schen kommen; können ja besondere kleine Capellen gebaut werden.
Dieses wenige kann hinlänglich seyn, denen, die dergleichen Kirchen bauen, oder bauen lassen, zu zeigen, wie nöthig es sey, überall auf den wahren Zwek der Sachen zu sehen. Auch diesem Theile der Kunst, fehlet es noch an einer wahren gründlichen Critik, die den Baumeister in seinen Verrichtungen immer auf dem geraden Weg halte. So bald man willkührlich verfährt, so läuft man Gefahr unge- reimte Dinge zu machen.
Die protestantischen Kirchen, erfodern eine andre Anordnung, der Chor kann ganz wegbleiben, wenn nur an dessen Stelle, am Ende des Schiffs ein et- was erhabener Platz ist, auf dem die Diener der Religion bey Feyerung der weniger prächtigen Ge- bräuche, dem ganzen Volke sichtbar sind. Auch die Abseiten sind da eben nicht nöthig, weil insge- mein das ganze Volk versammelt ist, ehe mit dem Gottesdienst der Anfang gemacht wird. Jndessen schaden die Abseiten nichts, wenn sie als Gänge ge- braucht werden: nur müssen sie nicht, wie häufig geschieht, zu eben dem Gebrauch bestimmt werden, als das Schiff; denn es ist geradezu ungereimt, das Volk auf Plätze zu stellen, wo es weder den Prediger, noch die Geistlichen sehen kann, die in andern gottesdienstlichen Verrichtungen begriffen sind. Kirchen wo diese Ungereimtheiten vorkom- men, und sie sind nicht selten, beweisen, wie wenig man auch in einem so wichtigem Gebrauch der Bau- kunst, nach Grundsätzen verfährt.
Das Wichtigste bey Anordnung einer protestan- tischen Kirche, ist eine solche Einrichtung, daß an jedem Orte der Kirche der Prediger von vorne ge- sehen und auch verstanden werde. Dazu ist nun offenbar die ovale Form der Kirche die vortheilhaf- teste. Ein nicht allzulängliches Vierek, geht auch noch an, wenn nur die Kanzel nicht an einer der längern, sondern an einer schmalen Seite ange- bracht wird. Eine gute Einrichtung ist es, die ich irgendwo gesehen habe, daß gerade über dem Orte des Altars oder des Communions-Tisches und Taufsteines, eine Art einer sogenannten Empor- Kirche steht, an deren Mitte die Canzel ist.
Um in solchen Kirchen den Platz ins engere zu- sammen zu ziehen, wird oft über die Abseiten eine offene Gallerie herumgeführet, die man Empor- Kirchen nennet, weil der Platz, da das Volk sitzet, [Spaltenumbruch]
Kir
empor gehoben ist. Dieses ist überall nöthig, wo die Versammlung sehr zahlreich ist, und der Zu- hörer über Tausend sind. Denn ein Schiff diese zu fassen, würde schon zu groß seyn, als daß der Prediger an allen Orten könnte verstanden werden.
Kirchen, die vorzüglich zum Predigen bestimmt sind, erfodern inwendig eben keine Pracht, wenig- stens keinen Reichthum; denn dieser würde nur die Aufmersamkeit stöhren. Also kann man sich hier mit edler Einfalt, und mit den schlechterdings we- sentlichen Verzierungen der Baukunst begnügen. Aber diese Kirchen müssen ein volles Licht von allen Seiten haben, nur nicht von der Canzel her, weil dieses die Zuhörer, die den Prediger im Gesichte haben müssen, blenden würde. Vorzüglich muß der Ort der Canzel gut erleuchtet seyn. Ueberhaupt muß alles Jnwendige einen guten Anstand haben, daß kein Mensch von Geschmak sich an irgend etwas stoße. Weiß sollten Deken und Wände, nicht gelassen werden, weil sie blenden; eine sanfte grünliche oder röthliche Farbe, schiket sich besser. Ueberall aber müßte auf die höchste Reinlichkeit und auch auf Nettigkeit der Arbeit gesehen werden.
