schwazt. Denn dies ist die Sprache der Natur in solchen Umständen.
Alles was leidenschaftlich und sittlich ist, theilt der Sprache seine Natur mit. Daher Redner und Dichter den Ton und die Art jedes leidenschaftlichen und sittlichen Charakters genau zu studiren haben. Denn so wie es ein sehr anstößiger Fehler ist, wenn der Ton der Rede mit ihrem Jnhalt nicht überein- kommt, so trägt die Uebereinstimmung dieser beyden Sachen ungemein viel zur Schönheit und überhaupt zur Würkung der Rede bey.
Dieses scheint das größte Talent des Dichters und Redners zu seyn; dadurch zeiget er, daß er die Natur und die Menschen kennt, und seine Materie wol überlegt hat.
Es lassen sich hierüber wenig allgemeine Regeln geben. Man muß jede Leidenschaft, und jeden Charakter der Menschen wol studirt haben, um hier- in allemal glüklich zu seyn. Es wär aber doch gut, wenn man die allgemeineste Beobachtungen hierüber sammelte. Dergleichen sind z. B. folgende
Starke Leidenschaften, von welcher Art sie seyen, lieben einen starken, etwas übertriebenen Ausdruk, und alles Abgemessene, alles genau Zusammenhangende in der Rede ist ihnen entgegen. Man fühlt darin zu viel, als daß man auf die Art sein Gefühl zu äußern Acht haben sollte. Man nihmt die Worte wie sie kommen. O deorum quidquid in coelo regit Terras et humanum genus! sagt Horaz im großen Schreken (*) ganz gegen die Grammatik. Sind die starken Leidenschaften von vergnügter Art, so wird der Ton etwas trozig, oder ausgelassen, wie die oben angeführte Stelle aus dem Plautus; schwazhaft, wie die Clytemnestra bey ihrer An- kunft in Aulis. (*)
Sind sie verdrießlicher Art, so wird der Ausdruk bey seiner Stärke kurz, sehr nachdrüklich, und be- kommt auch die Steifigkeit des Verdrusses. Philok- tet sagt beym Sophokles, Er (Ulysses) würde mich eben so gewiß bereden vom Tod wieder ins Leben zu kommen, als mit ihm nach Troja zu gehen. Bald darauf drükt sich sein bitterer Haß noch stär- ker aus. Lieber wollte ich der Natter, die mich so elend gemacht hat, Gehör geben, als ihm.
Redner und Dichter haben die genaue Beobach- tung des pathos und des ethos nicht nur zum Ge- fallen nöthig; sondern fürnemlich, so ofte sie rüh- ren, oder überzeugen wollen.
[Spaltenumbruch]
Sta
Was insonderheit dieses lezte betrift, so giebt es eine Sprache der Ueberzeugung, die mehr als alle Beweisthümer würkt. Der Redner mag seine Beweise noch so schließend machen, wenn ihm die Sprache der Ueberzeugung fehlt, so ist alles, was er sagt, vergeblich. Diese ist kurz und sehr ein- fach. (*) Nichts verräth hingegen eine zweifelhafte Sache mehr, und hindert folglich die Ueberzeugung stärker, als das gekünstelte, das gesuchte, das umschweiffende in der Sprache.
Staffirung. (Zeichnende Künste.)
Bedeutet sowol in der Baukunst, als Mahlerey die Verziehrung einer allenfalls fertigen Sache, um ihr etwas mehr Leben oder Ansehen zu geben. Die Staffirung eines Zimmers, ist die Anbringung eini- ger Zierrathen etc.
Jn der Mahlerey bedeutet die Staffirung der Landschaften die Figuren, Statuen, Ruinen, die man allenfalls erst nachher darin mahlt. Weil zur Staffirung mehr Zeichnung, als zur Landschaft an sich gehört, so findet man viel gute Landschaftmah- ler, die nicht im Stande sind, ihre Stüke zu staffi- ren, daher ist die Staffirung sehr ofte von einen andern Meister.
Die Staffirung ist bisweilen das Wichtigste in der Landschaft, wenigstens kann es ihr einen großen Nachdruk geben. Wir haben aber das, was da- bey zu überlegen ist, schon an einem andern Orte näher berühret. (*)
Stark; Stärke. (Schöne Künste.)
