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Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 2. Leipzig, 1774.

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Pal
der Nähe dieses Palasts versammeln könnte, da
jeder das Gebäude frey sähe.

Einige orientalische Völker, denen man sonst
nicht den größten Geschmak zutraut, scheinen mehr,
als die Europäer eingesehen zu haben, was sich zu
einem großen Palast schiket. Man sagt, daß der,
den der chinesische Monarch in Peking bewohnt, die
Größe einer mittelmäßigen Europäischen Stadt habe;
und aus den römischen Ueberbleibseln der alten Bau-
kunst, läßt sich schließen, daß auch die römischen
Baumeister gewußt haben, die Größe und den Cha-
rakter der Paläste, der Hoheit, jener Herren der
Welt, gemäß einzurichten.

Jndem ich daran bin die lezte Hand an diesen
Artikel zu legen, fällt mir eine Abhandlung über
diese Materie in die Hände, daraus ich das Wesent-
lichste, das hieher gehört, anführen will. (+)

Wodurch unterscheiden sich in Europa, heißt es
da, die Paläste der Könige von den Häusern der
Privatpersonen? Sie sind von größerm Umfange;
die Zimmer sind größer und man entdeket da mehr
Reichthum. Dies macht den ganzen Unterschied
aus; sonst sind sie von verschiedenen übereinander
stehenden Geschossen, wie die gemeinen Wohnhäuser,
und wer zum erstenmale dahin kommt, muß sich
erkundigen, wo die Zimmer des Fürsten sind.

Würde es nicht ein edleres Ansehen haben, wenn
diese Paläste nur von einem Geschoß wären, wie
ehemals die römischen, das aber auf einen erhöhten
Grund (einer Terasse) stünde; wenn unter diesem
erhöhten Grund alles gewölbt wäre, und in diese
Gewölber, das, was die tägliche Nothdurft und die
allgemeinen Bequämlichkeiten erfodern, gebracht
würde; und wenn die Hauptzimmer des Palastes,
nach Art der Alten, durch Oefnungen in den Gewöl-
bern derselben erleüchtet würden? An diese große
Stüke würde man die, welche zum täglichen Ge-
brauch gehören, geschikt anschließen, und dadurch
würden diese auf die angenehmste und bequämste
Weise können angeordnet werden, und würden zu-
gleich angenehme Aussichten auf die Pläze und Gär-
ten haben, die den Palast umgeben.

Aber wir verweisen den Liebhaber der Baukunst
auf die Schrift selbst, daraus dieses gezogen ist, und
in welcher noch viel beträchtliche Beobachtungen
über die große Baukunst vorkommen.

[Spaltenumbruch]
Pan
Pantomime.
(Schauspiehlkunst.)

Jst das lateinische, oder vielmehr griechische Wort
Pantomimus, welches einen Schauspiehler bedeutet,
der eine ganze Role eines Drama ohne Worte, durch
die bloße Sprach der Gebehrden ausdrükt. Gegen-
wärtig nennet man ein dramatisches Schaufpiehl,
das durchaus ohne Reden vorgestellt wird, eine
Pantomime; und dann drükt man durch dieses Wort
auch überhaupt dasjenige aus, was im Drama zum
stummen Spiehl gehöret.

Von den römischen Pantomimen, die, wie es
scheinet in den Zeiten des Augustus aufgekommen
sind, und in deren Spiehl die Römer bis zur Rase-
rey verliebt gewesen, wollen wir hier nicht sprechen.
Wer Lust hat sich eine Vorstellung davon zu machen
kann Lucians Abhandlung vom Tanzen, und des
Abbe du Bos gesammelte Nachrichten hierüber le-
sen. (*) Dieses Schauspiehl kommt gegenwärtig
in keine Betrachtung, ob es gleich noch vor kurzem
hier und da auf einigen Schaubühnen erschienen
ist. Was izt noch Aufmerksamkeit verdienet, ist
der Theil des stummen Spiehles, den man Panto-
mime nennt.

Es ist schweer zu sagen, wie viel von der guten
Würkung einer dramatischen Scene den Worten des
Dichters, wie viel dem Ton, und wie viel der Stel-
lung und Bewegung der Schauspiehler zuzuschreiben
sey. Jedes hat einen sehr wesentlichen Antheil daran,
darum ist die Pantomime gewiß ein wichtiges Stük
der Vorstellung. Wir rechnen die Mine, die Stel-
lung und alle Bewegungen, nicht nur der sprechen-
den, sondern auch aller andern auf der Scene er-
scheinenden Personen dazu; hier aber schränken wir
uns auf das eigentliche stumme Spiehl, oder auf
dasjenige ein, was die in der Scene gegenwärtigen
Personen zu thun haben, währender Zeit, da sie
andern zuhören, oder selbst nicht sprechen.