Von außen muß eine Kirche auf den ersten An- blik Größe und Würde zeigen. Große Parthien; nichts Ueberladenes; nichts von den kleinen Zier- rathen der Wohnhäuser; weit mehr glattes, als buntes; wenigstens ein schönes, aber mehr einfa- ches, als bunt verkröpftes und verschnörkeltes Haup- portal. Die Thürmer, wenn sie nur gute Ver- hältnisse haben, geben den Kirchen ein schönes An- sehen. Weit mehr aber eine Cupel. Die sehr ho- hen und schmalen, wie Nadeln gespizten Thürme sind Einfälle eines schlechten arabischen Geschmaks. Runde, nicht allzuhohe Thürme, mit Cupeln bedekt, stehen am besten.
Schon die Griechen hielten in den schönsten Zei- ten der Baukunst, die jonische Ordnung für die schiklichste zu den Tempeln ihrer Götter (*), und sie ist es auch für unsre Kirchen. Wir wollen die dorische Ordnung dazu nicht ganz verwerfen. Nur daß keinem Baumeister die ungereimte Pedanterey dabey einfalle, die Metopen des Frieses nach anti- ker Art, mit Opfergefäßen und Hirnschädeln von Opferthieren zu verziehren. Was sich für einen heidnischen Tempel schikte, kann darum nicht an ei- ner Kirche stehen.
Billig
(*) S. Jonisch.
[Spaltenumbruch]
Kir
ſchen kommen; koͤnnen ja beſondere kleine Capellen gebaut werden.
Dieſes wenige kann hinlaͤnglich ſeyn, denen, die dergleichen Kirchen bauen, oder bauen laſſen, zu zeigen, wie noͤthig es ſey, uͤberall auf den wahren Zwek der Sachen zu ſehen. Auch dieſem Theile der Kunſt, fehlet es noch an einer wahren gruͤndlichen Critik, die den Baumeiſter in ſeinen Verrichtungen immer auf dem geraden Weg halte. So bald man willkuͤhrlich verfaͤhrt, ſo laͤuft man Gefahr unge- reimte Dinge zu machen.
Die proteſtantiſchen Kirchen, erfodern eine andre Anordnung, der Chor kann ganz wegbleiben, wenn nur an deſſen Stelle, am Ende des Schiffs ein et- was erhabener Platz iſt, auf dem die Diener der Religion bey Feyerung der weniger praͤchtigen Ge- braͤuche, dem ganzen Volke ſichtbar ſind. Auch die Abſeiten ſind da eben nicht noͤthig, weil insge- mein das ganze Volk verſammelt iſt, ehe mit dem Gottesdienſt der Anfang gemacht wird. Jndeſſen ſchaden die Abſeiten nichts, wenn ſie als Gaͤnge ge- braucht werden: nur muͤſſen ſie nicht, wie haͤufig geſchieht, zu eben dem Gebrauch beſtimmt werden, als das Schiff; denn es iſt geradezu ungereimt, das Volk auf Plaͤtze zu ſtellen, wo es weder den Prediger, noch die Geiſtlichen ſehen kann, die in andern gottesdienſtlichen Verrichtungen begriffen ſind. Kirchen wo dieſe Ungereimtheiten vorkom- men, und ſie ſind nicht ſelten, beweiſen, wie wenig man auch in einem ſo wichtigem Gebrauch der Bau- kunſt, nach Grundſaͤtzen verfaͤhrt.
Das Wichtigſte bey Anordnung einer proteſtan- tiſchen Kirche, iſt eine ſolche Einrichtung, daß an jedem Orte der Kirche der Prediger von vorne ge- ſehen und auch verſtanden werde. Dazu iſt nun offenbar die ovale Form der Kirche die vortheilhaf- teſte. Ein nicht allzulaͤngliches Vierek, geht auch noch an, wenn nur die Kanzel nicht an einer der laͤngern, ſondern an einer ſchmalen Seite ange- bracht wird. Eine gute Einrichtung iſt es, die ich irgendwo geſehen habe, daß gerade uͤber dem Orte des Altars oder des Communions-Tiſches und Taufſteines, eine Art einer ſogenannten Empor- Kirche ſteht, an deren Mitte die Canzel iſt.
Um in ſolchen Kirchen den Platz ins engere zu- ſammen zu ziehen, wird oft uͤber die Abſeiten eine offene Gallerie herumgefuͤhret, die man Empor- Kirchen nennet, weil der Platz, da das Volk ſitzet, [Spaltenumbruch]
Kir
empor gehoben iſt. Dieſes iſt uͤberall noͤthig, wo die Verſammlung ſehr zahlreich iſt, und der Zu- hoͤrer uͤber Tauſend ſind. Denn ein Schiff dieſe zu faſſen, wuͤrde ſchon zu groß ſeyn, als daß der Prediger an allen Orten koͤnnte verſtanden werden.
