chelnd und piano gesezt sind, welches sehr überra- schend ist, und wodurch hernach die Folge sich wieder desto ledhafter ausnihmt. Gar ofte wird dieser Theil in einzelen Stellen fugirt. Zwar nicht wie die förmli- che Fuge, daß nothwendig alle Stimmen nach einan- der eintreten; dieses geschieht wol bisweilen in sehr kurzen Säzen, von einem, oder einen halben Takt; sondern so, daß der Hauptsaz, oder das Thema bald in der Hauptstimme, bald im Baße vorkommt. Dieser erste Theil schließt, wenn er in der großen Tonart ist, insgemein in die Dominante; in der kleinen Tonart geschieht der Schluß auch wol in die Mediante.
Hierauf folget eine wolgearbeitete Fuge, welche in Bewegung und Charakter allerley Arten von Bal- letten und Tanzmelodien ähnlich seyn kann. Nach der Fuge kommt zuweilen noch ein Anhang von et- lichen Takten, der wieder in der Taktart des ersten Theils ist, womit die ganze Ouvertüre, wenn sie zu einer Oper, oder andern großen Gelegenheit die- nen soll, sich endiget. Wenn man aber die Ouver- türe für Concerte macht, wo sie unter andern Gat- tungen der Jnstrumental oder Singstüke vorkommt, [Spaltenumbruch]
Ouv
folgen nach der Fuge die meisten Arten der Tanz- melodien. Dergleichen Ouvertüren sind zuerst von Lülli als Einleitungen in die Ballette gemacht wor- den. Daher wurden hernach solche Tanzmelodien, ohne Rüksicht auf das Tanzen, folglich auch weit länger als die gewöhnlichen in diese Art der Ouver- türe eingeführet.
Die Ouvertüren sind in den neuern Zeiten selten geworden; weil sowol die Fuge, als die verschiede- nen Tanzmelodien, mehr Wissenschaft, Kenntnis und Geschmak erfodern, als der gemeine Haufe der Tonsezer besizet. Hiedurch aber ist der gute Vortrag, der jedes Stük vor dem andern unterscheiden sollte, und zu dessen Uebung die Ouvertüren sehr vortheil- haft waren, an manchem Orte sehr gefallen.
Jm vorigen Jahrhundert hat man die besten Ouvertüren aus Frankreich erhalten, wo sie wie gesagt worden, zuerst aufgekommen sind. Nachher wurden sie auch anderwerts nachgeahmt, besonders in Deutschland, wo außer dem großen Bach, noch andre seines Namens, ingleichem Händel, Fasch in Zerbst und unsre beyden Graun, besonders aber Te- leman sich hervorgethan haben.
[Spaltenumbruch]
Ouv
chelnd und piano geſezt ſind, welches ſehr uͤberra- ſchend iſt, und wodurch hernach die Folge ſich wieder deſto ledhafter ausnihmt. Gar ofte wird dieſer Theil in einzelen Stellen fugirt. Zwar nicht wie die foͤrmli- che Fuge, daß nothwendig alle Stimmen nach einan- der eintreten; dieſes geſchieht wol bisweilen in ſehr kurzen Saͤzen, von einem, oder einen halben Takt; ſondern ſo, daß der Hauptſaz, oder das Thema bald in der Hauptſtimme, bald im Baße vorkommt. Dieſer erſte Theil ſchließt, wenn er in der großen Tonart iſt, insgemein in die Dominante; in der kleinen Tonart geſchieht der Schluß auch wol in die Mediante.
Hierauf folget eine wolgearbeitete Fuge, welche in Bewegung und Charakter allerley Arten von Bal- letten und Tanzmelodien aͤhnlich ſeyn kann. Nach der Fuge kommt zuweilen noch ein Anhang von et- lichen Takten, der wieder in der Taktart des erſten Theils iſt, womit die ganze Ouvertuͤre, wenn ſie zu einer Oper, oder andern großen Gelegenheit die- nen ſoll, ſich endiget. Wenn man aber die Ouver- tuͤre fuͤr Concerte macht, wo ſie unter andern Gat- tungen der Jnſtrumental oder Singſtuͤke vorkommt, [Spaltenumbruch]
Ouv
folgen nach der Fuge die meiſten Arten der Tanz- melodien. Dergleichen Ouvertuͤren ſind zuerſt von Luͤlli als Einleitungen in die Ballette gemacht wor- den. Daher wurden hernach ſolche Tanzmelodien, ohne Ruͤkſicht auf das Tanzen, folglich auch weit laͤnger als die gewoͤhnlichen in dieſe Art der Ouver- tuͤre eingefuͤhret.
