Nach meiner Empfindung hat dieser Ausdruk des Worts paventi, der schrekend seyn soll, durch die kleine Passage der beyden lezten Sylben etwas eher schmeichelndes, als schrekhaftes bekommen, und die Art, wie das Wort furore beydemale gesungen wird, hat eher etwas beruhigendes, als drohendes.
Es mögen sich einige einbilden, daß die Arien ohne Passagen zu einförmig und so gar langweilig werden würden. Allein dieses ist nicht zu befürchten, wenn nur der Tonsezer geschikt genug ist, alle Vor- theile der Modulation und der begleitenden Jnstru- mente, wol zu nuzen. Die so eben angeführte Arie Gia m' affretta il furor mio, wo am Schluß des zwey- ten Theiles die so eben angeführte schmerzhafte Passa- ge vorkommt, ist sonst durchaus ohne Passagen, und es ist gewiß eine der vollkommensten Opernarien.
Was die Passagen, die die Sänger für sich ma- chen, betrift, sollte jeder Capellmeister sich die Maxi- me des berühmten ehemaligen Churfürstl. Hanove- rischen Capellmeisters Stephani zueignen, der durch- aus nicht leiden wollte, daß ein Sänger eine Note, die ihm nicht vorgeschrieben war, hinzusezte. Jch weiß wol, daß diese Leuthe nicht allemal zu zwingen sind, vornehmlich, da ein so großer Theil ihrer Zuhö- rer den willkührlichen Passagen so ofte Bravo zuruft.
Zum wenigsten sollte der Capellmeister sich solcher Sünden gegen den Geschmak nicht noch dadurch theilhaftig machen, daß er sie selbst begeht. Die Raferey für die willkührlichen Passagen hat eigent- lich das Verderben in die Singemusik eingeführet, worüber gegenwärtig mit so viel Recht geklagt wird. Mancher unberufene Tonsezer, der nicht Genie und Empfindung genug hat, den wahren Ausdruk der Leidenschaft durch ein ganzes Stük fortzusezen, be- gnüget sich damit, daß er etwa eine Melodie in dem schiklichen Ausdruk angefangen hat: hernach schrei- bet er eine Folge von Passagen hin, durch die der Sänger seine Geschiklichkeit zeigen kann, und die sich gleich gut zu allen Arten der Empfindung schi- ken; und dann glaubt er eine gute Arie gemacht zu haben. Möchte doch jeder Kunstrichter seine Stim- me gegen Ausschweiffungen erheben, die der wahren Musik so verderblich sind!
Passepied. (Musik. Tanz)
Ein Tonstük zum Tanzen, das zwahr in seinem Cha- rakter mit der Menuet übereinkommt, aber eine [Spaltenumbruch]
Past
munterere Bewegung hat. Der Takt ist 3/8 und die Sechszehntel sind die geschwindesten Noten, die es verträgt. Die Einschnitte sind wie in der Menuet, die im Auftakt anfängt. Das Stük besteht aus zwey oder mehr Theilen von 8, 16 und mehr Tak- ten, aber ihre gerade Anzahl, muß wieder in zwey Hälften von gerader Zahl theilbar seyn. Die Theile können in verschiedene, dem Hauptton nahe ver- wandte Töne schließen. Jhr Charakter ist eine reizen- de aber edle Munterkeit. Man unterbricht die Melo- die ofte mit einem Takt von drey Viertelnoten, der aber im Rhythmus für zwey gezählt wird, wie bey der Loure angemerkt worden. Bisweilen folget auf das Hauptstük, das in der großen Tonart ge- sezt ist, ein zweytes, das denn die kleine Tonart hat, weswegen es die Franzosen passe-pied mineur nen- nen, auf welches das erste, das alsdenn passe-pied majeur heißt, wiederholt wird.
Paste. (Bildende Künste.)
Der Abdruk eines geschnittenen Steines in Glas. Da schweerlich jemand bessere Kenntnis über diese Materie hat, als der berühmte Lippert, so kann ich nicht besser thun, als den Aufsaz, den er mir schon vor einigen Jahren hierüber zu schiken die Gefällig- keit gehabt hat, hier ganz einzurüken.
"Die Erfindung ist sehr alt, und vielleicht eben so alt, als die Glasmacherkunst. Die Art und Weise wie die Pasten gemacht werden, ist oft be- schrieben worden; eine dergleichen ausführliche Nach- richt stehet in der so genannten Nürnbergischen Werk- schule, und der Graif Cailus hat in des Mariette Buch: Traitte des pierres gravees, eine weitläuf- tige Abhandlung darüber gemacht.