Es ist in den schönen Künsten nicht genug, daß je- des Werk, oder jedes Einzele darin, das sey, was es nach der Art und der Absicht seyn soll; man muß auch versichert seyn, daß es die Würkung thue, die man erwartet. Es giebt Werke, an denen der Ver- stand, oder die Critik nichts auszusezen findet, die aber der Geschmak wenig achtet, weil sie gar gerin- gen Eindruk machen: sie sind schwach. Stärke schreibet man dem zu, dessen Würkung vorzüglich groß ist. Ein starker Gedanken ist der, den wir nicht nur mit voller Klarheit fassen, sondern der so vorzüglich auf die Vorstellungskraft würket,
daß
(*)Epod. 5.
(*) S. Euripid. Iphig. in Aul. vs. 607. seq.
(*) Aplous o muthos tes alethe[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]as ephn. F.urip. Phoe. 1. 47[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt].
(*) S. Landschaft. S. 676.
X x x x x x 3
[Spaltenumbruch]
Spr
ſchwazt. Denn dies iſt die Sprache der Natur in ſolchen Umſtaͤnden.
Alles was leidenſchaftlich und ſittlich iſt, theilt der Sprache ſeine Natur mit. Daher Redner und Dichter den Ton und die Art jedes leidenſchaftlichen und ſittlichen Charakters genau zu ſtudiren haben. Denn ſo wie es ein ſehr anſtoͤßiger Fehler iſt, wenn der Ton der Rede mit ihrem Jnhalt nicht uͤberein- kommt, ſo traͤgt die Uebereinſtimmung dieſer beyden Sachen ungemein viel zur Schoͤnheit und uͤberhaupt zur Wuͤrkung der Rede bey.
Dieſes ſcheint das groͤßte Talent des Dichters und Redners zu ſeyn; dadurch zeiget er, daß er die Natur und die Menſchen kennt, und ſeine Materie wol uͤberlegt hat.
Es laſſen ſich hieruͤber wenig allgemeine Regeln geben. Man muß jede Leidenſchaft, und jeden Charakter der Menſchen wol ſtudirt haben, um hier- in allemal gluͤklich zu ſeyn. Es waͤr aber doch gut, wenn man die allgemeineſte Beobachtungen hieruͤber ſammelte. Dergleichen ſind z. B. folgende
Starke Leidenſchaften, von welcher Art ſie ſeyen, lieben einen ſtarken, etwas uͤbertriebenen Ausdruk, und alles Abgemeſſene, alles genau Zuſammenhangende in der Rede iſt ihnen entgegen. Man fuͤhlt darin zu viel, als daß man auf die Art ſein Gefuͤhl zu aͤußern Acht haben ſollte. Man nihmt die Worte wie ſie kommen. O deorum quidquid in cœlo regit Terras et humanum genus! ſagt Horaz im großen Schreken (*) ganz gegen die Grammatik. Sind die ſtarken Leidenſchaften von vergnuͤgter Art, ſo wird der Ton etwas trozig, oder ausgelaſſen, wie die oben angefuͤhrte Stelle aus dem Plautus; ſchwazhaft, wie die Clytemneſtra bey ihrer An- kunft in Aulis. (*)
Sind ſie verdrießlicher Art, ſo wird der Ausdruk bey ſeiner Staͤrke kurz, ſehr nachdruͤklich, und be- kommt auch die Steifigkeit des Verdruſſes. Philok- tet ſagt beym Sophokles, Er (Ulyſſes) wuͤrde mich eben ſo gewiß bereden vom Tod wieder ins Leben zu kommen, als mit ihm nach Troja zu gehen. Bald darauf druͤkt ſich ſein bitterer Haß noch ſtaͤr- ker aus. Lieber wollte ich der Natter, die mich ſo elend gemacht hat, Gehoͤr geben, als ihm.
Redner und Dichter haben die genaue Beobach- tung des παθος und des ἠθος nicht nur zum Ge- fallen noͤthig; ſondern fuͤrnemlich, ſo ofte ſie ruͤh- ren, oder uͤberzeugen wollen.