Kirchen, die vorzuͤglich zum Predigen beſtimmt ſind, erfodern inwendig eben keine Pracht, wenig- ſtens keinen Reichthum; denn dieſer wuͤrde nur die Aufmerſamkeit ſtoͤhren. Alſo kann man ſich hier mit edler Einfalt, und mit den ſchlechterdings we- ſentlichen Verzierungen der Baukunſt begnuͤgen. Aber dieſe Kirchen muͤſſen ein volles Licht von allen Seiten haben, nur nicht von der Canzel her, weil dieſes die Zuhoͤrer, die den Prediger im Geſichte haben muͤſſen, blenden wuͤrde. Vorzuͤglich muß der Ort der Canzel gut erleuchtet ſeyn. Ueberhaupt muß alles Jnwendige einen guten Anſtand haben, daß kein Menſch von Geſchmak ſich an irgend etwas ſtoße. Weiß ſollten Deken und Waͤnde, nicht gelaſſen werden, weil ſie blenden; eine ſanfte gruͤnliche oder roͤthliche Farbe, ſchiket ſich beſſer. Ueberall aber muͤßte auf die hoͤchſte Reinlichkeit und auch auf Nettigkeit der Arbeit geſehen werden.
Von außen muß eine Kirche auf den erſten An- blik Groͤße und Wuͤrde zeigen. Große Parthien; nichts Ueberladenes; nichts von den kleinen Zier- rathen der Wohnhaͤuſer; weit mehr glattes, als buntes; wenigſtens ein ſchoͤnes, aber mehr einfa- ches, als bunt verkroͤpftes und verſchnoͤrkeltes Haup- portal. Die Thuͤrmer, wenn ſie nur gute Ver- haͤltniſſe haben, geben den Kirchen ein ſchoͤnes An- ſehen. Weit mehr aber eine Cupel. Die ſehr ho- hen und ſchmalen, wie Nadeln geſpizten Thuͤrme ſind Einfaͤlle eines ſchlechten arabiſchen Geſchmaks. Runde, nicht allzuhohe Thuͤrme, mit Cupeln bedekt, ſtehen am beſten.
Schon die Griechen hielten in den ſchoͤnſten Zei- ten der Baukunſt, die joniſche Ordnung fuͤr die ſchiklichſte zu den Tempeln ihrer Goͤtter (*), und ſie iſt es auch fuͤr unſre Kirchen. Wir wollen die doriſche Ordnung dazu nicht ganz verwerfen. Nur daß keinem Baumeiſter die ungereimte Pedanterey dabey einfalle, die Metopen des Frieſes nach anti- ker Art, mit Opfergefaͤßen und Hirnſchaͤdeln von Opferthieren zu verziehren. Was ſich fuͤr einen heidniſchen Tempel ſchikte, kann darum nicht an ei- ner Kirche ſtehen.
Billig
(*) S. Joniſch.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0015"n="580"/><cb/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Kir</hi></fw><lb/>ſchen kommen; koͤnnen ja beſondere kleine Capellen<lb/>
gebaut werden.</p><lb/><p>Dieſes wenige kann hinlaͤnglich ſeyn, denen, die<lb/>
dergleichen Kirchen bauen, oder bauen laſſen, zu<lb/>
zeigen, wie noͤthig es ſey, uͤberall auf den wahren<lb/>
Zwek der Sachen zu ſehen. Auch dieſem Theile der<lb/>
Kunſt, fehlet es noch an einer wahren gruͤndlichen<lb/>
Critik, die den Baumeiſter in ſeinen Verrichtungen<lb/>
immer auf dem geraden Weg halte. So bald man<lb/>
willkuͤhrlich verfaͤhrt, ſo laͤuft man Gefahr unge-<lb/>
reimte Dinge zu machen.</p><lb/><p>Die proteſtantiſchen Kirchen, erfodern eine andre<lb/>
Anordnung, der Chor kann ganz wegbleiben, wenn<lb/>
nur an deſſen Stelle, am Ende des Schiffs ein et-<lb/>
was erhabener Platz iſt, auf dem die Diener der<lb/>
Religion bey Feyerung der weniger praͤchtigen Ge-<lb/>
