Jedermann
weiß, wie Lukretius dieſes erklaͤret.

Suave mari magno turbantibus æquora ventis
A terra magnum alterius ſpectare laborem.
Non quia vexari quemquam eſt jucunda voluptas,
Sed quibus ipſe malis careas quia cernere ſuave eſt.
(*)

D. i. Es iſt angenehm bey hohem Meere, wenn
die Winde in die Gewaͤſſer ſtuͤrmen, vom Lande die
Noth der Menſchen anzuſehen. Nicht darum, daß
es ein Vergnuͤgen waͤre, wenn andre geaͤngſtiget wer-
den; ſondern weil es uͤberhaupt ergoͤzt Ungemach
zu ſehen, davon wir ſelbſt frey ſind.

Jm Grund erklaͤrt der Dichter die Sache nicht.
Denn es iſt eben die Frage, warum das Anſchauen
des Ungemachs, das uns ſelbſt nicht trift, uns ver-
gnuͤge. Jch erinnere mich vom Land einen Sturm
geſehen zu haben, der zwey unweit der Kuͤſte in
der See befindliche Schiffe in große Noth ſezte, wo-
bey ich ſelbſt viel Angſt und Furcht empfunden,
und doch lag es nur an mir, die Augen davon
abzuwenden. Man geht bisweilen Scenen der Furcht
und des Schrekens zu ſehen, ob man gleich voraus-
ſieht, daß man ſelbſt dabey leiden werde. Doch wird
nicht leicht ein empfindſamer Menſch zum zwey-
tenmale ſolche Scenen zu ſehen verlangen, die wuͤrk-