[Spaltenumbruch]
Sta
Was inſonderheit dieſes lezte betrift, ſo giebt es eine Sprache der Ueberzeugung, die mehr als alle Beweisthuͤmer wuͤrkt. Der Redner mag ſeine Beweiſe noch ſo ſchließend machen, wenn ihm die Sprache der Ueberzeugung fehlt, ſo iſt alles, was er ſagt, vergeblich. Dieſe iſt kurz und ſehr ein- fach. (*) Nichts verraͤth hingegen eine zweifelhafte Sache mehr, und hindert folglich die Ueberzeugung ſtaͤrker, als das gekuͤnſtelte, das geſuchte, das umſchweiffende in der Sprache.
Staffirung. (Zeichnende Kuͤnſte.)
Bedeutet ſowol in der Baukunſt, als Mahlerey die Verziehrung einer allenfalls fertigen Sache, um ihr etwas mehr Leben oder Anſehen zu geben. Die Staffirung eines Zimmers, iſt die Anbringung eini- ger Zierrathen ꝛc.
Jn der Mahlerey bedeutet die Staffirung der Landſchaften die Figuren, Statuen, Ruinen, die man allenfalls erſt nachher darin mahlt. Weil zur Staffirung mehr Zeichnung, als zur Landſchaft an ſich gehoͤrt, ſo findet man viel gute Landſchaftmah- ler, die nicht im Stande ſind, ihre Stuͤke zu ſtaffi- ren, daher iſt die Staffirung ſehr ofte von einen andern Meiſter.
Die Staffirung iſt bisweilen das Wichtigſte in der Landſchaft, wenigſtens kann es ihr einen großen Nachdruk geben. Wir haben aber das, was da- bey zu uͤberlegen iſt, ſchon an einem andern Orte naͤher beruͤhret. (*)
Stark; Staͤrke. (Schoͤne Kuͤnſte.)
Es iſt in den ſchoͤnen Kuͤnſten nicht genug, daß je- des Werk, oder jedes Einzele darin, das ſey, was es nach der Art und der Abſicht ſeyn ſoll; man muß auch verſichert ſeyn, daß es die Wuͤrkung thue, die man erwartet. Es giebt Werke, an denen der Ver- ſtand, oder die Critik nichts auszuſezen findet, die aber der Geſchmak wenig achtet, weil ſie gar gerin- gen Eindruk machen: ſie ſind ſchwach. Staͤrke ſchreibet man dem zu, deſſen Wuͤrkung vorzuͤglich groß iſt. Ein ſtarker Gedanken iſt der, den wir nicht nur mit voller Klarheit faſſen, ſondern der ſo vorzuͤglich auf die Vorſtellungskraft wuͤrket,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0532"n="1103[1085]"/><cb/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Spr</hi></fw><lb/>ſchwazt. Denn dies iſt die Sprache der Natur in<lb/>ſolchen Umſtaͤnden.</p><lb/><p>Alles was leidenſchaftlich und ſittlich iſt, theilt<lb/>
der Sprache ſeine Natur mit. Daher Redner und<lb/>
Dichter den Ton und die Art jedes leidenſchaftlichen<lb/>
und ſittlichen Charakters genau zu ſtudiren haben.<lb/>
Denn ſo wie es ein ſehr anſtoͤßiger Fehler iſt, wenn<lb/>
der Ton der Rede mit ihrem Jnhalt nicht uͤberein-<lb/>
kommt, ſo traͤgt die Uebereinſtimmung dieſer beyden<lb/>
Sachen ungemein viel zur Schoͤnheit und uͤberhaupt<lb/>
zur Wuͤrkung der Rede bey.</p><lb/><p>Dieſes ſcheint das groͤßte Talent des Dichters<lb/>
und Redners zu ſeyn; dadurch zeiget er, daß er die<lb/>
Natur und die Menſchen kennt, und ſeine Materie<lb/>
wol uͤberlegt hat.</p><lb/><p>Es laſſen ſich hieruͤber wenig allgemeine Regeln<lb/>
geben. Man muß jede Leidenſchaft, und jeden<lb/>
Charakter der Menſchen wol ſtudirt haben, um hier-<lb/>
in allemal gluͤklich zu ſeyn. Es waͤr aber doch<lb/>
gut, wenn man die allgemeineſte Beobachtungen<lb/>
hieruͤber ſammelte. Dergleichen ſind z. B. folgende</p><lb/><p>Starke Leidenſchaften, von welcher Art ſie ſeyen,<lb/>