Dieser Theil der Kunst ist so wenig bearbeitet,
und erfodert, wenn er nur einiger maaßen metho-
disch behandelt werden soll, die Betrachtung einer
so großen Menge besonderer Fälle, aus deren Ent-
wiklung die allgemeinen Grundsäze hergeleitet wer-
den müssen; daß ich es nicht über mich nehmen kann,
diese Materie förmlich abzuhandeln. Jch muß mich

hier
(+) [Spaltenumbruch]
Diese Abhandlung ist von dem franz. Baumeister
[Spaltenumbruch] Peyre und steht in dem Mercure de France vom Aug. 1773.
(*) Jn sei-
nen Refle-
xions sur la
poesie et la
peinture.

[Spaltenumbruch]

Pal
der Naͤhe dieſes Palaſts verſammeln koͤnnte, da
jeder das Gebaͤude frey ſaͤhe.

Einige orientaliſche Voͤlker, denen man ſonſt
nicht den groͤßten Geſchmak zutraut, ſcheinen mehr,
als die Europaͤer eingeſehen zu haben, was ſich zu
einem großen Palaſt ſchiket. Man ſagt, daß der,
den der chineſiſche Monarch in Peking bewohnt, die
Groͤße einer mittelmaͤßigen Europaͤiſchen Stadt habe;
und aus den roͤmiſchen Ueberbleibſeln der alten Bau-
kunſt, laͤßt ſich ſchließen, daß auch die roͤmiſchen
Baumeiſter gewußt haben, die Groͤße und den Cha-
rakter der Palaͤſte, der Hoheit, jener Herren der
Welt, gemaͤß einzurichten.

Jndem ich daran bin die lezte Hand an dieſen
Artikel zu legen, faͤllt mir eine Abhandlung uͤber
dieſe Materie in die Haͤnde, daraus ich das Weſent-
lichſte, das hieher gehoͤrt, anfuͤhren will. (†)

Wodurch unterſcheiden ſich in Europa, heißt es
da, die Palaͤſte der Koͤnige von den Haͤuſern der
Privatperſonen? Sie ſind von groͤßerm Umfange;
die Zimmer ſind groͤßer und man entdeket da mehr
Reichthum. Dies macht den ganzen Unterſchied
aus; ſonſt ſind ſie von verſchiedenen uͤbereinander
ſtehenden Geſchoſſen, wie die gemeinen Wohnhaͤuſer,
und wer zum erſtenmale dahin kommt, muß ſich
erkundigen, wo die Zimmer des Fuͤrſten ſind.

Wuͤrde es nicht ein edleres Anſehen haben, wenn
dieſe Palaͤſte nur von einem Geſchoß waͤren, wie
ehemals die roͤmiſchen, das aber auf einen erhoͤhten
Grund (einer Teraſſe) ſtuͤnde; wenn unter dieſem
erhoͤhten Grund alles gewoͤlbt waͤre, und in dieſe
Gewoͤlber, das, was die taͤgliche Nothdurft und die
allgemeinen Bequaͤmlichkeiten erfodern, gebracht
wuͤrde; und wenn die Hauptzimmer des Palaſtes,
nach Art der Alten, durch Oefnungen in den Gewoͤl-
bern derſelben erleuͤchtet wuͤrden? An dieſe große
Stuͤke wuͤrde man die, welche zum taͤglichen Ge-
brauch gehoͤren, geſchikt anſchließen, und dadurch
wuͤrden dieſe auf die angenehmſte und bequaͤmſte
Weiſe koͤnnen angeordnet werden, und wuͤrden zu-
gleich angenehme Ausſichten auf die Plaͤze und Gaͤr-
ten haben, die den Palaſt umgeben.

Aber wir verweiſen den Liebhaber der Baukunſt
auf die Schrift ſelbſt, daraus dieſes gezogen iſt, und
in welcher noch viel betraͤchtliche Beobachtungen
uͤber die große Baukunſt vorkommen.

[Spaltenumbruch]
Pan
Pantomime.
(Schauſpiehlkunſt.)

Jſt das lateiniſche, oder vielmehr griechiſche Wort
Pantomimus, welches einen Schauſpiehler bedeutet,
der eine ganze Role eines Drama ohne Worte, durch
die bloße Sprach der Gebehrden ausdruͤkt. Gegen-
waͤrtig nennet man ein dramatiſches Schaufpiehl,
das durchaus ohne Reden vorgeſtellt wird, eine
Pantomime; und dann druͤkt man durch dieſes Wort
auch uͤberhaupt dasjenige aus, was im Drama zum
ſtummen Spiehl gehoͤret.