braͤuche, dem ganzen Volke ſichtbar ſind. Auch<lb/>
die Abſeiten ſind da eben nicht noͤthig, weil insge-<lb/>
mein das ganze Volk verſammelt iſt, ehe mit dem<lb/>
Gottesdienſt der Anfang gemacht wird. Jndeſſen<lb/>ſchaden die Abſeiten nichts, wenn ſie als Gaͤnge ge-<lb/>
braucht werden: nur muͤſſen ſie nicht, wie haͤufig<lb/>
geſchieht, zu eben dem Gebrauch beſtimmt werden,<lb/>
als das Schiff; denn es iſt geradezu ungereimt,<lb/>
das Volk auf Plaͤtze zu ſtellen, wo es weder den<lb/>
Prediger, noch die Geiſtlichen ſehen kann, die in<lb/>
andern gottesdienſtlichen Verrichtungen begriffen<lb/>ſind. Kirchen wo dieſe Ungereimtheiten vorkom-<lb/>
men, und ſie ſind nicht ſelten, beweiſen, wie wenig<lb/>
man auch in einem ſo wichtigem Gebrauch der Bau-<lb/>
kunſt, nach Grundſaͤtzen verfaͤhrt.</p><lb/><p>Das Wichtigſte bey Anordnung einer proteſtan-<lb/>
tiſchen Kirche, iſt eine ſolche Einrichtung, daß an<lb/>
jedem Orte der Kirche der Prediger von vorne ge-<lb/>ſehen und auch verſtanden werde. Dazu iſt nun<lb/>
offenbar die ovale Form der Kirche die vortheilhaf-<lb/>
teſte. Ein nicht allzulaͤngliches Vierek, geht auch<lb/>
noch an, wenn nur die Kanzel nicht an einer der<lb/>
laͤngern, ſondern an einer ſchmalen Seite ange-<lb/>
bracht wird. Eine gute Einrichtung iſt es, die ich<lb/>
irgendwo geſehen habe, daß gerade uͤber dem Orte<lb/>
des Altars oder des Communions-Tiſches und<lb/>
Taufſteines, eine Art einer ſogenannten Empor-<lb/>
Kirche ſteht, an deren Mitte die Canzel iſt.</p><lb/><p>Um in ſolchen Kirchen den Platz ins engere zu-<lb/>ſammen zu ziehen, wird oft uͤber die Abſeiten eine<lb/>
offene Gallerie herumgefuͤhret, die man <hirendition="#fr">Empor-<lb/>
Kirchen</hi> nennet, weil der Platz, da das Volk ſitzet,<lb/><cb/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Kir</hi></fw><lb/>
empor gehoben iſt. Dieſes iſt uͤberall noͤthig, wo<lb/>
die Verſammlung ſehr zahlreich iſt, und der Zu-<lb/>
hoͤrer uͤber Tauſend ſind. Denn ein Schiff dieſe<lb/>
zu faſſen, wuͤrde ſchon zu groß ſeyn, als daß der<lb/>
Prediger an allen Orten koͤnnte verſtanden werden.</p><lb/><p>Kirchen, die vorzuͤglich zum Predigen beſtimmt<lb/>ſind, erfodern inwendig eben keine Pracht, wenig-<lb/>ſtens keinen Reichthum; denn dieſer wuͤrde nur die<lb/>
Aufmerſamkeit ſtoͤhren. Alſo kann man ſich hier<lb/>
mit edler Einfalt, und mit den ſchlechterdings we-<lb/>ſentlichen Verzierungen der Baukunſt begnuͤgen.<lb/>
Aber dieſe Kirchen muͤſſen ein volles Licht von allen<lb/>
Seiten haben, nur nicht von der Canzel her, weil<lb/>
dieſes die Zuhoͤrer, die den Prediger im Geſichte<lb/>
haben muͤſſen, blenden wuͤrde. Vorzuͤglich muß<lb/>
der Ort der Canzel gut erleuchtet ſeyn. Ueberhaupt<lb/>
muß alles Jnwendige einen guten Anſtand haben,<lb/>
daß kein Menſch von Geſchmak ſich an irgend<lb/>
etwas ſtoße. Weiß ſollten Deken und Waͤnde,<lb/>
nicht gelaſſen werden, weil ſie blenden; eine ſanfte<lb/>
gruͤnliche oder roͤthliche Farbe, ſchiket ſich beſſer.<lb/>