Mir sind auch unterschiedene andere Arten von Pasten vorgekommen, welche aus einer glasartigen Erde in verschiedenen Farben verfertiget werden. Einige waren roth, wie die Gefäße aus Terra sigil- lata sind, die Jtaliäner nennen sie Terra cotta; an- dere grünlich grau; wieder andre gelb, auch gesprengt grau, wie der sogenannte Federjaspis, (Jtaliänisch Jgiada) und welche leztere Sorten ich aus vielen Ursachen vor Aegyptisch gehalten; weil mir aus eben dergleichen Erde allerhand ägyptische Gefäße und Bilder vorgekommen, welche sehr alt, und noch vor der Griechen Zeiten in Aegypten gemacht seyn mochten. Jch habe auch einige dieser Bilder, so fest
als
[Spaltenumbruch]
Paſſ
Nach meiner Empfindung hat dieſer Ausdruk des Worts paventi, der ſchrekend ſeyn ſoll, durch die kleine Paſſage der beyden lezten Sylben etwas eher ſchmeichelndes, als ſchrekhaftes bekommen, und die Art, wie das Wort furore beydemale geſungen wird, hat eher etwas beruhigendes, als drohendes.
Es moͤgen ſich einige einbilden, daß die Arien ohne Paſſagen zu einfoͤrmig und ſo gar langweilig werden wuͤrden. Allein dieſes iſt nicht zu befuͤrchten, wenn nur der Tonſezer geſchikt genug iſt, alle Vor- theile der Modulation und der begleitenden Jnſtru- mente, wol zu nuzen. Die ſo eben angefuͤhrte Arie Gia m’ affretta il furor mio, wo am Schluß des zwey- ten Theiles die ſo eben angefuͤhrte ſchmerzhafte Paſſa- ge vorkommt, iſt ſonſt durchaus ohne Paſſagen, und es iſt gewiß eine der vollkommenſten Opernarien.
Was die Paſſagen, die die Saͤnger fuͤr ſich ma- chen, betrift, ſollte jeder Capellmeiſter ſich die Maxi- me des beruͤhmten ehemaligen Churfuͤrſtl. Hanove- riſchen Capellmeiſters Stephani zueignen, der durch- aus nicht leiden wollte, daß ein Saͤnger eine Note, die ihm nicht vorgeſchrieben war, hinzuſezte. Jch weiß wol, daß dieſe Leuthe nicht allemal zu zwingen ſind, vornehmlich, da ein ſo großer Theil ihrer Zuhoͤ- rer den willkuͤhrlichen Paſſagen ſo ofte Bravo zuruft.
Zum wenigſten ſollte der Capellmeiſter ſich ſolcher Suͤnden gegen den Geſchmak nicht noch dadurch theilhaftig machen, daß er ſie ſelbſt begeht. Die Raferey fuͤr die willkuͤhrlichen Paſſagen hat eigent- lich das Verderben in die Singemuſik eingefuͤhret, woruͤber gegenwaͤrtig mit ſo viel Recht geklagt wird. Mancher unberufene Tonſezer, der nicht Genie und Empfindung genug hat, den wahren Ausdruk der Leidenſchaft durch ein ganzes Stuͤk fortzuſezen, be- gnuͤget ſich damit, daß er etwa eine Melodie in dem ſchiklichen Ausdruk angefangen hat: hernach ſchrei- bet er eine Folge von Paſſagen hin, durch die der Saͤnger ſeine Geſchiklichkeit zeigen kann, und die ſich gleich gut zu allen Arten der Empfindung ſchi- ken; und dann glaubt er eine gute Arie gemacht zu haben. Moͤchte doch jeder Kunſtrichter ſeine Stim- me gegen Ausſchweiffungen erheben, die der wahren Muſik ſo verderblich ſind!
Paſſepied. (Muſik. Tanz)
Ein Tonſtuͤk zum Tanzen, das zwahr in ſeinem Cha- rakter mit der Menuet uͤbereinkommt, aber eine [Spaltenumbruch]
Paſt
munterere Bewegung hat. Der Takt iſt ⅜ und die Sechszehntel ſind die geſchwindeſten Noten, die es vertraͤgt. Die Einſchnitte ſind wie in der Menuet, die im Auftakt anfaͤngt. Das Stuͤk beſteht aus zwey oder mehr Theilen von 8, 16 und mehr Tak- ten, aber ihre gerade Anzahl, muß wieder in zwey Haͤlften von gerader Zahl theilbar ſeyn. Die Theile koͤnnen in verſchiedene, dem Hauptton nahe ver- wandte Toͤne ſchließen. Jhr Charakter iſt eine reizen- de aber edle Munterkeit. Man unterbricht die Melo- die ofte mit einem Takt von drey Viertelnoten, der aber im Rhythmus fuͤr zwey gezaͤhlt wird, wie bey der Loure angemerkt worden. Bisweilen folget auf das Hauptſtuͤk, das in der großen Tonart ge- ſezt iſt, ein zweytes, das denn die kleine Tonart hat, weswegen es die Franzoſen paſſe-pied mineur nen- nen, auf welches das erſte, das alsdenn paſſe-pied majeur heißt, wiederholt wird.