Die Ouvertuͤren ſind in den neuern Zeiten ſelten geworden; weil ſowol die Fuge, als die verſchiede- nen Tanzmelodien, mehr Wiſſenſchaft, Kenntnis und Geſchmak erfodern, als der gemeine Haufe der Tonſezer beſizet. Hiedurch aber iſt der gute Vortrag, der jedes Stuͤk vor dem andern unterſcheiden ſollte, und zu deſſen Uebung die Ouvertuͤren ſehr vortheil- haft waren, an manchem Orte ſehr gefallen.
Jm vorigen Jahrhundert hat man die beſten Ouvertuͤren aus Frankreich erhalten, wo ſie wie geſagt worden, zuerſt aufgekommen ſind. Nachher wurden ſie auch anderwerts nachgeahmt, beſonders in Deutſchland, wo außer dem großen Bach, noch andre ſeines Namens, ingleichem Haͤndel, Faſch in Zerbſt und unſre beyden Graun, beſonders aber Te- leman ſich hervorgethan haben.
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[874[856]/0291]
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chelnd und piano geſezt ſind, welches ſehr uͤberra-
ſchend iſt, und wodurch hernach die Folge ſich wieder
deſto ledhafter ausnihmt. Gar ofte wird dieſer Theil
in einzelen Stellen fugirt. Zwar nicht wie die foͤrmli-
che Fuge, daß nothwendig alle Stimmen nach einan-
der eintreten; dieſes geſchieht wol bisweilen in ſehr
kurzen Saͤzen, von einem, oder einen halben Takt;
ſondern ſo, daß der Hauptſaz, oder das Thema bald
in der Hauptſtimme, bald im Baße vorkommt.
Dieſer erſte Theil ſchließt, wenn er in der großen
Tonart iſt, insgemein in die Dominante; in der
kleinen Tonart geſchieht der Schluß auch wol in die
Mediante.
Hierauf folget eine wolgearbeitete Fuge, welche
in Bewegung und Charakter allerley Arten von Bal-
letten und Tanzmelodien aͤhnlich ſeyn kann. Nach
der Fuge kommt zuweilen noch ein Anhang von et-
lichen Takten, der wieder in der Taktart des erſten
Theils iſt, womit die ganze Ouvertuͤre, wenn ſie
zu einer Oper, oder andern großen Gelegenheit die-
nen ſoll, ſich endiget. Wenn man aber die Ouver-
tuͤre fuͤr Concerte macht, wo ſie unter andern Gat-
tungen der Jnſtrumental oder Singſtuͤke vorkommt,
folgen nach der Fuge die meiſten Arten der Tanz-
melodien. Dergleichen Ouvertuͤren ſind zuerſt von
Luͤlli als Einleitungen in die Ballette gemacht wor-
den. Daher wurden hernach ſolche Tanzmelodien,
ohne Ruͤkſicht auf das Tanzen, folglich auch weit
laͤnger als die gewoͤhnlichen in dieſe Art der Ouver-
tuͤre eingefuͤhret.
Die Ouvertuͤren ſind in den neuern Zeiten ſelten
geworden; weil ſowol die Fuge, als die verſchiede-
nen Tanzmelodien, mehr Wiſſenſchaft, Kenntnis
und Geſchmak erfodern, als der gemeine Haufe der
Tonſezer beſizet. Hiedurch aber iſt der gute Vortrag,
der jedes Stuͤk vor dem andern unterſcheiden ſollte,
und zu deſſen Uebung die Ouvertuͤren ſehr vortheil-
haft waren, an manchem Orte ſehr gefallen.
Jm vorigen Jahrhundert hat man die beſten
Ouvertuͤren aus Frankreich erhalten, wo ſie wie
geſagt worden, zuerſt aufgekommen ſind. Nachher
wurden ſie auch anderwerts nachgeahmt, beſonders
in Deutſchland, wo außer dem großen Bach, noch
andre ſeines Namens, ingleichem Haͤndel, Faſch in
Zerbſt und unſre beyden Graun, beſonders aber Te-
leman ſich hervorgethan haben.
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Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 2. Leipzig, 1774, S. 874[856]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie02_1774/291>, abgerufen am 29.11.2024.
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