Ueberall aber muͤßte auf die hoͤchſte Reinlichkeit und<lb/>
auch auf Nettigkeit der Arbeit geſehen werden.</p><lb/><p>Von außen muß eine Kirche auf den erſten An-<lb/>
blik Groͤße und Wuͤrde zeigen. Große Parthien;<lb/>
nichts Ueberladenes; nichts von den kleinen Zier-<lb/>
rathen der Wohnhaͤuſer; weit mehr glattes, als<lb/>
buntes; wenigſtens ein ſchoͤnes, aber mehr einfa-<lb/>
ches, als bunt verkroͤpftes und verſchnoͤrkeltes Haup-<lb/>
portal. Die Thuͤrmer, wenn ſie nur gute Ver-<lb/>
haͤltniſſe haben, geben den Kirchen ein ſchoͤnes An-<lb/>ſehen. Weit mehr aber eine Cupel. Die ſehr ho-<lb/>
hen und ſchmalen, wie Nadeln geſpizten Thuͤrme<lb/>ſind Einfaͤlle eines ſchlechten arabiſchen Geſchmaks.<lb/>
Runde, nicht allzuhohe Thuͤrme, mit Cupeln bedekt,<lb/>ſtehen am beſten.</p><lb/><p>Schon die Griechen hielten in den ſchoͤnſten Zei-<lb/>
ten der Baukunſt, die joniſche Ordnung fuͤr die<lb/>ſchiklichſte zu den Tempeln ihrer Goͤtter <noteplace="foot"n="(*)">S.<lb/>
Joniſch.</note>, und<lb/>ſie iſt es auch fuͤr unſre Kirchen. Wir wollen die<lb/>
doriſche Ordnung dazu nicht ganz verwerfen. Nur<lb/>
daß keinem Baumeiſter die ungereimte Pedanterey<lb/>
dabey einfalle, die Metopen des Frieſes nach anti-<lb/>
ker Art, mit Opfergefaͤßen und Hirnſchaͤdeln von<lb/>
Opferthieren zu verziehren. Was ſich fuͤr einen<lb/>
heidniſchen Tempel ſchikte, kann darum nicht an ei-<lb/>
ner Kirche ſtehen.</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Billig</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[580/0015]
Kir
Kir
ſchen kommen; koͤnnen ja beſondere kleine Capellen
gebaut werden.
Dieſes wenige kann hinlaͤnglich ſeyn, denen, die
dergleichen Kirchen bauen, oder bauen laſſen, zu
zeigen, wie noͤthig es ſey, uͤberall auf den wahren
Zwek der Sachen zu ſehen. Auch dieſem Theile der
Kunſt, fehlet es noch an einer wahren gruͤndlichen
Critik, die den Baumeiſter in ſeinen Verrichtungen
immer auf dem geraden Weg halte. So bald man
willkuͤhrlich verfaͤhrt, ſo laͤuft man Gefahr unge-
reimte Dinge zu machen.
Die proteſtantiſchen Kirchen, erfodern eine andre
Anordnung, der Chor kann ganz wegbleiben, wenn
nur an deſſen Stelle, am Ende des Schiffs ein et-
was erhabener Platz iſt, auf dem die Diener der
Religion bey Feyerung der weniger praͤchtigen Ge-
braͤuche, dem ganzen Volke ſichtbar ſind. Auch
die Abſeiten ſind da eben nicht noͤthig, weil insge-
mein das ganze Volk verſammelt iſt, ehe mit dem
Gottesdienſt der Anfang gemacht wird. Jndeſſen
ſchaden die Abſeiten nichts, wenn ſie als Gaͤnge ge-
braucht werden: nur muͤſſen ſie nicht, wie haͤufig
geſchieht, zu eben dem Gebrauch beſtimmt werden,
als das Schiff; denn es iſt geradezu ungereimt,
das Volk auf Plaͤtze zu ſtellen, wo es weder den
Prediger, noch die Geiſtlichen ſehen kann, die in
andern gottesdienſtlichen Verrichtungen begriffen
ſind. Kirchen wo dieſe Ungereimtheiten vorkom-
men, und ſie ſind nicht ſelten, beweiſen, wie wenig
man auch in einem ſo wichtigem Gebrauch der Bau-
kunſt, nach Grundſaͤtzen verfaͤhrt.