lieben einen ſtarken, etwas uͤbertriebenen Ausdruk, und<lb/>
alles Abgemeſſene, alles genau Zuſammenhangende<lb/>
in der Rede iſt ihnen entgegen. Man fuͤhlt darin<lb/>
zu viel, als daß man auf die Art ſein Gefuͤhl zu<lb/>
aͤußern Acht haben ſollte. Man nihmt die Worte<lb/>
wie ſie kommen. <hirendition="#aq">O deorum <hirendition="#i">quidquid</hi> in cœlo regit<lb/>
Terras et humanum genus!</hi>ſagt <hirendition="#fr">Horaz</hi> im großen<lb/>
Schreken <noteplace="foot"n="(*)"><hirendition="#aq">Epod.</hi> 5.</note> ganz gegen die Grammatik. Sind<lb/>
die ſtarken Leidenſchaften von vergnuͤgter Art, ſo<lb/>
wird der Ton etwas trozig, oder ausgelaſſen, wie<lb/>
die oben angefuͤhrte Stelle aus dem Plautus;<lb/>ſchwazhaft, wie die Clytemneſtra bey ihrer An-<lb/>
kunft in Aulis. <noteplace="foot"n="(*)">S.<lb/><hirendition="#aq">Euripid.<lb/>
Iphig. in<lb/>
Aul. vs.<lb/>
607. ſeq.</hi></note></p><lb/><p>Sind ſie verdrießlicher Art, ſo wird der Ausdruk<lb/>
bey ſeiner Staͤrke kurz, ſehr nachdruͤklich, und be-<lb/>
kommt auch die Steifigkeit des Verdruſſes. <hirendition="#fr">Philok-<lb/>
tet</hi>ſagt beym Sophokles, <hirendition="#fr">Er</hi> (Ulyſſes) <hirendition="#fr">wuͤrde mich<lb/>
eben ſo gewiß bereden vom Tod wieder ins Leben<lb/>
zu kommen, als mit ihm nach Troja zu gehen.</hi><lb/>
Bald darauf druͤkt ſich ſein bitterer Haß noch ſtaͤr-<lb/>
ker aus. <hirendition="#fr">Lieber wollte ich der Natter, die mich<lb/>ſo elend gemacht hat, Gehoͤr geben, als ihm.</hi></p><lb/><p>Redner und Dichter haben die genaue Beobach-<lb/>
tung des παθος und des ἠθος nicht nur zum Ge-<lb/>
fallen noͤthig; ſondern fuͤrnemlich, ſo ofte ſie ruͤh-<lb/>
ren, oder uͤberzeugen wollen.</p><lb/><cb/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Sta</hi></fw><lb/><p>Was inſonderheit dieſes lezte betrift, ſo giebt<lb/>
es eine Sprache der Ueberzeugung, die mehr als<lb/>
alle Beweisthuͤmer wuͤrkt. Der Redner mag ſeine<lb/>
Beweiſe noch ſo ſchließend machen, wenn ihm die<lb/>
Sprache der Ueberzeugung fehlt, ſo iſt alles, was<lb/>
er ſagt, vergeblich. Dieſe iſt kurz und ſehr ein-<lb/>
fach. <noteplace="foot"n="(*)">Ἁπλους<lb/>ὀμυθοςτῆς<lb/>ἀληθε<gapreason="illegible"unit="chars"quantity="1"/>ας<lb/>ἐφν. <hirendition="#aq">F.urip.<lb/>
Phœ.</hi> 1. 47<gapreason="illegible"unit="chars"quantity="1"/>.</note> Nichts verraͤth hingegen eine zweifelhafte<lb/>
Sache mehr, und hindert folglich die Ueberzeugung<lb/>ſtaͤrker, als das gekuͤnſtelte, das geſuchte, das<lb/>
umſchweiffende in der Sprache.</p></div><lb/><divn="2"><head><hirendition="#g">Staffirung.</hi><lb/>
(Zeichnende Kuͤnſte.)</head><lb/><p><hirendition="#in">B</hi>edeutet ſowol in der Baukunſt, als Mahlerey<lb/>
die Verziehrung einer allenfalls fertigen Sache, um<lb/>
ihr etwas mehr Leben oder Anſehen zu geben. Die<lb/>
Staffirung eines Zimmers, iſt die Anbringung eini-<lb/>
ger Zierrathen ꝛc.</p><lb/><p>Jn der Mahlerey bedeutet die Staffirung der<lb/>
Landſchaften die Figuren, Statuen, Ruinen, die<lb/>
man allenfalls erſt nachher darin mahlt. Weil zur<lb/>
Staffirung mehr Zeichnung, als zur Landſchaft an<lb/>ſich gehoͤrt, ſo findet man viel gute Landſchaftmah-<lb/>
ler, die nicht im Stande ſind, ihre Stuͤke zu ſtaffi-<lb/>