Von den roͤmiſchen Pantomimen, die, wie es
ſcheinet in den Zeiten des Auguſtus aufgekommen
ſind, und in deren Spiehl die Roͤmer bis zur Raſe-
rey verliebt geweſen, wollen wir hier nicht ſprechen.
Wer Luſt hat ſich eine Vorſtellung davon zu machen
kann Lucians Abhandlung vom Tanzen, und des
Abbe du Bos geſammelte Nachrichten hieruͤber le-
ſen. (*) Dieſes Schauſpiehl kommt gegenwaͤrtig
in keine Betrachtung, ob es gleich noch vor kurzem
hier und da auf einigen Schaubuͤhnen erſchienen
iſt. Was izt noch Aufmerkſamkeit verdienet, iſt
der Theil des ſtummen Spiehles, den man Panto-
mime nennt.

Es iſt ſchweer zu ſagen, wie viel von der guten
Wuͤrkung einer dramatiſchen Scene den Worten des
Dichters, wie viel dem Ton, und wie viel der Stel-
lung und Bewegung der Schauſpiehler zuzuſchreiben
ſey. Jedes hat einen ſehr weſentlichen Antheil daran,
darum iſt die Pantomime gewiß ein wichtiges Stuͤk
der Vorſtellung. Wir rechnen die Mine, die Stel-
lung und alle Bewegungen, nicht nur der ſprechen-
den, ſondern auch aller andern auf der Scene er-
ſcheinenden Perſonen dazu; hier aber ſchraͤnken wir
uns auf das eigentliche ſtumme Spiehl, oder auf
dasjenige ein, was die in der Scene gegenwaͤrtigen
Perſonen zu thun haben, waͤhrender Zeit, da ſie
andern zuhoͤren, oder ſelbſt nicht ſprechen.

Dieſer Theil der Kunſt iſt ſo wenig bearbeitet,
und erfodert, wenn er nur einiger maaßen metho-
diſch behandelt werden ſoll, die Betrachtung einer
ſo großen Menge beſonderer Faͤlle, aus deren Ent-
wiklung die allgemeinen Grundſaͤze hergeleitet wer-
den muͤſſen; daß ich es nicht uͤber mich nehmen kann,
dieſe Materie foͤrmlich abzuhandeln. Jch muß mich