Das Wichtigſte bey Anordnung einer proteſtan-
tiſchen Kirche, iſt eine ſolche Einrichtung, daß an
jedem Orte der Kirche der Prediger von vorne ge-
ſehen und auch verſtanden werde. Dazu iſt nun
offenbar die ovale Form der Kirche die vortheilhaf-
teſte. Ein nicht allzulaͤngliches Vierek, geht auch
noch an, wenn nur die Kanzel nicht an einer der
laͤngern, ſondern an einer ſchmalen Seite ange-
bracht wird. Eine gute Einrichtung iſt es, die ich
irgendwo geſehen habe, daß gerade uͤber dem Orte
des Altars oder des Communions-Tiſches und
Taufſteines, eine Art einer ſogenannten Empor-
Kirche ſteht, an deren Mitte die Canzel iſt.
Um in ſolchen Kirchen den Platz ins engere zu-
ſammen zu ziehen, wird oft uͤber die Abſeiten eine
offene Gallerie herumgefuͤhret, die man Empor-
Kirchen nennet, weil der Platz, da das Volk ſitzet,
empor gehoben iſt. Dieſes iſt uͤberall noͤthig, wo
die Verſammlung ſehr zahlreich iſt, und der Zu-
hoͤrer uͤber Tauſend ſind. Denn ein Schiff dieſe
zu faſſen, wuͤrde ſchon zu groß ſeyn, als daß der
Prediger an allen Orten koͤnnte verſtanden werden.
Kirchen, die vorzuͤglich zum Predigen beſtimmt
ſind, erfodern inwendig eben keine Pracht, wenig-
ſtens keinen Reichthum; denn dieſer wuͤrde nur die
Aufmerſamkeit ſtoͤhren. Alſo kann man ſich hier
mit edler Einfalt, und mit den ſchlechterdings we-
ſentlichen Verzierungen der Baukunſt begnuͤgen.
Aber dieſe Kirchen muͤſſen ein volles Licht von allen
Seiten haben, nur nicht von der Canzel her, weil
dieſes die Zuhoͤrer, die den Prediger im Geſichte
haben muͤſſen, blenden wuͤrde. Vorzuͤglich muß
der Ort der Canzel gut erleuchtet ſeyn. Ueberhaupt
muß alles Jnwendige einen guten Anſtand haben,
daß kein Menſch von Geſchmak ſich an irgend
etwas ſtoße. Weiß ſollten Deken und Waͤnde,
nicht gelaſſen werden, weil ſie blenden; eine ſanfte
gruͤnliche oder roͤthliche Farbe, ſchiket ſich beſſer.
Ueberall aber muͤßte auf die hoͤchſte Reinlichkeit und
auch auf Nettigkeit der Arbeit geſehen werden.
Von außen muß eine Kirche auf den erſten An-
blik Groͤße und Wuͤrde zeigen. Große Parthien;
nichts Ueberladenes; nichts von den kleinen Zier-
rathen der Wohnhaͤuſer; weit mehr glattes, als
buntes; wenigſtens ein ſchoͤnes, aber mehr einfa-
ches, als bunt verkroͤpftes und verſchnoͤrkeltes Haup-
portal. Die Thuͤrmer, wenn ſie nur gute Ver-
haͤltniſſe haben, geben den Kirchen ein ſchoͤnes An-
ſehen. Weit mehr aber eine Cupel. Die ſehr ho-
hen und ſchmalen, wie Nadeln geſpizten Thuͤrme
ſind Einfaͤlle eines ſchlechten arabiſchen Geſchmaks.
Runde, nicht allzuhohe Thuͤrme, mit Cupeln bedekt,
ſtehen am beſten.
Schon die Griechen hielten in den ſchoͤnſten Zei-
ten der Baukunſt, die joniſche Ordnung fuͤr die
ſchiklichſte zu den Tempeln ihrer Goͤtter (*), und
ſie iſt es auch fuͤr unſre Kirchen. Wir wollen die
doriſche Ordnung dazu nicht ganz verwerfen. Nur
daß keinem Baumeiſter die ungereimte Pedanterey
dabey einfalle, die Metopen des Frieſes nach anti-
ker Art, mit Opfergefaͤßen und Hirnſchaͤdeln von
Opferthieren zu verziehren. Was ſich fuͤr einen
heidniſchen Tempel ſchikte, kann darum nicht an ei-
ner Kirche ſtehen.
Billig
(*) S.
Joniſch.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 2. Leipzig, 1774, S. 580. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie02_1774/15>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.