Paſte. (Bildende Kuͤnſte.)
Der Abdruk eines geſchnittenen Steines in Glas. Da ſchweerlich jemand beſſere Kenntnis uͤber dieſe Materie hat, als der beruͤhmte Lippert, ſo kann ich nicht beſſer thun, als den Aufſaz, den er mir ſchon vor einigen Jahren hieruͤber zu ſchiken die Gefaͤllig- keit gehabt hat, hier ganz einzuruͤken.
„Die Erfindung iſt ſehr alt, und vielleicht eben ſo alt, als die Glasmacherkunſt. Die Art und Weiſe wie die Paſten gemacht werden, iſt oft be- ſchrieben worden; eine dergleichen ausfuͤhrliche Nach- richt ſtehet in der ſo genannten Nuͤrnbergiſchen Werk- ſchule, und der Graif Cailus hat in des Mariette Buch: Traitté des pierres gravées, eine weitlaͤuf- tige Abhandlung daruͤber gemacht.
Mir ſind auch unterſchiedene andere Arten von Paſten vorgekommen, welche aus einer glasartigen Erde in verſchiedenen Farben verfertiget werden. Einige waren roth, wie die Gefaͤße aus Terra ſigil- lata ſind, die Jtaliaͤner nennen ſie Terra cotta; an- dere gruͤnlich grau; wieder andre gelb, auch geſprengt grau, wie der ſogenannte Federjaſpis, (Jtaliaͤniſch Jgiada) und welche leztere Sorten ich aus vielen Urſachen vor Aegyptiſch gehalten; weil mir aus eben dergleichen Erde allerhand aͤgyptiſche Gefaͤße und Bilder vorgekommen, welche ſehr alt, und noch vor der Griechen Zeiten in Aegypten gemacht ſeyn mochten. Jch habe auch einige dieſer Bilder, ſo feſt
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[881[863]/0298]
Paſſ
Paſt
Nach meiner Empfindung hat dieſer Ausdruk des
Worts paventi, der ſchrekend ſeyn ſoll, durch die
kleine Paſſage der beyden lezten Sylben etwas eher
ſchmeichelndes, als ſchrekhaftes bekommen, und die
Art, wie das Wort furore beydemale geſungen wird,
hat eher etwas beruhigendes, als drohendes.
Es moͤgen ſich einige einbilden, daß die Arien
ohne Paſſagen zu einfoͤrmig und ſo gar langweilig
werden wuͤrden. Allein dieſes iſt nicht zu befuͤrchten,
wenn nur der Tonſezer geſchikt genug iſt, alle Vor-
theile der Modulation und der begleitenden Jnſtru-
mente, wol zu nuzen. Die ſo eben angefuͤhrte Arie
Gia m’ affretta il furor mio, wo am Schluß des zwey-
ten Theiles die ſo eben angefuͤhrte ſchmerzhafte Paſſa-
ge vorkommt, iſt ſonſt durchaus ohne Paſſagen, und
es iſt gewiß eine der vollkommenſten Opernarien.
Was die Paſſagen, die die Saͤnger fuͤr ſich ma-
chen, betrift, ſollte jeder Capellmeiſter ſich die Maxi-
me des beruͤhmten ehemaligen Churfuͤrſtl. Hanove-
riſchen Capellmeiſters Stephani zueignen, der durch-
aus nicht leiden wollte, daß ein Saͤnger eine Note,
die ihm nicht vorgeſchrieben war, hinzuſezte. Jch
weiß wol, daß dieſe Leuthe nicht allemal zu zwingen
ſind, vornehmlich, da ein ſo großer Theil ihrer Zuhoͤ-
rer den willkuͤhrlichen Paſſagen ſo ofte Bravo zuruft.