hier
(†) [Spaltenumbruch]
Dieſe Abhandlung iſt von dem franz. Baumeiſter
[Spaltenumbruch] Peyre und ſteht in dem Mercure de France vom Aug. 1773.
(*) Jn ſei-
nen Refle-
xions ſur la
poeſie et la
peinture.
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[876[858]/0293] Pal Pan der Naͤhe dieſes Palaſts verſammeln koͤnnte, da jeder das Gebaͤude frey ſaͤhe. Einige orientaliſche Voͤlker, denen man ſonſt nicht den groͤßten Geſchmak zutraut, ſcheinen mehr, als die Europaͤer eingeſehen zu haben, was ſich zu einem großen Palaſt ſchiket. Man ſagt, daß der, den der chineſiſche Monarch in Peking bewohnt, die Groͤße einer mittelmaͤßigen Europaͤiſchen Stadt habe; und aus den roͤmiſchen Ueberbleibſeln der alten Bau- kunſt, laͤßt ſich ſchließen, daß auch die roͤmiſchen Baumeiſter gewußt haben, die Groͤße und den Cha- rakter der Palaͤſte, der Hoheit, jener Herren der Welt, gemaͤß einzurichten. Jndem ich daran bin die lezte Hand an dieſen Artikel zu legen, faͤllt mir eine Abhandlung uͤber dieſe Materie in die Haͤnde, daraus ich das Weſent- lichſte, das hieher gehoͤrt, anfuͤhren will. (†) Wodurch unterſcheiden ſich in Europa, heißt es da, die Palaͤſte der Koͤnige von den Haͤuſern der Privatperſonen? Sie ſind von groͤßerm Umfange; die Zimmer ſind groͤßer und man entdeket da mehr Reichthum. Dies macht den ganzen Unterſchied aus; ſonſt ſind ſie von verſchiedenen uͤbereinander ſtehenden Geſchoſſen, wie die gemeinen Wohnhaͤuſer, und wer zum erſtenmale dahin kommt, muß ſich erkundigen, wo die Zimmer des Fuͤrſten ſind. Wuͤrde es nicht ein edleres Anſehen haben, wenn dieſe Palaͤſte nur von einem Geſchoß waͤren, wie ehemals die roͤmiſchen, das aber auf einen erhoͤhten Grund (einer Teraſſe) ſtuͤnde; wenn unter dieſem erhoͤhten Grund alles gewoͤlbt waͤre, und in dieſe Gewoͤlber, das, was die taͤgliche Nothdurft und die allgemeinen Bequaͤmlichkeiten erfodern, gebracht wuͤrde; und wenn die Hauptzimmer des Palaſtes, nach Art der Alten, durch Oefnungen in den Gewoͤl- bern derſelben erleuͤchtet wuͤrden? An dieſe große Stuͤke wuͤrde man die, welche zum taͤglichen Ge- brauch gehoͤren, geſchikt anſchließen, und dadurch wuͤrden dieſe auf die angenehmſte und bequaͤmſte Weiſe koͤnnen angeordnet werden, und wuͤrden zu- gleich angenehme Ausſichten auf die Plaͤze und Gaͤr- ten haben, die den Palaſt umgeben. Aber wir verweiſen den Liebhaber der Baukunſt auf die Schrift ſelbſt, daraus dieſes gezogen iſt, und in welcher noch viel betraͤchtliche Beobachtungen uͤber die große Baukunſt vorkommen. Pantomime. (Schauſpiehlkunſt.) Jſt das lateiniſche, oder vielmehr griechiſche Wort Pantomimus, welches einen Schauſpiehler bedeutet, der eine ganze Role eines Drama ohne Worte, durch die bloße Sprach der Gebehrden ausdruͤkt. Gegen- waͤrtig nennet man ein dramatiſches Schaufpiehl, das durchaus ohne Reden vorgeſtellt wird, eine Pantomime; und dann druͤkt man durch dieſes Wort auch uͤberhaupt dasjenige aus, was im Drama zum ſtummen Spiehl gehoͤret. Von den roͤmiſchen Pantomimen, die, wie es ſcheinet in den Zeiten des Auguſtus aufgekommen ſind, und in deren Spiehl die Roͤmer bis zur Raſe- rey verliebt geweſen, wollen wir hier nicht ſprechen. Wer Luſt hat ſich eine Vorſtellung davon zu machen kann Lucians Abhandlung vom Tanzen, und des Abbe du Bos geſammelte Nachrichten hieruͤber le- ſen. (*) Dieſes Schauſpiehl kommt gegenwaͤrtig in keine Betrachtung, ob es gleich noch vor kurzem hier und da auf einigen Schaubuͤhnen erſchienen iſt. Was izt noch Aufmerkſamkeit verdienet, iſt der Theil des ſtummen Spiehles, den man Panto- mime nennt. Es iſt ſchweer zu ſagen, wie viel von der guten Wuͤrkung einer dramatiſchen Scene den Worten des Dichters, wie viel dem Ton, und wie viel der Stel- lung und Bewegung der Schauſpiehler zuzuſchreiben ſey. Jedes hat einen ſehr weſentlichen Antheil daran, darum iſt die Pantomime gewiß ein wichtiges Stuͤk der Vorſtellung. Wir rechnen die Mine, die Stel- lung und alle Bewegungen, nicht nur der ſprechen- den, ſondern auch aller andern auf der Scene er- ſcheinenden Perſonen dazu; hier aber ſchraͤnken wir uns auf das eigentliche ſtumme Spiehl, oder auf dasjenige ein, was die in der Scene gegenwaͤrtigen Perſonen zu thun haben, waͤhrender Zeit, da ſie andern zuhoͤren, oder ſelbſt nicht ſprechen. Dieſer Theil der Kunſt iſt ſo wenig bearbeitet, und erfodert, wenn er nur einiger maaßen metho- diſch behandelt werden ſoll, die Betrachtung einer ſo großen Menge beſonderer Faͤlle, aus deren Ent- wiklung die allgemeinen Grundſaͤze hergeleitet wer- den muͤſſen; daß ich es nicht uͤber mich nehmen kann, dieſe Materie foͤrmlich abzuhandeln. Jch muß mich hier (†) Dieſe Abhandlung iſt von dem franz. Baumeiſter Peyre und ſteht in dem Mercure de France vom Aug. 1773. (*) Jn ſei- nen Refle- xions ſur la poeſie et la peinture.

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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 2. Leipzig, 1774, S. 876[858]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie02_1774/293>, abgerufen am 29.11.2024.