lich
(*) Dar-
aus folget,
daß man
den ſittli-
chen Cha-
rakter eines
Dichters
ſicherer
aus dem
beurtheilen
koͤnne, was
er nicht
auszudruͤ-
ken im
Stand iſt
(*) Lucret.
L. II. vs. [unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt]
ſeq.
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[700[682]/0117] Lei Lei den groͤßten Antheil haben. So oft alſo der Kuͤnſt- ler in menſchlichen Handlungen das Große wahr- nihmt, ſoll er ſein aͤußerſtes thun zu verſuchen, ſich ſelbſt in die Empfindung zu ſezen, in der er die Moͤg- lichkeit ſo zu handeln fuͤhlet. Es giebt Faͤlle, wo man mehrere Tage lang zu thun hat, um ſich in die wahre Lage der Sachen, in die Denkungsart, und in die Empfindungen zu ſezen, deren Aeußerungen man an andern wahrgenommen hat und ehe man in ſich ſelbſt nur die Moͤglichkeit derſelben empfindet. Darum halten ſo viele Menſchen gewiſſe Thaten, die man von andern erzaͤhlt, fuͤr unmoͤglich; weil ſie ſelbſt die Kraͤfte, wodurch ſie bewuͤrkt worden, nicht zu fuͤhlen vermoͤgend ſind. Darum werden auch nur auſſerordentliche Genie, dergleichen Homer, die uns uͤbrig gebliedenen tragiſchen Dichter von Athen, Milton, Shakespear, Klopſtok ſind, die mit der aͤußerſten Anſtrengung der Kraͤfte ſich in alle Ge- muͤthsfaſſungen ſezen koͤnnen, die alles empfinden wollen, was Menſchen empfinden koͤnnen, die ſich von Stufe zu Stufe zu jeder Groͤße, ſie ſey gut oder doͤſe zu erheben ſuchen, um ihren Urſprung in ſich ſelbſt zu empfinden, — nur ſolche Maͤnner werden im Ausdruk aller Leidenſchaften groß ſeyn. Wir wollen das, was dem Kuͤnſtler uͤber den Aus- druk der Leidenſchaften zu ſagen iſt, in eine einzige Regel zuſammenfaſſen. Er uͤbe ſich mit dem hart- naͤkigſten Fleis, alles, was er auszudruͤken hat, ſelbſt wol zu empfinden, und wage ſich an keine Schildrung der Leidenſchaft, bis es ihm gelungen iſt, ſich ſelbſt in dieſelbe zu ſezen. Denn es iſt un- moͤglich Empfindungen auszudruͤken, die man ſelbſt nicht hat. (*) Nun iſt es Zeit die Anwendung der ſeltenen Gabe jede Leidenſchaft zu ſchildern, in Be- trachtung zu ziehen. Hier entſtehet alſo die Frage, wie der Kuͤnſtler ſeine Fertigkeit in lebhafter Schilderung der Leiden- ſchaften zum beſten Gebrauch anwenden, und wie er uͤberhaupt die Werke von leidenſchaftlichem Jnhalt in dieſer Abſicht behandeln ſoll. Jch kenne nur dreyerley Wuͤrkungen, die von dergleichen Werken zu erwarten ſind. Sie koͤnnen erſtlich ſehr unterhaltend und angenehm ſeyn; her- nach auch dazu dienen, daß wir alle Leidenſchaften, ihre Wuͤrkungen und Folgen kennen lernen; und endlich kann es auch geſchehen, daß wir dadurch fuͤr einige Leidenſchaften eingenommen, fuͤr andern aber gewarnet, oder davon abgeſchrekt werden. Dieſe dreyfache Wuͤrkung muß der Kuͤnſtler allemal bey Behandlung der Leidenſchaften vor Augen haben. Wir wollen jeden dieſer drey Punkte beſonders be- trachten. Daß es fuͤr Menſchen von einiger Empfindſam- keit eine angenehme Unterhaltung ſey, Zeugen von Handlungen und Begebenheiten zu ſeyn, wobey die verſchiedenen Leidenſchaften in Wuͤrkſamkeit kommen, iſt eine durchgehends bekannte Sache. Selbſt die Scenen, wobey die mitwuͤrkenden Perſonen blos wie- drige, oder ſchmerzhafte Leidenſchaften fuͤhlen, gefal- len uns, wenn wir außer aller Verbindung damit, bloße Zuſchauer derſelben ſind. Die Beſchreibung, oder Abbildung eines fuͤrchterlichen Sturms; eines gefaͤhrlichen Auflaufs; einer hizigen Slacht und der- gleichen mehr, haben fuͤr jeden Menſchen etwas an- ziehendes, ob er gleich dabey Empfindungen hat, die denen aͤhnlich ſind, welche die handelnden Perſonen erfahren. Es iſt der Abſicht dieſes Werks gemaͤß, daß wir vor allen Dingen hier den wahren Grund dieſer wuͤrklich ſeltſamen Erſcheinung aufſuchen. Warum ſehen wir ſo gerne Abbildungen von Scenen, die uns hoͤchſt unangenehm waͤren, wenn wir uns ſelbſt darin verwikelt faͤnden? Jedermann weiß, wie Lukretius dieſes erklaͤret. Suave mari magno turbantibus æquora ventis A terra magnum alterius ſpectare laborem. Non quia vexari quemquam eſt jucunda voluptas, Sed quibus ipſe malis careas quia cernere ſuave eſt. (*) D. i. Es iſt angenehm bey hohem Meere, wenn die Winde in die Gewaͤſſer ſtuͤrmen, vom Lande die Noth der Menſchen anzuſehen. Nicht darum, daß es ein Vergnuͤgen waͤre, wenn andre geaͤngſtiget wer- den; ſondern weil es uͤberhaupt ergoͤzt Ungemach zu ſehen, davon wir ſelbſt frey ſind. Jm Grund erklaͤrt der Dichter die Sache nicht. Denn es iſt eben die Frage, warum das Anſchauen des Ungemachs, das uns ſelbſt nicht trift, uns ver- gnuͤge. Jch erinnere mich vom Land einen Sturm geſehen zu haben, der zwey unweit der Kuͤſte in der See befindliche Schiffe in große Noth ſezte, wo- bey ich ſelbſt viel Angſt und Furcht empfunden, und doch lag es nur an mir, die Augen davon abzuwenden. Man geht bisweilen Scenen der Furcht und des Schrekens zu ſehen, ob man gleich voraus- ſieht, daß man ſelbſt dabey leiden werde. Doch wird nicht leicht ein empfindſamer Menſch zum zwey- tenmale ſolche Scenen zu ſehen verlangen, die wuͤrk- lich (*) Dar- aus folget, daß man den ſittli- chen Cha- rakter eines Dichters ſicherer aus dem beurtheilen koͤnne, was er nicht auszudruͤ- ken im Stand iſt (*) Lucret. L. II. vs. _ ſeq.

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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 2. Leipzig, 1774, S. 700[682]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie02_1774/117>, abgerufen am 27.11.2024.