Zum wenigſten ſollte der Capellmeiſter ſich ſolcher
Suͤnden gegen den Geſchmak nicht noch dadurch
theilhaftig machen, daß er ſie ſelbſt begeht. Die
Raferey fuͤr die willkuͤhrlichen Paſſagen hat eigent-
lich das Verderben in die Singemuſik eingefuͤhret,
woruͤber gegenwaͤrtig mit ſo viel Recht geklagt wird.
Mancher unberufene Tonſezer, der nicht Genie und
Empfindung genug hat, den wahren Ausdruk der
Leidenſchaft durch ein ganzes Stuͤk fortzuſezen, be-
gnuͤget ſich damit, daß er etwa eine Melodie in dem
ſchiklichen Ausdruk angefangen hat: hernach ſchrei-
bet er eine Folge von Paſſagen hin, durch die der
Saͤnger ſeine Geſchiklichkeit zeigen kann, und die
ſich gleich gut zu allen Arten der Empfindung ſchi-
ken; und dann glaubt er eine gute Arie gemacht zu
haben. Moͤchte doch jeder Kunſtrichter ſeine Stim-
me gegen Ausſchweiffungen erheben, die der wahren
Muſik ſo verderblich ſind!
Paſſepied.
(Muſik. Tanz)
Ein Tonſtuͤk zum Tanzen, das zwahr in ſeinem Cha-
rakter mit der Menuet uͤbereinkommt, aber eine
munterere Bewegung hat. Der Takt iſt ⅜ und die
Sechszehntel ſind die geſchwindeſten Noten, die es
vertraͤgt. Die Einſchnitte ſind wie in der Menuet,
die im Auftakt anfaͤngt. Das Stuͤk beſteht aus
zwey oder mehr Theilen von 8, 16 und mehr Tak-
ten, aber ihre gerade Anzahl, muß wieder in zwey
Haͤlften von gerader Zahl theilbar ſeyn. Die Theile
koͤnnen in verſchiedene, dem Hauptton nahe ver-
wandte Toͤne ſchließen. Jhr Charakter iſt eine reizen-
de aber edle Munterkeit. Man unterbricht die Melo-
die ofte mit einem Takt von drey Viertelnoten, der
aber im Rhythmus fuͤr zwey gezaͤhlt wird, wie bey
der Loure angemerkt worden. Bisweilen folget
auf das Hauptſtuͤk, das in der großen Tonart ge-
ſezt iſt, ein zweytes, das denn die kleine Tonart hat,
weswegen es die Franzoſen paſſe-pied mineur nen-
nen, auf welches das erſte, das alsdenn paſſe-pied
majeur heißt, wiederholt wird.
Paſte.
(Bildende Kuͤnſte.)
Der Abdruk eines geſchnittenen Steines in Glas.
Da ſchweerlich jemand beſſere Kenntnis uͤber dieſe
Materie hat, als der beruͤhmte Lippert, ſo kann ich
nicht beſſer thun, als den Aufſaz, den er mir ſchon
vor einigen Jahren hieruͤber zu ſchiken die Gefaͤllig-
keit gehabt hat, hier ganz einzuruͤken.
„Die Erfindung iſt ſehr alt, und vielleicht eben
ſo alt, als die Glasmacherkunſt. Die Art und
Weiſe wie die Paſten gemacht werden, iſt oft be-
ſchrieben worden; eine dergleichen ausfuͤhrliche Nach-
richt ſtehet in der ſo genannten Nuͤrnbergiſchen Werk-
ſchule, und der Graif Cailus hat in des Mariette
Buch: Traitté des pierres gravées, eine weitlaͤuf-
tige Abhandlung daruͤber gemacht.
Mir ſind auch unterſchiedene andere Arten von
Paſten vorgekommen, welche aus einer glasartigen
Erde in verſchiedenen Farben verfertiget werden.
Einige waren roth, wie die Gefaͤße aus Terra ſigil-
lata ſind, die Jtaliaͤner nennen ſie Terra cotta; an-
dere gruͤnlich grau; wieder andre gelb, auch geſprengt
grau, wie der ſogenannte Federjaſpis, (Jtaliaͤniſch
Jgiada) und welche leztere Sorten ich aus vielen
Urſachen vor Aegyptiſch gehalten; weil mir aus eben
dergleichen Erde allerhand aͤgyptiſche Gefaͤße und
Bilder vorgekommen, welche ſehr alt, und noch
vor der Griechen Zeiten in Aegypten gemacht ſeyn
mochten. Jch habe auch einige dieſer Bilder, ſo feſt
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Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 2. Leipzig, 1774, S. 881[863]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie02_1774/298>, abgerufen am 29.11.2024.
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