ren, daher iſt die Staffirung ſehr ofte von einen<lb/>
andern Meiſter.</p><lb/><p>Die Staffirung iſt bisweilen das Wichtigſte in<lb/>
der Landſchaft, wenigſtens kann es ihr einen großen<lb/>
Nachdruk geben. Wir haben aber das, was da-<lb/>
bey zu uͤberlegen iſt, ſchon an einem andern Orte<lb/>
naͤher beruͤhret. <noteplace="foot"n="(*)">S.<lb/>
Landſchaft.<lb/>
S. 676.</note></p></div><lb/><divn="2"><head><hirendition="#g">Stark; Staͤrke.</hi><lb/>
(Schoͤne Kuͤnſte.)</head><lb/><p><hirendition="#in">E</hi>s iſt in den ſchoͤnen Kuͤnſten nicht genug, daß je-<lb/>
des Werk, oder jedes Einzele darin, das ſey, was es<lb/>
nach der Art und der Abſicht ſeyn ſoll; man muß<lb/>
auch verſichert ſeyn, daß es die Wuͤrkung thue, die<lb/>
man erwartet. Es giebt Werke, an denen der Ver-<lb/>ſtand, oder die Critik nichts auszuſezen findet, die<lb/>
aber der Geſchmak wenig achtet, weil ſie gar gerin-<lb/>
gen Eindruk machen: ſie ſind <hirendition="#fr">ſchwach.</hi> Staͤrke<lb/>ſchreibet man dem zu, deſſen Wuͤrkung vorzuͤglich<lb/>
groß iſt. Ein ſtarker Gedanken iſt der, den wir<lb/>
nicht nur mit voller Klarheit faſſen, ſondern der<lb/>ſo vorzuͤglich auf die Vorſtellungskraft wuͤrket,<lb/><fwplace="bottom"type="sig">X x x x x x 3</fw><fwplace="bottom"type="catch">daß</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[1103[1085]/0532]
Spr
Sta
ſchwazt. Denn dies iſt die Sprache der Natur in
ſolchen Umſtaͤnden.
Alles was leidenſchaftlich und ſittlich iſt, theilt
der Sprache ſeine Natur mit. Daher Redner und
Dichter den Ton und die Art jedes leidenſchaftlichen
und ſittlichen Charakters genau zu ſtudiren haben.
Denn ſo wie es ein ſehr anſtoͤßiger Fehler iſt, wenn
der Ton der Rede mit ihrem Jnhalt nicht uͤberein-
kommt, ſo traͤgt die Uebereinſtimmung dieſer beyden
Sachen ungemein viel zur Schoͤnheit und uͤberhaupt
zur Wuͤrkung der Rede bey.
Dieſes ſcheint das groͤßte Talent des Dichters
und Redners zu ſeyn; dadurch zeiget er, daß er die
Natur und die Menſchen kennt, und ſeine Materie
wol uͤberlegt hat.
Es laſſen ſich hieruͤber wenig allgemeine Regeln
geben. Man muß jede Leidenſchaft, und jeden
Charakter der Menſchen wol ſtudirt haben, um hier-
in allemal gluͤklich zu ſeyn. Es waͤr aber doch
gut, wenn man die allgemeineſte Beobachtungen
hieruͤber ſammelte. Dergleichen ſind z. B. folgende
Starke Leidenſchaften, von welcher Art ſie ſeyen,
lieben einen ſtarken, etwas uͤbertriebenen Ausdruk, und
alles Abgemeſſene, alles genau Zuſammenhangende
in der Rede iſt ihnen entgegen. Man fuͤhlt darin
zu viel, als daß man auf die Art ſein Gefuͤhl zu
aͤußern Acht haben ſollte. Man nihmt die Worte
wie ſie kommen. O deorum quidquid in cœlo regit
Terras et humanum genus! ſagt Horaz im großen
Schreken (*) ganz gegen die Grammatik. Sind
die ſtarken Leidenſchaften von vergnuͤgter Art, ſo
wird der Ton etwas trozig, oder ausgelaſſen, wie
die oben angefuͤhrte Stelle aus dem Plautus;
ſchwazhaft, wie die Clytemneſtra bey ihrer An-
kunft in Aulis. (*)
Sind ſie verdrießlicher Art, ſo wird der Ausdruk
bey ſeiner Staͤrke kurz, ſehr nachdruͤklich, und be-
kommt auch die Steifigkeit des Verdruſſes. Philok-
tet ſagt beym Sophokles, Er (Ulyſſes) wuͤrde mich
eben ſo gewiß bereden vom Tod wieder ins Leben
zu kommen, als mit ihm nach Troja zu gehen.
Bald darauf druͤkt ſich ſein bitterer Haß noch ſtaͤr-
ker aus. Lieber wollte ich der Natter, die mich
ſo elend gemacht hat, Gehoͤr geben, als ihm.
Redner und Dichter haben die genaue Beobach-
tung des παθος und des ἠθος nicht nur zum Ge-
fallen noͤthig; ſondern fuͤrnemlich, ſo ofte ſie ruͤh-
ren, oder uͤberzeugen wollen.
Was inſonderheit dieſes lezte betrift, ſo giebt
es eine Sprache der Ueberzeugung, die mehr als
alle Beweisthuͤmer wuͤrkt. Der Redner mag ſeine
Beweiſe noch ſo ſchließend machen, wenn ihm die
Sprache der Ueberzeugung fehlt, ſo iſt alles, was
er ſagt, vergeblich. Dieſe iſt kurz und ſehr ein-
fach. (*) Nichts verraͤth hingegen eine zweifelhafte
Sache mehr, und hindert folglich die Ueberzeugung
ſtaͤrker, als das gekuͤnſtelte, das geſuchte, das
umſchweiffende in der Sprache.
Staffirung.
(Zeichnende Kuͤnſte.)
Bedeutet ſowol in der Baukunſt, als Mahlerey
die Verziehrung einer allenfalls fertigen Sache, um
ihr etwas mehr Leben oder Anſehen zu geben. Die
Staffirung eines Zimmers, iſt die Anbringung eini-
ger Zierrathen ꝛc.
Jn der Mahlerey bedeutet die Staffirung der
Landſchaften die Figuren, Statuen, Ruinen, die
man allenfalls erſt nachher darin mahlt. Weil zur
Staffirung mehr Zeichnung, als zur Landſchaft an
ſich gehoͤrt, ſo findet man viel gute Landſchaftmah-
ler, die nicht im Stande ſind, ihre Stuͤke zu ſtaffi-
ren, daher iſt die Staffirung ſehr ofte von einen
andern Meiſter.
Die Staffirung iſt bisweilen das Wichtigſte in
der Landſchaft, wenigſtens kann es ihr einen großen
Nachdruk geben. Wir haben aber das, was da-
bey zu uͤberlegen iſt, ſchon an einem andern Orte
naͤher beruͤhret. (*)
Stark; Staͤrke.
(Schoͤne Kuͤnſte.)
Es iſt in den ſchoͤnen Kuͤnſten nicht genug, daß je-
des Werk, oder jedes Einzele darin, das ſey, was es
nach der Art und der Abſicht ſeyn ſoll; man muß
auch verſichert ſeyn, daß es die Wuͤrkung thue, die
man erwartet. Es giebt Werke, an denen der Ver-
ſtand, oder die Critik nichts auszuſezen findet, die
aber der Geſchmak wenig achtet, weil ſie gar gerin-
gen Eindruk machen: ſie ſind ſchwach. Staͤrke
ſchreibet man dem zu, deſſen Wuͤrkung vorzuͤglich
groß iſt. Ein ſtarker Gedanken iſt der, den wir
nicht nur mit voller Klarheit faſſen, ſondern der
ſo vorzuͤglich auf die Vorſtellungskraft wuͤrket,
daß
(*) Epod. 5.
(*) S.
Euripid.
Iphig. in
Aul. vs.
607. ſeq.
(*) Ἁπλους
ὀ μυθος τῆς
ἀληθε_ας
ἐφν. F.urip.
Phœ. 1. 47_.
(*) S.
Landſchaft.
S. 676.
X x x x x x 3
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 2. Leipzig, 1774, S. 1103[1085]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie02_1774/532>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.